Grüne Europagruppe Grüne EFA

Mitteldeutsche Zeitung / Von Stefan Sauer
 Teufelszeug oder Heilsbringer? Am geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA scheiden sich die Geister. Eine neue Studie zu gentechnisch veränderten Pflanzen und deren Nutznießern mahnt dazu, Einfuhr zum Verbraucherschutz beizubehalten.

Die einen erwarten Wachstumsimpulse und Wohlstandsgewinne, die anderen warnen vor Gesundheitsbelastungen, Umweltschäden und Fremdbestimmung durch wenige Großkonzerne. Zu ersteren zählt das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo, das in der EU mehr als 400.000 zusätzliche Arbeitsplätze und für die Bundesrepublik ein Wohlfahrtsplus von 4,7 Prozent vorhersagt, sollte ein umfassendes transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zustande kommen.

Zu den anderen zählt das Netzwerk Campact, das nichts Geringeres als eine Aushöhlung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit prophezeit und bereits 325.000 Unterschriften gegen ein Abkommen mit den USA gesammelt hat. Fakt ist: Seit Mitte 2013 verhandeln EU und USA über die Transatlantic Trade an Investment Partnership (TTIP), drei Verhandlungsrunden wurden bereits absolviert, eine vierte soll im März beginnen.
Im deutschen Interesse

Ziel der Verhandlungen ist es, nicht nur Zölle abzuschaffen (denn dies ist bereits weitgehend geschehen), sondern vor allem indirekte Handelshemmnisse abzubauen, die etwa die Einhaltung von Normen und Produktzulassungsverfahren betreffen. Würden solche Hemmnisse verschwinden, könnten insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen von ungehindertem Zugang zum amerikanischen Markt profitieren, heißt es in einer Ifo-Studie aus dem vergangenen Januar „Eine umfassende Liberalisierung des Handels zwischen den USA und der EU liegt daher eindeutig im deutschen Interesse.“ Ohne Abkommen gerieten die Europäer und damit das exportstarke Deutschland gegenüber pazifischen Anrainer-Staaten sowie den Wirtschaftsriesen China und Indien ins Hintertreffen.
 Investitionsschutz
 Internationale Schiedsstellen

Unter dieser Überschrift könnte Gen-Technolgie auf breiter Front in der europäischen Landwirtschaft Einzug halten, selbst wenn viele Regierungen dies gar nicht wollen. Denn als Teil des Freihandelsabkommens könnte der Investitionsschutz Unternehmen vor Verlusten bewahren, die sie durch Nichtzulassung ihrer Produkte erleiden könnten.


Das sehen insbesondere Natur- und Umweltschützer, Ökobauern und auch konventionelle wirtschaftende Landwirte allerdings völlig anders. Sie befürchten, mit einer umfassenden Liberalisierung fielen die europäischen Hürden gegen Hormonfleisch und Chlorhühner, vor allem aber gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Würden diese unter dem Schutz des Freihandelsabkommens ungehindert nach Europa eingeführt werden können, sei es mit dem Prinzip des vorsorgenden Gesundheits- und Verbraucherschutzes in Europa vorbei.
Gravierende Folgen

Auch die wirtschaftlichen Folgen wären gravierend, wie der Geschäftsführer der größten deutschen Ölmühle, Bertram Brökelmann, warnt: „Die Chinesen kaufen nicht amerikanisches Speiseöl, sondern unser Öl, weil sie wissen: Sie bekommen beste Qualität ohne Einsatz von Gentechnik zu einem guten Preis. Kommt es zu Verunreinigungen, dann ist das Geschäft für uns verloren.“

Für andere würde es dagegen richtig brummen, wie Agrarwissenschaftler Christoph Then mit einer aktuellen Studie zeigt. Then listet in seiner Untersuchung, die vom Europaabgeordneten der Grünen Martin Häusling in Auftrag gegeben wurde, 55 gentechnisch veränderte Pflanzen auf, für die in der EU eine Zulassung beantragt wurde. 47 solcher Lebensformen sind bereits als Futtermittel auf dem europäischen Markt verkäuflich, zwei weitere dürfen sogar angebaut werden. Insbesondere die neuen Gen-Tech-Pflanzen zeichnen dadurch aus, dass sie einerseits selbst Gifte gegen Insekten und andere Schädlinge beinhalten und andererseits gegen Unkrautvernichtungsmittel unempfindlich sind. Eine neue Maissorte etwa verträgt vier Herbizide und ist gegen sechs Tierschädlinge mittels Giftstoffen gewappnet. Agro-Konzerne wie Monsanto und Bayer verdienen laut Then doppelt: Zunächst am Verkauf des gentechnisch veränderten patentgeschützten Saatgutes, anschließend an Herbizid-Wirkstoffen wie Glyphosat und Glufosinat. „Das ist ein Milliardengeschäft“, sagt Then.
Von der Kritik beeindruckt

Und eines mit Zukunft: Schon werden auch andere Lebensformen, etwa Pappeln und Obstbäume oder auch Schädlinge wie die Olivenfliege gentechnisch verändert, um Erträge zu erhöhen und unliebsame Mitesser zu tilgen. Dabei seien dahin gehende Verheißungen der Gen-Tech-Konzerne aus der Vergangenheit nie Wirklichkeit geworden, so Häusling. Durch den Anbau gentechnisch veränderte Pflanzen sei weder der Einsatz giftiger Chemikalien in der Landwirtschaft zurückgegangen noch seien die Erträge dauerhaft gestiegen. Oft sei das genaue Gegenteil eingetreten. „Wir sollten diese Pflanzen aus Europa heraushalten“, findet der Grünen-Politiker.

Die Furcht, „den Anschluss“ an eine völlig verfehlte Agrarstrategie zu verlieren, sei absurd.
Auch die EU-Kommission scheint von der wachsenden Kritik am TTIP-Abkommen beeindruckt und verordnete eine dreimonatige Denkpause, um über mögliche Auswirkungen des transatlantischen Freihandels mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Wie aufrichtig das Angebot ist, sei dahingestellt: Die Denkpause soll am 24. Mai enden - dem Tag der Europawahl. Anschließend wird zügig weiter verhandelt.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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