Grüne Europagruppe Grüne EFA

Tierhaltung und Tierschutz

14.03.2023

Antibiotika-Einsatz in der Tiermast: Was in der EU verboten ist, darf auch nicht in Importen drin sein

Noch mindestens vier Jahre werden tierische Produkte über Importe auf den EU-Markt kommen, bei denen Antibiotika zum Einsatz kommen, welche in der EU verboten sind. Im Mai will die EU-Kommission endlich den legislativen Vorschlag vorlegen, der die Grundlage bildet für das zukünftige Einfuhr-Verbot. Jeder Einsatz dieser Antibiotika in der Tiermast trägt zur Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen bei – eine große Gefahr für die Humanmedizin.

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, kommentiert:

„Dass wir noch mindestens vier weitere Jahre in der EU verbotene Antibiotika aus Drittländern auf unsere Teller holen, ist ein gesundheitspolitischer Skandal. Beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen zählt jeder Tag, eine strenge Regulierung der Einfuhren von tierischen Produkten aus Drittländern ist überfällig.

Das Schneckentempo, das die EU-Kommission bei der Einschränkung von lebenswichtigen Reserveantibiotika an den Tag legt, ist fahrlässig. 1,2 Millionen Menschen weltweit sterben jährlich an Infektionen mit multiresistenten Erregern. Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Bildung von Resistenzen, weswegen eine Senkung des Antibiotikaverbrauchs dringend nötig ist, um Resistenzbildung zu vermindern.

Die künftigen Regelungen sollen auch ein Importverbot für tierische Produkte enthalten, bei deren Herstellung Antibiotika als Wachstumsförderer eingesetzt wurden. Obwohl es in der EU seit 2006 verboten ist, Antibiotika als Wachstumsförderer einzusetzen, gibt es bislang kein solches Importverbot. Aktuell geben nur ca. 60 Prozent der Länder, mit denen die EU Handel treibt an, dass bei ihnen Antibiotika nicht als Wachstumsförderer eingesetzt werden.

Beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen sitzen wir alle in einem Boot. Tierhaltende Betriebe weltweit können durch bessere Haltungsbedingungen entscheidend dazu beitragen, wie schnell sich Antibiotikaresistenzen ausbreiten. Durch eine Kombination von Impfungen, Hygiene und Managementmaßnahmen kann die Antibiotika-Gabe an Nutztiere reduziert werden. Hier in Europa, genauso wie in Drittländern. Es ist höchste Zeit, dass das auch in den Ländern passiert, die in die EU exportieren wollen. Im Interesse der Gesundheit aller, der Menschen und der Tiere.“

Hintergrund:
Die gesetzliche Grundlage für das Importverbot von tierischen Produkten, die mit in der EU verbotenen Antibiotika erzeugt wurde, ist die EU-Tierarzneimittelverordnung. Diese trat bereits letztes Jahr in Kraft, das Importverbot wird aber in nachgelagerten Gesetzen geregelt und diese befinden sich noch in der Ausgestaltung. Momentan geht es dabei um die Liste der Länder, die ihre tierischen Produkte in die EU exportieren dürfen, sowie um die den Export begleitenden Zertifikate.

Wenn ein Antibiotikum seine Wirkung verliert, gefährdet das uns alle. Infektionen mit resistenten Erregern lassen sich meist schwieriger behandeln und können einen komplizierteren Verlauf nehmen. Ein erhöhtes Risiko für solche Infektionen haben insbesondere Menschen mit schwachem Immunsystem oder Autoimmunerkrankungen, Kinder mit unreifer Immunabwehr und ältere Menschen, bei denen das Immunsystem nachlässt.

20.02.2023

Geschützte geografische Kennzeichnung: Ahle Worscht nun gelistet wie Parma-Schinken

Die EU-Kommission hat am 15.02.2023 die sogenannten Nordhessische Ahle Worscht in das Register für geschützte geografische Kennzeichnungenaufgenommen. Martin Häusling, Agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, kommentiert:

„Es ist ein großer Erfolg der Region Nordhessen und ich beglückwünsche alle Beteiligten, die sich dafür eingesetzt haben. Nach 16 Jahren hat die Nordhessische Ahle Worscht nun das gleiche Prädikat wie Champagner, Parmaschinken oder Lübecker Marzipan.

Damit wurde unser regionales Produkt geschützt, das nicht nur geschmacklich herausragend ist, denn die Tiere dürfen nicht aus Massentierhaltung stammen. Nur ältere Tiere aus einer tierschonenden Haltung dürfen verwendet werden und diese dürfen zudem nur kurze Transportweg zurücklegen, womit dieses Produkt das Tierwohl in vorbildlicher Weise unterstützt.

In Zukunft gilt diese Bezeichnung für diese besondere Wurst aus den nordhessischen Landkreisen Hersfeld-Rothenburg, Kassel mit der Stadt Kassel, Marburg-Biedenkopf, Schwalm-Eder, Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner.“

 

Weitere Information:
Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (2023/C 56/09): „Nordhessische Ahle Wurscht / Nordhessische Ahle Worscht“

HR Hessnschau vom 20.02.23: EU schützt Ahle Wurscht als regionale Marke

24.11.2022

Zur Veranstaltung: Wie weiter im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime?

Bei der Online-Veranstaltung gestern Abend von Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, wurde erneut deutlich, welch enorme und gemeinhin unterschätzte Gefahr von Antibiotikaresistenzen ausgeht. Dazu kommentiert der grüne Europapolitiker:

„Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht bei Antibiotikaresistenzen von einer stillen Pandemie. Die WHO sagt auch, wir sollten bestimmte Wirkstoffklassen der Reserveantibiotika nicht mehr in der Tiermast einsetzen, denn sie sollten der Behandlung von Menschen vorbehalten sein. Die EU-Gesetze folgen dieser dringenden Empfehlung aber nicht. Und damit geht der übermäßige Ge- und Missbrauch von Reserveantibiotika in der Tiermast auch unter den neuen gesetzlichen EU-Vorgaben weiter.

Die EU-Kommission hat sich mit dem Green Deal auch bei den Antibiotika ein ambitioniertes Ziel von 50% Reduktion gesetzt. Eine Strategie, wie diese Reduktion erreicht werden soll, bleibt sie aber weiter schuldig. Wir als Agrar- und Umweltpolitiker und -politikerinnen stehen in der Pflicht, dieses Thema aus der Nische in die breite Öffentlichkeit zu tragen und somit dafür zu sorgen, dass die schleichende Pandemie der Antibiotikaresistenzen nicht unter dem Radar der Öffentlichkeit verläuft.“

Reinhild Benning, Senior Beraterin für Agrarpolitik bei der Deutschen Umwelthilfe und Tierhaltungsexpertin:

„Wissenschaftsuntersuchungen und Marktanalysen zeigen, dass in der EU bis 2030 mehr Antibiotika in Tierfabriken eingesetzt werden als heute und somit die Tierärztliche Praxis dem Ziel der Halbierung diametral entgegenläuft. Die industrielle Fleisch- und Milcherzeugung bleibt so lange ein Treiber der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen bis wirksame Politikmaßnahmen den gesetzlichen Rahmen neu ausrichten zugunsten der Gesundheit von Mensch und Tier. Das Wichtigste ist, Reserveantibiotika als Gruppenbehandlung ganzer Tierherden mit Hundertausenden Masthühnern zu unterbinden, weil diese sogenannte Metaphylaxe massiv zur Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen vom Tier bis in unsere Küchen beiträgt.

Deutschland zählt zu den Antibiotika-Hochverbrauchenden im EU-Ländervergleich des Antibiotikaeinsatzes und des Verbrauchs an Reserveantibiotika wie Colistin in der Tiermast. Neun EU-Staaten verzichten trotz schwacher EU-Vorgaben auf Colistin in der Tiermast. In Deutschland hingegen liegt der Colistineinsatz je Tiergewicht sogar seit Jahren oberhalb der empfohlenen Höchstgrenze der EMA. Wir brauchen einen Umbau der Tierhaltung mit der Akzeptanz für geringere Leistungserwartung in der Zucht und mit fairen Preisen für Landwirt*innen.“

Dr. Jana Schroeder vom Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital macht die Auswirkungen auf Ihre tägliche Arbeit im Krankenhaus deutlich:

„Der One-Health-Ansatz beschreibt ganz richtig: Resistenzen im Krankenhaus und in der Tierhaltung können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Antibiotika, egal ob im Krankenhaus oder in der Tierhaltung gegeben, haben immer einen Effekt auf die Umwelt. Demnächst sind keine weiteren bahnbrechenden Wirkstoffe zu erwarten, so dass das Schwert der wirksamen Antibiotika nur durch Hygiene und durch Restriktion im Verbrauch scharf gehalten werden kann. Wir sind als Gesellschaft auf funktionierende Antibiotika angewiesen, denn ohne wirksame Antibiotika ist die Medizin, wie wir sie heute kennen, nicht mehr möglich: Wir müssen die Antibiotika, die wir haben, schützen!“

Zoe Mayer, Mitglied des Bundestags und Berichterstatterin für Tierschutz der Grünen Bundestagfraktion, verhandelt dieser Tage abschließend eine Novelle des Tierarzneimittelgesetzes:

Der Umbau und auch der Abbau der Tierhaltung in Deutschland ist eine der wichtigsten Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime und damit ein prioritäres Anliegen der grünen Bundestagsfraktion.

Wir haben die vergangenen Wochen und Monate an der Überarbeitung des Tierarzneimittelgesetzes gearbeitet, mit dem wir die neuen EU-Vorgaben umsetzen. Leider ist sind die Vorgaben der EU nicht so streng und ausführlich, wie die WHO empfiehlt und wie wir Grünen uns das wünschen. Wir konnten dennoch einige wichtige Punkte verhandeln, zum Beispiel eine höhere Wertung der Reserveantibiotika, die Verankerung des 50%-Ziels des Green Deal und ein Umwidmungsverbot von Colistin. Ich muss dennoch sagen: Uns geht das nicht weit genug. Wir haben Verbote und klarere Restriktionen gefordert, insbesondere bei Colistin.

In Zukunft müssen wir die Prophylaxe stärken, uns für eine ambitionierte Novelle der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung einsetzen und beim Dispensierrecht Fortschritte machen, denn Verschreiben und Verkaufen sollte klar getrennt werden. Für alles das müssen wir die Humanmedizin stärker miteinbeziehen.“

Weitere Informationen:

Link zur Aufzeichnung der Veranstaltung vom 23.11.22: https://youtu.be/EmyDdJ-bRA0

Link zur Veranstaltungsseite

18.11.2022

Steigende Zahl der Antibiotikaresistenzen zeigt dringenden Handlungsbedarf!

Anlässlich des heutigen ‚Europäischen Tag der Sensibilisierung für Antibiotika‘ kommentiert, Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments:  

„Jeden Tag sterben im der EU 100 Menschen durch Infektionen mit antibiotika-resistenten Bakterien. Infektionen und Todesfälle durch Antibiotika-Resistenzen nehmen deutlich zu. Eine äußerst beunruhigende Entwicklung, die wir dringend stoppen müssen.

Eine bedeutende Stellschraube beim Kampf gegen die Ausbreitung der Antibiotikaresistenzen ist die Einschränkung der Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung, insbesondere der Tiermast.

Man sollte sich nicht beeindrucken lassen von Statistiken, die einen Rückgang der Antibiotikaabgabe darstellen. Zwar ist es begrüßenswert und sehr wichtig, dass die Abgabemengen für Antibiotika, insbesondere der Reserveantibiotika, in der Tierhaltung zurückgegangen sind, doch die reinen Abgabemengen sagen erstmal nichts über den tatsächlichen Einsatz der Antibiotika aus.

Die Abgabezahlen müssen vielmehr ins Verhältnis gesetzt werden zur Anzahl der behandelten Tiere. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Schweine gesunken, auch bei Rindern gingen die Tierzahlen zurück. Es braucht nicht viel Phantasie um sich auszumalen, wie die Antibiotikamengen mit einer Erholung des Schweine- und Rindersektors wieder anziehen. Und dass in der Hühnermast besonders viel von dem Reserveantibiotikum Colistin eingesetzt wird, ist ein Umstand, der unbedingt sofort geändert muss.

Mein Appel anlässlich des heutigen Antibiotikatages ist es, Alternativen zur Antibiotikagabe stärker in den Fokus zu nehmen. Durch verbesserte Haltungsbedingungen, durch Zucht und Fütterung können wir sehr viel für die Gesundheit unserer Nutztiere tun. Diese Möglichkeiten müssen wir dringend nutzen, wenn wir uns die lebensrettenden Antibiotika erhalten wollen!“

 

Mehr von Martin Häusling zu Antibiotika:

Online-Veranstaltung: ‚Wie weiter im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime? am 23.11.: https://martin-haeusling.eu/termine/2912-wie-weiter-im-kampf-gegen-antibiotikaresistente-keime-online-veranstaltung-von-martin-haeusling-mdep.html

Weitergehende Informationen zu Reserveantibiotika:
https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz.html

19.10.2022

Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2023: Kommissionvorlage enttäuschend

Das gestern veröffentlichte Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission sei enttäuschend, meint Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Die Überarbeitung der Verordnung zur Bewertung und Zulassung von Chemikalien (REACH) wurde als Teil der Chemikalienstrategie der Kommission für Nachhaltigkeit angekündigt und war ursprünglich für Ende 2022 vorgesehen. Nach einer Reihe von Verzögerungen wird der neue Rechtsrahmen, der sich auf eine breite Palette von Chemikalien bezieht - von Pestiziden bis hin zu Polymeren, die zur Herstellung von Kunststoffen verwendet werden ins 4. Quartal des kommenden Jahres verschoben. Damit wird die Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen nicht für einen besseren Schutz von Mensch und Umwelt vor schädlichen Chemikalien sorgen.

Der Arbeitsplan der Kommission sieht auch keinen Vorschlag zum Exportverbot von Pestiziden in Drittstaaten vor. Das wäre aber überfällig, denn Pestizide, die bei uns verboten sind, schaden auch andernorts Gesundheit und Biodiversität und kommen zudem mit Lebens- und Futtermitteln zu uns zurück.

Ebenfalls enttäuschend ist, dass die Tierschutzstrategie erst im 3. Quartal zu erwarten ist. Somit wird weiterhin Tierleid billigend in Kauf genommen.

Völlig unerwähnt bleibt die Saatgutverordnung, die ursprünglich bereits im 4. Quartal 2022 vorgelegt werden sollte. Die Kommission schrieb noch im Jahre 2020 in ihrem Papier zur Farm to Fork Strategie,„...Nachhaltige Lebensmittelsysteme fußen auch auf Saatgutsicherheit und -vielfalt. Die Landwirte müssen Zugang zu einer Auswahl hochwertigen Saatguts für Pflanzensorten haben, die dem Druck des Klimawandels standhalten. Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um die Registrierung von Saatgutsorten, auch von solchen für den ökologischen Landbau, zu vereinfachen und den Marktzugang für traditionelle und an die Verhältnisse vor Ort angepasste Sorten zu erleichtern …“.

Kommt der Vorschlag zur Saatgutverordnung nicht, dann verabschiedet sich diese Kommission von einem weiteren Baustein ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.

Zwar auch spät, aber immer noch im 2. Quartal 2023, ist mit der Gesetzgebung zur so genannten neuen Gentechnik zu rechnen. Was bisher davon verlautete, lässt nichts Gutes vermuten. Die Kommission muss mehr Wert auf nachhaltig erzeugtes Saatgut legen und weniger auf genmanipuliertes. Bisher sieht es nicht nach einer solchen Schwerpunktsetzung aus.“

07.10.2022

Alles in Ordnung mit dem Abwasser des Geflügelschlachthof Plukon? - Veranstaltungsbericht

Martin Häusling MdEP & Bündnis 90/Die Grünen Edermünde hatten am 7. Oktober zu einem Informationsabend eingeladen. Die Agrarexpertin Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe, hielt zum Thema multiresistente Keime, deren Ursache und Verbreitung in der Massentierhaltung einen spannenden Vortrag.

221007 VA Plukon Benning Frau Benning wies in ihrem Vortrag u.a. darauf hin, dass die UN multiresistente Keime als eine der zehn gefährlichsten Bedrohungen der Menschheit einschätzt. Der nach wie vor oft routinemäßige Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung bedrohe zunehmend die Gesundheit der Menschen, so Benning. Es würden häufig Reserve-Antibiotika eingesetzt, die man in der Humanmedizin dringend benötige. Bei der Verarbeitung des Fleischs würden dann Keime freigesetzt, gegen die dann kaum noch ein Antibiotikum wirke. Bis zum Jahr 2050 wird die Todesursache an Infektionen durch multiresistente Keime weltweit an erster Stelle stehen - noch vor Krebs.
Frau Benning sowie Martin Häusling forderten an diesem Abend wiederholt strengere gesetzliche Regeln für den Einsatz von Antibiotika.

Nachfolgend finden Interessierte den Vortrag sowie empfohlene weiterführende Informationen zum Thema:

23.06.2022

EU-Parlament zu Reserveantibiotika: Abstimmung mit fatalen Folgen

Das Europäische Parlament hat sich heute mehrheitlich für die von der EU-Kommission konzipierte Liste der Reserveantibiotika ausgesprochen. Auf dieser Liste sollten zukünftig all diejenigen Antibiotika stehen, die für die Humanmedizin reserviert bleiben, also nicht für die Behandlung von Tieren genutzt werden dürfen.
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss hat den heute vom Europäischen Parlament abgestimmten Einspruch initiiert und bedauert das heutige Ergebnis zutiefst:

„269 dafür – 280 dagegen, bei 46 Enthaltungen. Eine knappe Mehrheit der Parlamentarier:innen hat sich für den von der Europäischen Kommission angepeilten Weg zur Regelung der Reserveantibiotika ausgesprochen. Sie votierten damit für einen extrem schwachen Regelungsvorschlag, der nichts dazu beitragen wird, der weiteren Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen Herr zu werden. Gewonnen haben damit die Agrar- und Pharmalobby, die es mit ihrer zwielichtigen Kampagne geschafft haben, Stimmung zu machen.
Mit der falschen Behauptung, Hunde, Katzen und andere Haustiere würden zukünftig nicht mehr behandelt werden können, wenn die Liste strenger konzipiert würde, haben sie Emotionen entfacht und Lobbydruck der übelsten Sorte ausgeübt.
Tatsache ist, dass es nicht die Haustiere sind, die in nennenswerten Mengen Antibiotika verabreicht bekommen. Ihr Beitrag zur Resistenzbildung ist dementsprechend gering. Der Löwenanteil der Antibiotika wird in der Tiermast der industrialisierten Landwirtschaft verwendet: weltweit werden 66% aller Antibiotika für landwirtschaftliche Nutztiere verwendet. Fast 90% dieser Antibiotika werden an Tiergruppen verabreicht. Im Regelfall über das Futter- oder Tränkesystem, so dass kranke und gesunde Tiere gleichermaßen mit dem Antibiotikum versorgt werden. Der Resistenzbildung ist damit Tür und Tor geöffnet.
Jetzt liegt eine Liste auf dem Tisch, die keinerlei Wert hat und die das von der EU-Kommission unterstützte Ziel der Unterbindung der Resistenzbildung nicht erreichen kann. Die Liste zementiert den Status Quo. Sie enthält kein einziges derjenigen Antibiotika, die die Weltgesundheitsorganisation WHO als für Menschen am allerwichtigsten einstuft (‚highest critically important antimicrobials for human use‘). Alle aktuell erlaubten Antibiotika bleiben also weiterhin für Tiere erlaubt. Tritt diese Liste in Kraft, so werden wir es nicht schaffen, Antibiotikaresistenzen zu reduzieren und damit Leben zu retten.
Statt dieser nutzlosen Liste wäre es wesentlich besser, eine Liste zu haben, die die für die Humanmedizin wichtigsten Antibiotika umfasst - diese aber in begründeten Einzelfällen frei gibt für die Behandlung von Tieren. Geradezu fahrlässig ist es, dass selbst Colistin nicht auf die Liste der für die Humanmedizin reservierten Antibiotika genommen wurde. Schließlich ist bekannt, dass auf den Einsatz von Colistin in der Tierhaltung sehr wohl verzichtet werden kann, wenn ein Mix aus Impfungen, Hygiene- und Managementmaßnahmen zielgenau eingesetzt wird. Einzelne EU-Länder wie Dänemark sehen inzwischen komplett von der Anwendung von Colistin ab, ebenso die Biolandwirtschaft. Es geht also ohne!
Schon jetzt sterben in der EU jedes Jahr 33.000 Menschen, weil bei ihnen keines der verfügbaren Antibiotika mehr wirkt. Hochrechnungen ergeben, dass die Todesfälle aufgrund von Antibiotikaresistenzen 2050 weltweit bei mehr als 10 Millionen Menschen liegen können, wenn der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen nicht Einhalt geboten wird.
Da viele Antibiotika sowohl bei Menschen als auch bei Tieren eingesetzt werden, ist ein koordiniertes Vorgehen bei der Eindämmung von Antibiotikaresistenzen unabdingbar.
Das letzte Wort haben jetzt die Mitglieder des Ständigen Ausschusses der Europäischen Kommission, der aus Expertinnen und Experten der EU-Länder zusammengesetzt ist. Voraussichtlich Anfang Juli wird dieser über den Kommissionsvorschlag abstimmen. Ich appelliere an die Ausschussmitglieder, dem aktuellen Vorschlag nicht zuzustimmen und sich stattdessen für eine Liste der Reserveantibiotika gemäß der WHO-Kriterien einzusetzen.“

 

Weitere Infos:
Entschließungsantrag zur Liste der Reserveantibiotika: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2022-0327_DE.html
Weitere Veröffentlichungen von Martin Häusling zu Reserveantibiotika:
https://martin-haeusling.eu/suche.html?searchword=Reserveantibiotika&searchphrase=all

 

 

14.06.2022

Liste der Reserveantibiotika: Umwelt- und Gesundheitsausschuss positioniert sich

Am heutigen Dienstag werden die Mitglieder des Umwelt- und Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments über einen Einspruch zur Liste der Reserveantibiotika abstimmen. Der Einspruch spricht sich gegen den Entwurf der Liste der Reserveantibiotika aus, die zukünftig der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben sollen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, hat diesen Einspruch initiiert, er kommentiert:

„Mit diesem Einspruch protestieren wir energisch gegen den von der Europäischen Kommission angepeilten Weg der Regelung der Reserveantibiotika. Die Europäische Kommission muss ihren Vorschlag zurückziehen und stattdessen einen neuen Vorschlag machen, der sich nach den WHO-Kriterien und Empfehlungen für die wichtigsten Antibiotika für die Humanmedizin richtet.

Die bislang von der Europäischen Kommission vorgestellte Liste derjenigen Antibiotika, die zukünftig der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben sollen - für Tiere also verboten sind - ist definitiv nicht ausreichend. Tritt diese Liste in Kraft, so werden wir es nicht schaffen, Antibiotikaresistenzen zu reduzieren und damit Leben zu retten.

Die Liste enthält kein einziges derjenigen Antibiotika, die die Weltgesundheitsorganisation WHO als die für Menschen am allerwichtigsten Antibiotika einstuft (‚highest critically important antimicrobials for human use‘), welches nicht jetzt schon für die Verwendung bei Tieren nicht mehr zugelassen ist - alle aktuell erlaubten Antibiotika bleiben also weiterhin für Tiere erlaubt.

Geradezu fahrlässig ist es, dass selbst Colistin nicht auf die Liste der für die Humanmedizin reservierten Antibiotika genommen wurde. Schließlich ist bekannt, dass auf den Einsatz von Colistin in der Tierhaltung sehr wohl verzichtet werden kann, wenn ein Mix aus Impfungen, Hygiene- und Managementmaßnahmen zielgenau eingesetzt wird. Einzelne EU-Länder wie Dänemark sehen inzwischen komplett von der Anwendung von Colistin ab, ebenso die Biolandwirtschaft. Es geht also ohne!

Schon jetzt sterben in der EU jedes Jahr 33.000 Menschen, weil bei ihnen keines der verfügbaren Antibiotika mehr wirkt. Hochrechnungen ergeben, dass die Todesfälle aufgrund von Antibiotikaresistenzen 2050 weltweit bei mehr als 10 Millionen Menschen liegen können, wenn der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen nicht Einhalt geboten wird.

Da viele Antibiotika sowohl bei Menschen als auch bei Tieren eingesetzt werden, ist ein koordiniertes Vorgehen bei der Eindämmung von Antibiotikaresistenzen unabdingbar.

Schätzungen zufolge werden weltweit 66% aller Antibiotika für landwirtschaftliche Nutztiere verwendet - und nicht für Menschen. Und fast 90% der dort verabreichten Antibiotika finden in der Gruppenanwendung Verwendung, werden also beispielsweise über Tränkesysteme verabreicht. Mit entsprechend hohem Resistenzbildungspotential.

Ich appelliere eindringlich an die EU-Kommission, dass sie den von einem breiten Fraktionsbündnis getragenen Einspruch nicht übergeht. Es wird ihr nicht entgangen sein, dass der Einspruch auch vom Ausschuss der Europäischen Ärzte unterstützt wird.“

Weitere Informationen:

PM vom 11. Mai „Segen des Umweltausschusses bleibt aus“: https://martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2855-liste-der-reserveantibiotika-segen-des-umweltausschusses-bleibt-aus.html

Gemeinsame Erklärung der europäischen Ärzte mit 18 anderen Gesundheits- und Tierschutzorganisationen: https://www.cpme.eu/news/the-european-commission-must-preserve-vital-antibiotics-for-human-health-and-protect-animal-welfare

 

07.06.2022

Staatliche Tierhaltungskennzeichnung: Ein wichtiger erster Schritt in Richtung Umbau der Tierhaltung

Heute Vormittag hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Eckpunkte zur Einführung einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vorgestellt. Dies ist der erste Schritt einer Reihe von Vorhaben, die das BMEL plant, um den tier- und umweltgerechten Umbau der Tierhaltung in Deutschland anzugehen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, kommentiert:

„Es wurde höchste Zeit, dass entschiedene Schritte im Umbau der Tierhaltung auf den Weg gebracht werden. Das zu CDU-Zeiten gescheiterte Tierwohl-Label wird nun durch eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung ersetzt. Das ist richtig und wichtig, denn die Tierhaltung ist neben dem Tierwohl auch ein Gradmesser für Umwelt- und Klimaschutz. Es wurde auch höchste Zeit, dass Transparenz in das Label-Chaos im Bereich Fleisch kommt: Die unterschiedlichen freiwilligen, privatwirtschaftlichen Tierwohllabel haben teils einen niedrigen Standard und schädigen so weiter das Vertrauen in die Güte der Tierhaltung in Deutschland. Nur wenn, wie unter dem angekündigten Tierhaltungskennzeichnungsgesetz geplant, in Zukunft jedes Produkt tierischer Herkunft verpflichtend gekennzeichnet wird, kann Transparenz und Glaubwürdigkeit garantiert werden. Ich hoffe darauf, dass nach Vorlage des Gesetzes die EU-Kommission zügig notifiziert und dass sie das Vorausgehen Deutschlands bei der Tierhaltungskennzeichnung als Weckruf versteht, um auch selbst in diesem Punkt voranzukommen.

Das BMEL hat fünf Stufen für die Haltung geplant. Besonders freut mich, dass Bio als höchste Stufe festgeschrieben wurde. Mit der Biolandwirtschaft wurde in der EU ein beispielloses System geschaffen, welches streng kontrollierte und hohe Standards vorgibt, auch in der Tierhaltung. Kritisch sehe ich hingehen die Einführung der Stufe zwei der Haltungskennzeichnung, die Haltungsform ‚Stall+Platz‘. Die minimalen Verbesserungen, die die Tiere auf dieser Stufe erfahren, sind meiner Meinung nach einer eigenen Stufe kaum würdig. Die Einführung dieser Stufe ist wohl ein notgedrungener Kompromiss mit dem Einzelhandel sowie dem engen Finanzrahmen geschuldet, welcher wiederum auf die Blockadehaltung der FDP zurückzuführen ist.

Zunächst wird das Konzept der Tierhaltungskennzeichnung nun in den kommenden Monaten in der Schweinehaltung umgesetzt. Es ist nachvollziehbar, dass die Haltung bei einer Tierart starten muss, jedoch ist es wichtig, nun zügig weitere folgen zu lassen. Gerade der Umbau im Bereich Rind hätte, neben dem Tierwohl, viele positive Effekte auf Umwelt- und Klimaschutz, insbesondere wenn man Weidehaltung besonders honoriert.

Worauf es nun in den kommenden Monaten ankommen wird, ist die Umbaufinanzierung. Der Umbau der tierhaltenden Landwirtschaft hin zu mehr Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz muss ausreichend unterstützt werden. Die dafür benötigten Gelder dürfen keinesfalls vom liberalen Koalitionspartner in Deutschland künstlich niedrig gehalten werden. Sonst kann der Umbau der Tierhaltung nicht gelingen.“

Weitere Informationen:

Eckpunkte für eine verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung des BMEL: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Tierschutz/eckpunkte-tierhaltungskennzeichnung.html

___________________________________

 

Europabüro

Martin Häusling, MdEP Mitglied des Europäischen Parlaments
Koordinator für die Grünen/EFA im Agrarausschuss (AGRI), Mitglied des Umweltausschuss (ENVI)

Kaiser-Friedrich-Ring 77 - 65185 Wiesbaden (9:00 - 15:00 Uhr)

tel. 0611 - 98920-30, fax -33, info(at)martin-haeusling.de, www.martin-haeusling.eu

www.facebook.com/martin.haeusling  / www.twitter.com/MartinHaeusling

Anmeldung für newsletter unter http://www.martin-haeusling.eu/newsletter-abonnement.html

 

Hinweis: Wenn Sie Pressemitteilungen, Newsletter oder sonstige Info-Mails nicht mehr erhalten möchten, antworten Sie bitte auf diese Mail mit dem Text „abmelden“. Sie erhalten dann so schnell wie möglich eine Bestätigung via E-Mail und wir löschen ihre personenbezogenen Angaben aus unserer Datenbank. p

11.05.2022

Liste der Reserveantibiotika: Segen des Umweltausschusses bleibt aus


Heute Morgen fand im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments ein Meinungsaustausch mit der Europäischen Kommission zur zukünftigen Liste derjenigen Antibiotika statt, die den Menschen vorbehalten bleiben sollen. Zentraler Punkt dabei ist, welche Antibiotika in der Humanmedizin eingesetzt werden können und welche bei Tieren, v.a. in der industriellen Tiermast. Im Kontext zunehmender Antibiotikaresistenzen kann dies eine lebensentscheidende Frage sein. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, kommentiert:

„‚Überzeugt sind wir nicht‘, so lassen sich die Rückmeldungen der Mitglieder des Umwelt- und Gesundheitsausschusses auf die Pläne der Europäischen Kommission zusammenfassen. Fraktionsübergreifend betonten die Mitglieder, dass der Vorschlag der Europäischen Arzneimittelagentur EMA von der Europäischen Kommission nicht zur Gesetzesvorlage für die Liste der Reserveantibiotika gemacht werden dürfe.
Die Liste enthält kein einziges derjenigen Antibiotika, die die Weltgesundheitsorganisation WHO als die für Menschen am allerwichtigsten Antibiotika einstuft (‚highest critically important antimicrobials for human use‘), welches nicht jetzt schon für die Verwendung bei Tieren nicht mehr zugelassen ist - alle aktuell erlaubten Antibiotika bleiben also weiterhin für Tiere erlaubt. Die Liste der WHO wird somit nicht umgesetzt.
Sollte die EU-Kommission die Liste ohne Änderungen übernehmen, wird der Gesamtansatz der Tierarzneimittelverordnung unterlaufen, entschieden gegen einen routinemäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und damit gegen die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen vorzugehen. Die jetzige Liste schafft sogar einen Anreiz, weitere Präparate in der EU mit diesen Substanzen zuzulassen und damit einen höheren Verbrauch zu erzeugen.
Auch ist die Bewertungsgrundlagen der EMA anzuzweifeln - diese scheint nicht immer dem neusten Kenntnisstand zu folgen. Anders ist es nicht plausibel erklärbar, warum Colistin nicht für den Einsatz bei Tieren verboten wird. Schließlich ist bekannt, dass auf den Einsatz von Colistin sehr wohl verzichtet werden kann, wenn ein Mix aus Impfungen, Hygiene- und Managementmaßnahmen zielgenau eingesetzt wird. Einzelne EU-Länder wie Dänemark sehen inzwischen komplett von der Anwendung von Colistin ab, ebenso die Biolandwirtschaft. Es geht also ohne!
Die Aussage der Europäischen Kommission, dass die vorgelegte Liste vielleicht noch nicht der perfekte Schritt sei, aber ein wichtiger, ist ungenügend. Dass sie dafür vom CDU-Abgeordneten Norbert Lins volle Unterstützung bekommt, spricht Bände. Die Pharmaindustrie hat ganze Arbeit geleistet. Im Ausschuss der Mitgliedsländer haben sich nur drei Mitgliedsländer, darunter Deutschland, für die Aufnahme von Colistin und damit gegen die Übernahme des EMA-Vorschlages eingesetzt. Auch dieser dürfte mehrheitlich von Veterinärmediziner:innen besetzt sein, genauere Angaben zu den Ausschussmitgliedern aus dem Bereich der Humanmedizin blieb die Kommission schuldig.“

Weitere Informationen:
Hintergründe zu Martin Häuslings Einspruch gegen die Kriterien zur Erstellung der Liste der Reserveantibiotika: https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz/2763-faq-zu-antibiotika-einwand.html

Studie im Auftrag von Martin Häusling zu Reserveantibiotika bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen: https://martin-haeusling.eu/presse-medien/publikationen/2766-studie-zu-reserveantibiotika-bei-tieren-die-der-lebensmittelgewinnung-dienen.html

Redebeitrag Martin Häusling im Umwelt- und Gesundheitsausschuss am 11.05.22: https://www.youtube.com/watch?v=vfzo17IxA_g

 

01.04.2022

Appell an entscheidenden Ausschuss: Reserveantibiotika streng regulieren!

Das Ringen um die Ausgestaltung der Liste der Reserveantibiotika geht in eine weitere Runde. Es handelt sich dabei um diejenigen Antibiotika, die zukünftig der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben sollen. Der entsprechende Vorschlag der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) stieß im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments auf heftige Kritik. Am 4. April wird der Vorschlag nun im Arbeitsgremium der Europäischen Kommission diskutiert - diesem kommt bei der weiteren Ausgestaltung der Liste eine Schlüsselrolle zu. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, kommentiert:

„Ich appelliere ausdrücklich an die Mitglieder des Ständigen Ausschusses für Tierarzneimittel, sich kritisch mit dem Vorschlag der EMA auseinanderzusetzen und diesen in seiner jetzigen Form nicht als Blaupause für den Durchführungsrechtsakt anzunehmen.  Der EMA-Vorschlag reserviert nur Antibiotika für die Humanmedizin, die für Tiere in der EU eh nicht verwendet werden dürfen. Das reicht so nicht, die Liste muss unbedingt um weitere Antibiotika erweitert werden. Die WHO hat hierzu ausreichend Vorschläge gemacht.

Wird der EMA-Vorschlag nicht um weitere Antibiotika ergänzt, so bleibt alles beim Alten: Antibiotika werden weiterhin in der Tiermast verpulvert werden, industrielle landwirtschaftliche Systeme weiter mit Antibiotika am Laufen gehalten und die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen schreitet weiter voran. Als ob die 1.27 Million Tote, die weltweit jedes Jahr aufgrund von Resistenzen nicht mehr therapierbar sind, nichtwake up call genug wären.

Obwohl die EMA in ihrem Vorschlag behauptet, die Tiergesundheit zu schützen, geht der Vorschlag eindeutig nicht auf einige Tierschutzbedenken im Zusammenhang mit dem übermäßigen und missbräuchlichen Einsatz von antimikrobiellen Mitteln ein.

Auch für Colistin, eines der meistgenutzten Antibiotika in der Tiermast, legt die EMA kein überzeugendes Argument dafür vor, warum es weiterhin in der Tiermast eingesetzt werden darf. Zwischen 2011 und 2020 hat der Verbrauch von Colistin in europäischen Krankenhäusern um 67 % zugenommen. Colistin wird in der Gesundheitsversorgung in Europa immer wichtiger und sollte besonders sorgsam eingesetzt werden. Ein großflächiger Einsatz in der Schweinemast, als Ausgleich für die zu frühe Entwöhnung der Ferkel von der Muttermilch, ist aber weder artgerecht noch hilft es, Colistin als Lebensretter zu bewahren. Diese falsche Empfehlung der EMA zu Colistin ist Anlass genug, auch die Empfehlungen der EMA zu den anderen Antibiotika zu überprüfen.

Der Ständige Ausschuss für Tierarzneimittel wird am 4. April über den EMA-Vorschlag entscheiden. Da die Mitglieder dieses Ausschusses, der sich aus Vertreter*innen aus den Agrarministerien der Mitgliedsstaaten zusammensetzt, nicht öffentlich bekannt sind, habe ich mich gestern zusammen mit fünf grünen Kolleginnen und Kollegen in einem Brief an sie und die europäische Gesundheitskommissarin Kyriakides gewandt.“

 

 

Weitere Informationen:

Webstream des Umwelt- und Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments zum Austausch über das EMA-Gutachten

Weitere Infos zu Reserveantibiotika von Martin Häusling

15.03.2022

EMA-Gutachten zu Reserveantibiotika: Klar abgelehnt im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat heute im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments ihren Vorschlag für die Liste der Antibiotika vorgestellt, die zukünftig für die Behandlung von Menschen reserviert bleiben sollen. Die Abgeordneten des Ausschusses lehnten den EMA-Vorschlag parteiübergreifend ab. Auch Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, übte scharfe Kritik an der Liste:

„Die EMA-Liste macht fassungslos: Von der angekündigten Einschränkung der Antibiotika für die Veterinärmedizin ist nichts zu sehen! Alle Antibiotika, die die EMA als Reserveantibiotika listet, sind eh nicht in der EU als Tierarzneimittel zugelassen. Das heißt konkret: Alles bleibt beim Alten, lebensrettende Reserveantibiotika werden weiterhin in der Tiermast verpulvert.

Schon jetzt gibt es weltweit mehr als eine Million Tote pro Jahr, weil Antibiotika aufgrund bestehender Resistenzen nicht mehr wirken.Weltweit werden zwei Drittel aller Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht. Fast 90 Prozent davon in der Massentierhaltung, in der EU sind es stolze 50 Prozent: hier müssen wir dringend ansetzen, wenn wir die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen eindämmen wollen.

Die Aussage der Kommissionsvertreterin, dass die Liste ja aber ein erster Schritt sei und die Liste über die Zeit angepasst werden könne, ist schwach. Die EMA-Liste ist weniger als ein erster Schritt, sie ist ein Verharren im gesundheitsgefährdenden und unzureichenden Ist-Zustand.

Selbst Colistin, eines der meistgenutzten Antibiotika in der Tiermast, ist nicht Teil der EMA-Liste.  Dabei gibt es immer mehr Fälle von Patientinnen und Patienten mit resistenten Keimen, bei denen Colistin das einzige Mittel ist, das noch wirkt. Die Aussage der EMA, dass es Zeit und Geld bedürfe, Colistin zu ersetzen, überzeugt nicht. Wir haben keine Zeit mehr, wenn wir lebensrettende Reserveantibiotika für den Menschen bewahren wollen. Die bisherigen politischen Vorgaben zur Einschränkung von Antibiotika in der Tiermast haben nicht ausreichend gefruchtet und werden es auch mit der EMA-Liste nicht tun.

Die Europäische Kommission kann diesen EMA-Vorschlag nicht übernehmen, wenn sie sich nicht absolut unglaubwürdig machen möchte. Schließlich hat die Kommission selbst noch im September 2021 verkündet und in der heutigen Aussprache wiederholt, dass ‚die Anzahl der antimikrobiellen Mittel, die noch für die Verwendung bei Tieren zur Verfügung stehen sollen, auf das absolute Minimum reduziert werden soll‘, siehe. Sieht sie nicht, dass sie mit der EMA-Liste genau das aber nicht tut und dringend nachbessern muss?

Auch wenn das EU-Parlament formal nicht in die weitere Ausarbeitung der Liste eingezogen werden muss, sollte die Kommission die heutige Aussprache als wichtigen Fingerzeig sehen. Fraktionsübergreifend haben sich alle Abgeordneten gegen den EMA-Vorschlag ausgesprochen. Die Mitgliedsländer rufe ich auf, ihrerseits alles dafür zu tun, dass der EMA-Vorschlag nicht zum Gesetzestext wird.“

Weitere Informationen:

Redebeitrag Martin Häusling am 15.3. im Umwelt- und Gesundheitsausschuss zur EMA-Liste

Webstream des Umwelt- und Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments zum Austausch über das EMA-Gutachten

Weitere Infos von Martin Häusling zu Reserveantibiotika

10.03.2022

Reserveantibiotika - Langerwarteter Listenvorschlag der EMA gefährdet Gesundheit der Menschen!

Letzte Woche hat die Europäische Kommission die von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erarbeitete Liste der Reserveantibiotika veröffentlicht. Alle Antibiotika, die auf der finalen Liste stehen, werden zukünftig für die Behandlung von Menschen reserviert bleiben, für Tiere also tabu sein. Die Liste ist Teil der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung und ist in Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenzen von elementarer Bedeutung für die Eindämmung von Antibiotikaresistenzen und die Behandlung erkrankter Menschen.

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, hat sich für die Bewahrung lebensrettender Antibiotika für die Humanmedizin eingesetzt. Er kommentiert:

„Die von der EMA vorgestellte Liste enttäuscht maßlos. Sie darf so keinesfalls zur gesetzlichen Vorgabe gemacht werden. Ich zähle jetzt auf die Mitgliedsländer, dass sie den EMA-Vorschlag grundlegend überarbeiten. Würde die Liste, so wie von der EMA vorgeschlagen, in Kraft treten, erreichen wir ganz sicher nicht eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Tiermast. Der weiteren Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen ist damit Tür und Tor geöffnet.

Der EMA-Vorschlag enthält ausschließlich antimikrobielle Mittel, die derzeit nicht als Arzneimittel in der EU zugelassen sind. Das heißt konkret: alles bleibt beim Alten. In diesem Licht erscheint die neue Tierarzneimittelverordnung als bloße Makulatur. Die Europäische Kommission kann diesen EMA-Vorschlag nicht hinnehmen, wenn sie sich nicht absolut unglaubwürdig machen möchte. Schließlich hat die Kommission selbst noch im September 2021 verkündet, dass ‚die Anzahl der antimikrobiellen Mittel, die noch für die Verwendung bei Tieren zur Verfügung stehen sollen, auf das absolute Minimum reduziert werden soll‘,siehe .

Die EMA-Liste setzt die Vorgaben der Tierarzneimittelverordnung nicht um, nach der Antibiotika in der Veterinärmedizin eingeschränkt werden müssen und Reserveantibiotika nur noch in dringenden Fällen eingesetzt werden dürfen. Im Gegenteil, der EMA-Vorschlag ist sogar kontraproduktiv, denn er ermöglicht es Pharmafirmen für den Bereich Tiermedizin neue Arzneimittel zuzulassen - mit Substanzen, die auch nach Meinung der WHO auf den Index gehören.

Selbst Colistin, eines der meistgenutzten Antibiotika in der Tiermast, ist nicht Teil der EMA-Liste.  Dabei gibt es immer mehr Fälle von Patientinnen und Patienten mit resistenten Keimen, bei denen Colistin das einzige Mittel ist, das noch wirkt.

Am morgigen Freitag wird die EMA ihren Vorschlag in der Arbeitsgruppe des Ständigen Ausschusses für Tierarzneimittel vorstellen, lehnt diese den Vorschlag ab, so muss er überarbeitet werden. Ich appelliere dringend an das Verantwortungsbewusstsein der Mitglieder dieses Ausschusses dem EMA-Vorschlag nicht zuzustimmen! Auch die einzelnen EU-Mitgliedsländer, die in einer späteren Phase der Listenfinalisierung, ihre Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck bringen müssen, dürfen der Liste in dieser Form nicht zustimmen, wenn sie es ernst meinen mit der Eindämmung von Antibiotikaresistenzen.

Im Europäischen Parlament wird der Listenvorschlag der EMA am kommenden Dienstagvorgestellt. Im Gegensatz zur Position der Mitgliedsländer muss die Position des Europäischen Parlaments bei der Finalisierung der Liste aber nicht in Erwägung gezogen werden.“

Weitergehende Informationen:
PM von Martin Häusling zur neuen Tierarzneimittel-Verordnung: https://martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2813-ab-heute-gelten-sie-neue-regeln-fuer-tierarzneimittel-und-antibiotika.html

FAQ-Seite zum Einspruch gegen die Kriterien für die Erarbeitung der Liste der Reserveantibiotika: https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz/2763-faq-zu-antibiotika-einwand.html

18.02.2022

Antibiotika-Resistenzen: Immer noch fehlt die entscheidende Liste der Reserve-Antibiotika

In einem Brief an EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides mahnt, Martin Häusling, Mitglied im Agrar- und Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, die überfällige Liste der künftig allein im Humanbereich und nicht länger in der Tiermast anwendbaren Reserve-Antibiotika an. Denn die ist ein zentrales Element der seit knapp drei Wochen geltenden neuen EU-Tierarzneimittel-Verordnung:

„Ohne die - aus mir nicht verständlichen Gründen - noch ausstehende Liste der aus dem Stall zu verbannenden Antibiotika bleiben all die seit vielen Jahren geführten Bemühungen, das Problem der Eindämmung von Antibiotika-Resistenzen endlich zu lösen, lückenhaft. Ärzte und Tierhalter aber brauchen endlich Klarheit darüber, welche Reserve-Arzneien künftig im Stall nicht mehr verwendet werden dürfen, da sie im Sinne des menschlichen Gesundheitsschutzes ausschließlich der Humanmedizin dienen sollen.

Die zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides bleibt in dem Antwortbrief, den wir am 16. Februar erhielten, gerade in dieser Frage leider sehr vage und äußert sich wenig konkret. Ich meine: Diese Liste mit den für Menschen reservierten Arzneien hätte längst vorliegen können und auch müssen, um begleitend zur novellierten Tierarzneimittel-Verordnung auf dem Tisch zu liegen.

In meinem heutigen Brief an EU-Kommissarin Kyriakides bitte ich zudem dringlich darum, die Daten und Studien der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zugänglich zu machen, die der jeweiligen Eingruppierung der in Frage stehenden Medikamente zugrunde gelegt wurden. Wir müssen gerade in diesem Punkt insistieren, um ausschließen zu können, dass nicht doch durch die Hintertür aus unserer Sicht bedenkliche Arzneien für den Gebrauch in der Tiermedizin zugelassen werden.
Ich glaube, dass trotz aller Mahnungen der Humanmedizin das Problem eines falschen, eventuell auch missbräuchlichen Einsatzes von Reserve-Antibiotika bei einigen Verantwortlichen immer noch nicht in seiner Brisanz angekommen ist. Wir Grüne werden nicht lockerlassen, um das Resistenzproblem im Konflikt zwischen Human- und Tiermedizin dauerhaft zu lösen.“

28.01.2022

Ab heute gelten sie: Neue Regeln für Tierarzneimittel und Antibiotika

Vom heutigen Freitag an gilt die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung. Damit bestehen in der EU verbesserte Regeln zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen. Das zentrale Element, die Liste der künftig allein Menschen vorbehaltenen Antibiotika fehlt aber noch. Martin Häusling, Mitglied im Agrar- und Umweltausschuss des Europäischen Parlaments und grüner Schattenberichterstatter für die Verordnung, kommentiert:

„Mehr als eine Million Tote pro Jahr, weil Medikamente aufgrund bestehender Resistenzen nicht mehr wirken! So stand es erst vergangene Woche in den Medien. Das Problem der zunehmenden Antibiotikaresistenzen wird endlich begriffen.
Weltweit werden zwei Drittel aller Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht. Fast 90 Prozent davon in der Massentierhaltung. Die Veterinärmedizin hat also einen entscheidenden Anteil daran, wie Antibiotikaresistenzen sich ausbreiten. In der neuen EU-Tierarzneimittel-Verordnung finden sich einige Regelungen, die zu einem überlegteren Umgang mit Antibiotika beitragen werden.
Die neue Verordnung sieht vor, dass umfassendes Datenmaterial zum Verkauf und zur Verwendung von Antibiotika erhoben werden muss. Richtig so, denn die Daten sind eine wichtige Grundlage um gezielt den Einsatz von Antibiotika reduzieren zu können.
Sehr gut ist auch, dass Importe von Tieren oder von Tiererzeugnissen, die mit in der EU für Tiere verbotenen Antibiotika erzeugt wurden, explizit verboten sind.
Die neue Verordnung lässt aber insgesamt zu viel Interpretationsspielraum in Bezug auf die Antibiotikaverwendung bei Tieren. So heißt es in Artikel 107(1), dass Antibiotika ‚nicht routinemäßig eingesetzt oder angewendet werden dürfen um mangelhafte Hygiene, unzulängliche Haltungsbedingungen oder Pflege oder unzureichende Betriebsführung auszugleichen‘. Was aber genau mit einem „routinemäßigen“ Einsatz gemeint ist, bleibt undefiniert und nebulös.
Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika in Tiergruppen ist zwar verboten. Bei Einzeltieren oder wenigen Tieren bleibt er aber bei einer drohenden Infektion mit schweren Folgen erlaubt.
Auch die metaphylaktische Behandlung, also die medizinische Versorgung, wenn bereits eine Infektionskrankheit im Bestand vorliegt, bleibt bei hohem Ausbreitungsrisiko und bei fehlenden Alternativen erlaubt. Die leider noch immer gängige Praxis, Antibiotika übers Futter- oder Getränkesystem an alle Tiere zu verabreichen, wie oftmals vor allem in der Geflügelmast praktiziert, wird ebenfalls leider nicht explizit ausgeschlossen.
Die größte Sorge bereitet mir jedoch, dass die Europäische Kommission noch immer nicht ihre Liste mit all denjenigen Antibiotika veröffentlicht hat, die künftig allein der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben. Erst mit der Veröffentlichung dieser Liste lässt sich sagen, welche Antibiotika nicht mehr für Tiere verwendet werden dürfen. Erst dann lässt sich abschätzen, wie wirksam die Entstehung und Ausbreitung antimikrobieller Resistenzen eingeschränkt werden kann.
Um die genaue Ausgestaltung der Kriterien dieser Liste gab es im Sommer 2021 einen heftigen Schlagabtausch. Mit der von der EU-Kommission genutzten und vom Tierärzteverband unterstützten Herangehensweise an die Liste bin ich nicht einverstanden. Die Liste sollte längst vorliegen. Ich habe die EU-Kommission deshalb in einem gesonderten Schreiben zur Eile gemahnt.“

Weitere Informationen:

- Redebeitrag Martin Häusling im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments am 27.1.2022

- Martin Häusling zu Antibiotika in der Tiermast   

20.01.2022

Tiertransporte: EU-Kommission und EU-Mitgliedsländer müssen endlich Missstände beenden

„Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Tiertransporte endlich schärfer kontrollieren“, verlangt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, als Konsequenz aus der Plenarabstimmung zum Abschlussbericht des Sonderausschusses „Tiertransporte“ (ANIT) und der Abstimmung der Empfehlungen zur Überarbeitung der aktuellen EU- Gesetzesgrundlage zu Tiertransporten:

„Der heute verabschiedete Bericht des Sonderausschusses bringt zwar einige Verbesserungen für die Weise, in der Tiere oft über lange Strecken transportiert werden. Doch ein wirkliches Ende des seit Jahren immer wieder beklagten, aber nie wirklich gestoppten Tierleids wird es auch jetzt nicht geben, solange Kommission und Mitgliedstaaten Verstöße nur lax oder gar nicht ahnden.
Wir bedauern sehr, dass sich die konservative Mehrheit des Parlaments nicht unseren Minimalforderungen zur Dauer aller Tiertransporte durchringen konnte. Eine Begrenzung auf 8 Stunden nur für Schlachttransporte reicht nicht aus.
Es genügt auch nicht, sich darauf zu verlassen, Fahrten in Nicht-EU-Staaten nur dann zu erlauben, wenn auch auf diesem Weg EU-Recht eingehalten wird. Ich bezweifle, dass dies bei den immer wieder zu Recht kritisierten Tiertransporten in die Türkei, Libyen oder den Nahen Osten garantiert werden kann. Solche Exporte sollten komplett gestrichen werden, statt sich auf die Forderung zu beschränken, dass solche Transporte nach dem hierzulande geltenden Recht abzuwickeln sind.
Denn dem an sich in Europa rein rechtlich vorgeschriebenen hohen Standard steht die oft entsetzliche Realität gegenüber: Ich verlange, dass die Mitgliedstaaten endlich das bestehende Recht konsequent umsetzen und wesentlich schärfer Verstöße ahnden. Diese heute leider oft ausbleibende oder nachlässige Kontrolle stellt das eigentliche Problem der Tiertransporte dar. An diesem Punkt könnten alle beteiligten Länder sofort erhebliche Verbesserungen einleiten und damit skrupellosen Tiertransportern das Handwerk legen.“

Abschlussbericht des Sonderausschusses „Tiertransporte“ des EU-Parlaments

Aktuelle EU- Gesetzesgrundlage zu Tiertransporten

03.12.2021

Votum zu Tiertransporten: Kraftlos, weil ohne zeitliches Limit von Transporten

Den Abschlussbericht des Sonderausschusses „Tiertransporte“ des EU-Parlaments kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Tiertransporte bedeuten oftmals großes Leid für Tiere. Das wollen die Abgeordneten des Europaparaments ändern: Der Bericht des Sonderausschusses sieht vor, Lebend-Transporte einzuschränken, ein Mindestalter für die Tiere vorzugeben sowie klare Regelungen für Versorgung und Temperaturen in den Transportern zu erlassen. Darin sehen wir Grüne tatsächlich einen gewissen Fortschritt, die nach 18 Monaten der Beratung gefundenen Empfehlungen stellen eine Verbesserung dar.
Leider wurde eine unserer zentralen Forderungen, nämlich die Transportzeit auf maximal acht Stunden zu begrenzen, von der Mehrheit des Ausschusses verworfen. Diese Begrenzung aber ist unerlässlich, wenn man es mit dem Tierschutz ernst meint. Ich appelliere deshalb an das Parlament, bei der finalen Abstimmung im Januar 2022 den Bericht des Ausschusses in diesem Punkt zu korrigieren. Es ist völlig unnötig, Tieren diese Qual zuzumuten.
Die Kommission ist dringend aufgefordert, nicht länger die Augen vor dem Problem, der auch nach Einführung einer Kamera-gestützten Überwachung nur schwer zu kontrollierenden Verfrachtungen lebender Nutztiere zu verschließen. Es genügt nicht, daran zu appellieren, lange Transporte zu vermeiden. Und es genügt auch nicht, sich darauf zu verlassen, wenn Fahrten in Nicht-EU-Staaten nur dann erlaubt werden sollen, wenn auch auf diesem Weg EU-Recht eingehalten wird. Ich bezweifle, dass dies bei den immer wieder zu Recht kritisierten Tiertransporten in die Türkei, Libyen oder den Nahen Osten garantiert werden kann. Solche Exporte sollten komplett gestrichen werden.
Seit Jahren ist die Grüne Fraktion aktiv und zeigt in Veranstaltungen mit der Kommission, Tierärzten und Aktivistin oder Aktionen einzelner Abgeordneter mit der Polizei, die konkreten Schwachstellen bei Tiertransporten auf. Dennoch behauptet die verantwortliche Administration der Kommission, die Kontrollen seien gut und die Verstöße lägen in einem niedrigen Bereich.
Nun fordert der Sonderausschuss „Tiertransporte“ die politische Führung der Kommission auf, diese offensichtliche Fehleinschätzung der Verwaltung zu korrigieren, denn die Verordnung zu Tiertransporten ist mangelhaft, das ist das klare Fazit der Arbeit des Sonderausschuss „Tiertransporte“.
Der Bericht macht deutlich, dass die Bedürfnisse der Tiere je Art, Alter, Größe nicht gegeben sind. Darüber hinaus müssen spezifische Vorschriften zu Fütterung und Tränken sowie Temperatur angepasst werden.“

Abschlussbericht des Sonderausschusses „Tiertransporte“ des EU-Parlaments

Entwurf einer Empfehlung des EU-Parlaments an den EU-Rat und die EU-Kommission nach der Untersuchung von angeblichen Verstößen gegen das Unionsrecht und Missständen bei dessen Anwendung im Zusammenhang mit dem Schutz von Tieren beim Transport innerhalb und außerhalb der Union (2021/XXXX(RSP)

 

18.11.2021

Europäischer Antibiotikatag: Reserveantibiotika raus aus der Tiermast!

Im Sommer 2021 sorgte die Frage, ob und wie Reserveantibiotika in der Tiermedizin eingesetzt werden sollten für heftige Diskussionen und Lobbyschlachten. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, hatte sich dafür stark gemacht, Reserveantibiotika grundsätzlich für die massenhafte Verwendung in der Tiermast zu verbieten. Die politische Mehrheit unterstützte aber einen anderen Ansatz. Martin Häusling kommentiert:

„Antibiotika können Leben retten. Um ihre lebensrettende Wirkung zu erhalten, müssen wir sie sparsam einsetzen. Für die Massenanwendung in der Tiermast sind sie definitiv zu kostbar, v.a. die besonders wichtigen Reserveantibiotika. Allein in der EU sterben jedes Jahr 33.000 Menschen, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken. In Deutschland sind es 2.400 Menschen.
Je mehr Antibiotika verabreicht werden, desto schneller breitet sich die antimikrobielle Resistenz aus. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit rund 66 Prozent aller Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht werden. Fast 90% dieser Antibiotika werden in der Massentierhaltung eingesetzt, z.B. bei Masthühnern, Puten und Schweinen und nicht in der Einzeltierbehandlung.
Es wäre deshalb dringend erforderlich, den Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermast zu verbieten. Die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung, die im Januar 2022 in Kraft treten wird, hätte dies entsprechend regeln können, stattdessen setzte sie auf ein Listensystem: alle Antibiotika, die auf dieser Liste landen, sind für alle Tiere komplett verboten. Egal ob Einzeltier oder Gruppenbehandlung, egal ob Haustier oder Nutztier. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte unterstützte diesen Ansatz vehement. Knackpunkt ist nun, welche Antibiotika auf dieser Liste landen werden. Die Europäische Kommission hatte angekündigt, dass noch vor Jahresende die entsprechende Liste vorliegen wird.
Abgesehen von den Reserveantibiotika ist es essentiell, auch alle anderen Antibiotika sorgsam und verantwortungsbewusst in der Tierhaltung einzusetzen. Die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung sagt dazu, dass antimikrobiell wirksame Arzneimittel nicht routinemäßig eingesetzt oder angewendet werden dürfen, um mangelhafte Hygiene, unzulängliche Haltungsbedingungen oder Pflege oder unzureichende Betriebsführung auszugleichen. Was routinemäßiger Einsatz ist wird allerdings nicht genauer dargestellt und es steht zu befürchten, dass der Artikel von vielen geflissentlich übersehen werden wird.
Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass es sehr wohl möglich ist, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung deutlich zu reduzieren: Das Immunsystem der Tiere kann durch artgerechtere Haltungsbedingungen und Fütterung gestärkt werden, auch Zucht und ein besserer Betreuungsschlüssel können einen Unterschied machen. Der Ökolandbau beweist, dass es auch ohne oder mit wesentlich weniger Antibiotika geht. Auch Länder wie Dänemark und die Niederländer zeigen, dass eine drastische Antibiotikareduktion machbar ist. Auch die anderen Länder müssen dringend nachziehen, wir erwarten von der Europäischen Kommission, dass sie für gesetzliche Grundlagen für ein Reserveantibiotikaverbot in der Tiermast sorgt und Sorge dafür trägt, dass andere Antibiotika tatsächlich nicht routinemäßig eingesetzt werden.“


Mehr Infos: https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz/2763-faq-zu-antibiotika-einwand.html

 

13.10.2021

Von wegen rückläufig: Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung nimmt zu

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat gestern Zahlen veröffentlicht, die die Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin für das Jahr 2020 wiedergeben. Die Zahlen belegen, dass es im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 4,6 Prozent gab. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, kommentiert:

„Das ist das Gegenteil von dem, was wir erreichen müssen. Und das Gegenteil dessen, was Vertreter der Veterinärmedizin behaupten. Die Auswertung der Abgabemengen von Pharma-Unternehmen und Großhändlern an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland zeigt für die meisten Antibiotika eine Zunahme. Pikante Zusatzinformation: die Anzahl der Nutztiere hingegen ist rückläufig.

Besonders bedenklich ist, dass auch die Abgabe von Fluorchinolonen zugenommen hat. Diese Antibiotikagruppe ist in der Humanmedizin sehr wichtig, eine Resistenzentwicklung muss auf jeden Fall vermieden werden, um die Wirksamkeit des Antibiotikums zu erhalten. Das ist schwierig, wenn sie großflächig eingesetzt werden.

In den letzten Monaten haben wir eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung um die zukünftige Regelung der besonders wichtigen Reserveantibiotika geführt. Knackpunkt war, welche Antibiotika zukünftig der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben sollen – und im Umkehrschluss welche für Tiere, insbesondere in der Gruppenbehandlung der Mast, gesperrt bleiben sollen. In Zeiten zunehmender Resistenzentwicklungen ein hoch-wichtiges Thema. Der Widerstand von Seiten des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte war enorm – nicht überraschend, wenn man sieht wie sehr die Tiermast auf die Antibiotika baut.

Ein Weiter-so darf es nicht geben. Statt weiterhin Antibiotika in der Tiermast einzusetzen, müssen unsere Tierhaltungssysteme generalüberholt werden. Klasse statt Masse ist das Stichwort: bessere Haltungsbedingungen, sorgfältige Rassenauswahl, gute Betreuungsschlüssel. Tierhaltung mit weniger Antibiotikaeinsatz ist absolut machbar.

Die bisherige Datenerfassung lässt es nicht zu, die genaue Verwendung der Antibiotika per Tierart oder Einsatzort aufzuschlüsseln. Das wird mit der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung in den nächsten Jahren besser werden. Es steht aber stark zu vermuten, dass die Antibiotika vor allem in der Tiermast eingesetzt werden und nicht etwa bei Haustieren. Die vom BVL veröffentlichte Abbildung zu den Antibiotika-Abgabemengen zeigt deutlich einen Hotspot im Westen Deutschlands, besonders in der Region Vechta-Cloppenburg, bekanntlich ein Eldorado der Massentierhaltung.

Die vom BVL veröffentlichten Zahlen sind ein Weckruf: Antibiotika in der Tierhaltung müssen eingeschränkt werden. Insbesondere die für den Menschen lebensrettenden Reserveantibiotika müssen in der Massentierhaltung verboten werden.“

Weitere Informationen mit vielen Links finden sich auf meiner FAQ-Seite: https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz/2763-faq-zu-antibiotika-einwand.html

Reserveantibiotika: Antwort auf Kommissarin Kyriakides im EU-Agrarausschuss am 09.09.21

16.09.2021

Reserveantibiotika: Böses Erwachen befürchtet

Die Mehrheit des Europäischen Parlaments votierte bei der Abstimmung über die künftigen Kriterien zur Verwendung von Reserveantibiotika für einen gefährlichen Kompromiss auf Kosten von menschlicher Gesundheit und zugunsten einer unbelehrbaren Agrarlobby, in dem es den ausgleichenden Gegenvorschlag der Grünen ablehnte. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments kommentiert:

„Wenn das mal nicht ins Auge geht. Mit seinem Votum hat das Europäische Parlament der EU-Kommission grünes Licht gegeben für die Erarbeitung der Liste derjenigen Antibiotika, die ab Januar 2022 als Reserveantibiotika allein der Behandlung von Menschen vorbehalten sein werden. Alle Stoffe, die auf dieser Liste landen, sind dann radikal für alle Tiere, egal welcher Spezies und welcher Haltungsform, gesperrt.
Dieser Ansatz kann nicht allen gerecht werden - Tiere oder Menschen, eine Seite wird auf der Strecke bleiben:
Kommen nur wenige Antibiotika zur Liste der Reserveantibiotika, dann droht die weitere Verwendung in Mastbetrieben und damit auch eine weiter fortschreitende Resistenzentwicklung.

Werden hingegen viele Antibiotika als Reserveantibiotika für den Menschen reserviert, so werden viele Tierärzte umdenken und so mancher Haustierhalter möglicherweise den Verlust seines Tieres beklagen müssen.
Der Vorschlag der Grünen sah einen guten Kompromiss zwischen Human- und Veterinärmedizin vor. Er hätte strenge Kriterien für die Bestimmung der Reserveantibiotika angelegt, den Einsatz dieser Reserveantibiotika in der Gruppenbehandlung von Tieren untersagt und gleichzeitig die Behandlung einzelner Tiere, wie Haustiere, ermöglicht.

Dass sich nun eine Mehrheit der EU-Parlamentarier für den Kommissionsvorschlag ausgesprochen hat - trotz der zahlreichen Unterstützerbekundungen von Ärzteschaft und Umweltverbänden für den Gegenvorschlag - führe ich vor allem auf die großangelegte Lobbykampagne des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt) zurück. In einer beispiellosen Kampagne instrumentalisierte die Organisation Haustierbesitzer für ihre Zwecke, operierte mit falschen Behauptungen, und zwar basierend auf Spekulationen über die künftige Ausgestaltung der Reserveliste.

Es erstaunt nicht, dass sich der bpt Seite an Seite mit der altbekannten Agrarlobby aus Bauernverband, Copa Cogeca und Konservativen ins Zeug gelegt hat. Aber es schmerzt - jetzt einige mit dem Thema vertrauten Menschen, zukünftig aber viele Tiere und Menschen.“