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170214 Junker KomitologieWer entscheidet eigentlich in Europa über Gentechnikzulassungen oder ein Verbot von Umwelthormonen? Die Kommission, die Mitgliedsstaaten oder das Europäische Parlament? Die Antwort ist entscheidend, um die politisch Verantwortlichen überhaupt benennen zu können. Da sie kaum einer kennt, eröffnen sich Spielräume, die Verantwortung für unpopuläre Entscheidung anderen zuzuschieben
Das geht zum Beispiel so: Agrarminister setzen sich in ihrem Mitgliedsstaat für seinem populäre Gentechnik-Anbauverbote ein. Auf EU-Ebene stimmen ihre Regierungsvertreter allerdings mit Enthaltung oder gar für die Zulassung von Gentechnik. Diese Experten- oder auch Komitologie-Ausschüsse tagen allerdings hinter verschlossenen Türen – und damit ohne öffentliche Transparenz und Kontrolle. Findet sich keine qualifizierte Mehrheit, die z.B. Genmais zulassen oder ablehnen will, muss die EU-Kommission entscheiden.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist dieses Schwarze-Peter-Spiel leid. Er möchte die (Komitologie-)Regeln so ändern, dass die EU-Mitgliedsstaaten ihre Entscheidungen selbst verantworten müssen und sich nicht länger „hinter dem Rücken der EU-Kommission“ verstecken können. Soweit, so begrüßenswert. Allerdings haben die Vorschläge Junckers mit einer echten Transparenz-Reform wenig zu tun. So sollen Entscheidungen erst auf eine öffentliche Ebene (z.B. im Agrarrat) gelangen, wenn in den Expertenausschüssen keine Mehrheit gefunden werden konnte. Befürworten die Regierungsvertreter also die Erhöhung von Grenzwerten für Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln, wie im letzten Jahr mehrfach geschehen, erfahren Öffentlichkeit und EU-Parlament weiterhin nichts davon.
Ein weiterer Vorschlag zielt darauf ab, Bewegung in die Patt-Situation einer fehlenden Mehrheit für oder gegen GVO-Zulassungen zu bringen. So sollen nur noch Ja- oder Nein-Stimmen der Mitgliedsstaaten gewertet werden, auch zur Berechnung von Mehrheiten. Enthält sich Deutschland also weiterhin, spielt die Haltung von über 80 Mio. Bundesbürgern zu Gentechnik in Europa mit diesen Regeln, aber vor allem dieser Bundesregierung, gar keine Rolle mehr.
Außerdem birgt diese Regeländerung die Gefahr, dass Gentechnikpflanzen in Europa künftig viel schneller zugelassen werden könnten. Zieht man die Vielzahl von Enthaltungen ab, halten sich befürwortende und ablehnende EU-Staaten in etwa gleichauf. Es braucht also nur noch wenige entscheidungsfreudige Mitgliedsländer, die das Zünglein an der Waage ausschlagen zu lassen. In welche Richtung, fußt nicht zuletzt auf Jean-Claude Junckers verhängnisvollen ersten Reform-Versuch, die Entscheidung an die Mitgliedsstaaten zu delegieren. Dieser hat Europa einen Flickenteppich aus nationalen Gentechnik-Anbauverboten eingebracht, so von der Gentechnik-Industrie befürwortet.
Es gibt also allen Grund, die neuen Vorschläge des Kommissionspräsidenten mit Skepsis zu betrachten und auf echte Reform zu drängen, um EU-Entscheidung aus Hinterzimmer zu verbannen und transparenter zu machen. Denn nur so geht Europa besser machen!


mehr Informationen:
•    Mitteilung der EU-Kommission und Verordnungsentwurf
•    Pressemitteilung „Junckers Vorschläge bringen kaum Verbesserungen“, 14.2.17
•    Artikel „Imagine, you want to make money…“ zur Durchsetzung von Lobbyinteressen im Komitologie-Verfahren, Fraktion Die Grünen/EFA vom 13. Februar 2017

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