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Die Suche nach Alternativen zu Gas erhöht den Druck auf Europas Wälder. Ein Report zeigt: Für Pellets werden auch ganze Holzstämme verfeuert – subventioniert von der EU.
ZEIT Online/ Von Hristio Boytchev
5. April 2022, 12:00 Uhr

In Europa werden offenbar massenweise ganze Holzstämme in Kraftwerken verbrannt oder zu Pellets verarbeitet. Das zeigt ein Report der Forest Defenders Alliance (FDA) mithilfe von Satellitenbildern und Vorortaufnahmen, den ZEIT ONLINE vorab einsehen konnte. Baumstämme zu verbrennen, ist zwar erlaubt. Die Praxis widerspricht aber den Darstellungen von Befürwortern von Holz als nachhaltiger Energiequelle. Auf EU-Ebene findet gerade eine Debatte statt, ob die aktuelle Subventionierung eingeschränkt werden soll. Kritiker bezeichnen sie als klima- und umweltschädlich.

Holz wird als nachhaltige und klimaneutrale Energiequelle behandelt und gefördert, weil es sich um einen nachwachsenden Rohstoff handelt: Holz, das in einem Kraftwerk verbrannt wird, stößt Kohlendioxid in die Atmosphäre aus. Gleichzeitig nehmen wachsende Wälder Kohlendioxid aus der Luft auf. Wenn so viel verbrannt wird wie nachwächst, so lautet das Argument, sei das klimaneutral.

An dieser Darstellung äußern zunehmend Wissenschaftler, Politik und NGO Kritik. Denn gesunde Wälder spielen nicht nur eine wichtige Rolle für die Biodiversität. Holz ist auch ein begrenzter Rohstoff, der als Baustoff dienen, zu Möbeln verarbeitet oder in der Papierindustrie verwertet werden kann – und dabei weiterhin Kohlenstoff speichert. Selbst wenn Holz fossile Energieträger ersetzt, werde seine Verbrennung die Erwärmung über Jahrzehnte bis Jahrhunderte verstärken, schreiben über 500 Wissenschaftler in einem offenen Brief an Staatsoberhäupter. Beim Verbrennen von Holz gelange zwei- bis dreimal so viel Kohlenstoff in die Luft wie bei der Verwendung von Kohle oder Gas.

Feuchtes Holz zu verbrennen ist ineffizient

Wenn Bäume gefällt und verbrannt werden, geht in der Regel ein Großteil des lebenden Holzes verloren, bevor es Energie liefern kann. Holz zu verbrennen ist auch nicht effizient, da es viel Feuchtigkeit enthält. An diesen Tatsachen würden auch Nachhaltigkeitsstandards für die Waldwirtschaft nichts ändern, schätzen die Wissenschaftlerinnen. Sie fordern daher, Holzverbrennung nicht mehr als klimaneutral zu bezeichnen und seine Verbrennung zu subventionieren.

Befürworter der Holzverbrennung widersprechen. Der Brief sei irreführend, entscheidend sei, dass der Wald die Emissionen der Verbrennung wieder binde, sagt Christian Rakos, Geschäftsführer des österreichischen Industrieverbands proPellets.

In der Debatte geht es auch darum, ob Wald so weit wie möglich sich selbst überlassen werden sollte oder als Ressource genutzt wird. Dabei spielen auch die verschiedenen Arten von Holz eine Rolle. Weniger problematisch ist das Verbrennen von Teilen, die kaum anders genutzt werden können. Dazu gehören Sägespäne, die in der Holzverarbeitung anfallen, Rinde oder Äste. Aus dem neuen FDA-Report geht jedoch hervor, dass offenbar massenweise ganze Holzstämme verbrannt werden. Dem Augenschein nach könnten sie zumindest teilweise auch anders verarbeitet werden.

Die Aktivistinnen analysierten dazu Satelliten- und Fotoaufnahmen von Holzkraftwerken und Pelletherstellern in mehreren EU-Staaten. Insgesamt sind es 43 Anlagen, darunter sieben in Deutschland und Österreich. Der Report folgert, dass die meisten von ihnen erhebliche Mengen an ganzen Holzstämmen verwenden, darunter offenbar auch alte Bäume aus natürlichen Wäldern.

Irreführende Behauptungen auf den Websites

Den Umweltschützerinnen zufolge macht etwa ein Viertel der Unternehmen irreführende Behauptungen auf ihren Websites, etwa, dass sie Sägespäne verwendeten, ohne Stammholz zu erwähnen. So heißt es auch auf der Website des Deutschen Pelletinstituts, einer Organisation des Verbands von Pelletherstellern: "Holzpellets werden aus Holzspänen hergestellt, die im Sägewerk anfallen." Der österreichische Verband proPellets schreibt: "Holzpellets sind ein umweltfreundlicher Festbrennstoff, der aus gepressten Sägespänen und ähnlichen Industrieabfällen aus der Holzverarbeitung hergestellt wird." Auf Anfrage verteidigt proPellets Geschäftsführer Rakos die Aussage. In Österreich würden Pellets zu 100 Prozent aus Nebenprodukten hergestellt. Die Holzstämme, auf die sich der FDA-Report beziehe, würden zuerst zu Brettern verarbeitet.

Viele der Anlagen berufen sich auch auf die angebliche Klimaneutralität und Sauberkeit des Rohstoffs. Der Interessenverband Bioenergy Europe schreibt auf seiner Website: "Bioenergie ist klimaneutral." Auf der Website des deutschen Industrieverbands Bioenergie ist prominent ein Logo "klimaneutral!" platziert, Strom aus Holzverbrennung wird als "sauber" bezeichnet. Die Verbände verteidigen auf Anfrage die Aussage mit der Begründung, dass Holz Teil des Kohlenstoffkreislaufs sei. Für die gesundheitsgefährdenden Feinstaubemissionen – ein weiterer Kritikpunkt an der Holzverbrennung – seien vor allem veraltete Anlagen von Privathaushalten verantwortlich. Moderne Holzenergieanlagen müssten strenge Staubgrenzwerte einhalten.

Gründe für die Verbrennung von ganzen Stämmen lassen sich immer finden

ZEIT ONLINE hat die Betreiber der Anlagen in Deutschland und Österreich kontaktiert. Ein Betreiber argumentiert damit, dass das Holz von Bäumen stamme, die wegen Käferbefall gefällt werden mussten. Ein anderer sagt, das Holz sei nicht "sägefähig", könne also nicht zu Produkten wie Brettern verarbeitet werden. Wirtschaftlich sei es ohnehin nicht sinnvoll, hochwertiges Holz zu verbrennen, das anders genutzt werden kann.

Die Publikation zeige deutlich, wie weit verbreitet das Verbrennen von Holz in Kraftwerken überall in Europa sei und wie beschönigend die jeweiligen Kraftwerke das kommentierten, sagt hingegen Martin Häusling, Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament, dem ZEIT ONLINE den Bericht vorab zugeschickt hat.

1,5-Milliarden-Euro-Subvention in Deutschland

"Es sind eben nicht nur anders nicht mehr nutzbare 'Reste', wie Rinde, Hackgut oder Sägespäne, die in diesen Kraftwerken verbrannt werden, sondern tatsächlich auch – und in erschreckendem Ausmaß – ganze Baumstämme", sagt Häusling. "Ein Grund dafür, warum ganze Stämme verbrannt werden, lässt sich immer finden, typisch: 'andere Nutzung nicht möglich, da der Stamm durch Krankheit oder Verfraß geschädigt ist'", sagt Häusling.

Die Definition von Holzverbrennung als klimaneutrale Energiequelle in der EU-Richtlinie nennt er zynisch. "EU-Mitgliedsländer subventionieren die Holzverbrennung in Kraftwerken als grünen Strom, in Deutschland sind das jährlich mehr als 1,5 Milliarden Euro." Das sei "klima- und artenpolitischer Wahnsinn", meint Häusling.

Michal Wiezik, EU-Abgeordneter des liberalen Bündnisses Renew Europe, zeigt sich schockiert über den Bericht. Das Argument der Industrie, dass hochwertiges Holz nicht verbrannt würde, weil es nicht wirtschaftlich sei, werde durch die Subventionen geschwächt. Sie verzerrten die Preise und böten einen Anreiz, auch anderweitig nutzbares Holz zu verbrennen.

Die Wertigkeit lässt sich schwer nachvollziehen

Es sei nicht neu, dass Holzstämme verbrannt würden, das würde die Holzindustrie auch nicht bestreiten, sagt Tiemo Wölken, EU-Abgeordneter der SPD. Mit der Erklärung, dass nur minderwertiges Holz verbrannt werde, gebe es aber Probleme: Die Wertigkeit und mögliche Nutzung in der Möbel- oder Bauindustrie lasse sich schwer nachvollziehen und rückverfolgen. Zudem sei Wald-Biomasse eine Kohlenstoffsenke. "Wir müssen den Kohlenstoff in den Wäldern halten, zumindest für die kommenden Jahrzehnte", sagt Wölken.

Diese Tage wird die EU-Richtlinie für rrneuerbare Energien überarbeitet. Die Abgeordneten Häusling, Wiezik und Wölken setzen sich für einen Stopp der Subventionen für Holz, das direkt aus dem Wald kommt, ein. Wiezik will noch weiter gehen und Holzverbrennung insgesamt nicht mehr subventionieren. Doch der Widerstand der konservativen Parteien und der Länder, die auf Forstwirtschaft setzen, sei groß.

Wiezik sorgt sich auch um Folgen der Ukraine-Invasion und die Bestrebungen, sich von russischem Gas und Öl unabhängig zu machen. Das führe zu einem größeren Druck, auf Holzverbrennung zu setzen. Statt sie zu begrenzen, könnten sie im Gegenteil ausgeweitet werden.

Dieser Text ist Teil des Rechercheprojekts #SubsidizingDeforestation, das durch ein Stipendium von IJ4EU gefördert wird. Mitarbeit: Ludovica Jona und Cătălin Prisacariu

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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