EMA-Gutachten zu Reserveantibiotika: Klar abgelehnt im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat heute im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments ihren Vorschlag für die Liste der Antibiotika vorgestellt, die zukünftig für die Behandlung von Menschen reserviert bleiben sollen. Die Abgeordneten des Ausschusses lehnten den EMA-Vorschlag parteiübergreifend ab. Auch Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, übte scharfe Kritik an der Liste:
„Die EMA-Liste macht fassungslos: Von der angekündigten Einschränkung der Antibiotika für die Veterinärmedizin ist nichts zu sehen! Alle Antibiotika, die die EMA als Reserveantibiotika listet, sind eh nicht in der EU als Tierarzneimittel zugelassen. Das heißt konkret: Alles bleibt beim Alten, lebensrettende Reserveantibiotika werden weiterhin in der Tiermast verpulvert.
Schon jetzt gibt es weltweit mehr als eine Million Tote pro Jahr, weil Antibiotika aufgrund bestehender Resistenzen nicht mehr wirken. Weltweit werden zwei Drittel aller Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht. Fast 90 Prozent davon in der Massentierhaltung, in der EU sind es stolze 50 Prozent: hier müssen wir dringend ansetzen, wenn wir die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen eindämmen wollen.
Die Aussage der Kommissionsvertreterin, dass die Liste ja aber ein erster Schritt sei und die Liste über die Zeit angepasst werden könne, ist schwach. Die EMA-Liste ist weniger als ein erster Schritt, sie ist ein Verharren im gesundheitsgefährdenden und unzureichenden Ist-Zustand.
Selbst Colistin, eines der meistgenutzten Antibiotika in der Tiermast, ist nicht Teil der EMA-Liste. Dabei gibt es immer mehr Fälle von Patientinnen und Patienten mit resistenten Keimen, bei denen Colistin das einzige Mittel ist, das noch wirkt. Die Aussage der EMA, dass es Zeit und Geld bedürfe, Colistin zu ersetzen, überzeugt nicht. Wir haben keine Zeit mehr, wenn wir lebensrettende Reserveantibiotika für den Menschen bewahren wollen. Die bisherigen politischen Vorgaben zur Einschränkung von Antibiotika in der Tiermast haben nicht ausreichend gefruchtet und werden es auch mit der EMA-Liste nicht tun.
Die Europäische Kommission kann diesen EMA-Vorschlag nicht übernehmen, wenn sie sich nicht absolut unglaubwürdig machen möchte. Schließlich hat die Kommission selbst noch im September 2021 verkündet und in der heutigen Aussprache wiederholt, dass ‚die Anzahl der antimikrobiellen Mittel, die noch für die Verwendung bei Tieren zur Verfügung stehen sollen, auf das absolute Minimum reduziert werden soll‘, siehe. Sieht sie nicht, dass sie mit der EMA-Liste genau das aber nicht tut und dringend nachbessern muss?
Auch wenn das EU-Parlament formal nicht in die weitere Ausarbeitung der Liste eingezogen werden muss, sollte die Kommission die heutige Aussprache als wichtigen Fingerzeig sehen. Fraktionsübergreifend haben sich alle Abgeordneten gegen den EMA-Vorschlag ausgesprochen. Die Mitgliedsländer rufe ich auf, ihrerseits alles dafür zu tun, dass der EMA-Vorschlag nicht zum Gesetzestext wird.“
Weitere Informationen:
Redebeitrag Martin Häusling am 15.3. im Umwelt- und Gesundheitsausschuss zur EMA-Liste