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Deutschlandfunk - Von Jörg Münchenberg (direkt zum Radiobeitrag)

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat in den Verhandlungen mit den USA über das Freihandelsabkommen TTIP für mehr Transparenz gesorgt. Viele Europäer betrachten das Abkommen und besonders die geplanten privaten Schiedsgerichte weiter mit Argwohn. Ein Durchbruch ist nicht in Sicht.

Cecilia Malmström ist erst seit kurzem im Amt. Und doch hat die neue EU-Handelskommissarin bei den Gesprächen über ein Freihandelsabkommen mit den USA bereits ein deutliches Zeichen gesetzt. Zuhören wolle sie, erklärte die Schwedin, und für mehr Transparenz sorgen. Diese Ankündigung hat sie bereits umgesetzt, deshalb gibt es auch durchaus Lob vom Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange, SPD:

"Wir hatten ja immer das Problem, dass aufgrund der mangelnden Transparenz viele Dinge im Unklaren, im Bereich der Gerüchte waren. Und wenn wir jetzt hinkriegen, dass wirklich alle Abgeordnete Zugang zu allen Dokumenten haben und dass die fundamentalen Verhandlungsdokumente auch ins Netz gestellt werden, dann werden wir auch die Möglichkeit haben, rationaler zu diskutieren."

Doch längst sind die Fronten bei der geplanten Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP, deutlich verhärtet. Rund eine Million Europäer haben sich in einer Unterschriftenaktion von Nichtregierungsorganisationen gegen das geplante Freihandelsabkommen ausgesprochen und auch die öffentliche Befragung über die umstrittenen privaten Schiedsgerichte, die Investor State Dispute Settlements, kurz ISDS brachte ein klares Ergebnis, wie Malmström in der letzten Woche einräumen musste:

"Insgesamt geben die Antworten eine große Skepsis gegenüber ISDS wieder. Die große Mehrheit, nämlich 97 Prozent erfolgten über diverse Online-Plattformen - das waren vorformulierte negative Antworten - gegen TTIP im Allgemeinen und ISDS im Besonderen."
Geplanter Vertragsabschluss kaum zu halten

Was wiederum die Handelskommissarin, die im Namen der 28 EU-Mitgliedsländer verhandelt, in eine schwierige Lage bringt. Denn bislang wollen die USA auf die privaten Schiedsgerichte nicht verzichten, um hier keinen Präzedenzfall für künftige Abkommen, etwa mit China zu schaffen. Gleichzeitig kann Malmström die Ergebnisse der Konsultationen schon aus Glaubwürdigkeitsgründen nicht einfach ignorieren. Vorerst bleiben deshalb die Gespräche mit den Amerikanern zu diesem wichtigen Teilaspekt des Freihandelsabkommens weiter ausgesetzt. Zunächst müssten jetzt die EU-Mitgliedstaaten klären, wie mit den umstrittenen Schiedsverfahren aus EU-Sicht weiter umgegangen werden soll, fordert die Handelskommissarin:

"Es gibt für einen neuen Kommissionsvorschlag in dieser Sache kein bestimmtes Datum. Es gibt hier keine bestimmte Deadline, die da über unseren Köpfen schwebt. Die Verhandlungen mit den USA über andere Themen gehen ja weiter. Aber bis zum Frühjahr sollten wir uns schon auf einen Vorschlag verständigt haben."

Doch durch den internen Klärungsbedarf dürften sich die Verhandlungen zu TTIP insgesamt weiter verzögern. Schon ist in Brüssel davon die Rede, dass der ursprünglich geplante Vertragsabschluss vor den US-Präsidentschaftswahlen Ende 2016 kaum noch zu halten ist. Zumal neben den Schiedsgerichten auch noch viele andere strittige Punkte warten - nicht zuletzt im Agrarbereich. Ein aus europäischer Sicht besonders sensibles Verhandlungsfeld, warnt der Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling mit Verweis auf gentechnisch veränderte Produkte sowie hormonbehandeltes Fleisch:

"Die Amerikaner machen da richtig Druck, dass der Agrarbereich von Seiten der Europäer gelockert wird. Das heißt, dass unsere strengen Standards nach unten kommen. Damit die Exporte von Seiten der Amerikaner erleichtert werden. Das ist eine ganz klare Zielsetzung. Das sagt Ihnen in Washington jeder Offizielle. Da kann man nicht in Europa erzählen, nein, da wird nichts passieren. Damit führt man die Bevölkerung in Europa hinters Licht."

Und so werden vor allem Verbraucherschutz- und Nichtregierungsorganisationen auch die nächste TTIP-Verhandlungsrunde Anfang Februar in Brüssel argwöhnisch verfolgen. Auch wenn es bis zu einem möglichen Durchbruch noch ein langer Weg ist.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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