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Badische Zeitung -  So viel Einmütigkeit war selten. Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal lobte die EU-Kommission für ihr Bekenntnis "zu Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit". Es sei aber gut, dass bei Umweltproblemen oder gesundheitlichen Bedenken auch in Zukunft die Brüsseler Behörde das letzte Wort habe.

 Ihr britischer Kollege zeigte sich erfreut darüber, dass es nun Rechtssicherheit für diejenigen gebe, die genveränderte Pflanzen (GVO) beschränken oder verbieten wollten. "Wir stimmen alle überein, dass das derzeitige System nicht funktioniert. Nicht einmal innerhalb meines Landes haben alle Verwaltungen die gleiche Position zu diesem Thema."

 Und die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, es gebe nun "erstmals eine klare und eindeutige rechtliche Regelung, die es uns ermöglicht GVO in unseren Ländern nicht zuzulassen". Das Gesetz schaffe keine Rechtsunsicherheit, wie manche Kritiker behaupteten. "Es gibt klare Fristen. Auch werden die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet sein, direkt mit den Unternehmen zu verhandeln, darüber sind wir sehr dankbar."

Die Reform betrifft nur den Anbau. Tierfutter oder Lebensmittel mit genveränderten Bestandteilen dürfen verkauft werden, wenn die Kommission eine Zulassung erteilt und die Packungen entsprechend gekennzeichnet sind.

 Die Mitgliedsstaaten taten sich schwer mit der Reform. Sie verhandelten vier Jahre, bevor sie einen Kompromiss zu dem Verfahren fanden, wie in Zukunft Zulassungen für genveränderte Pflanzen in der EU erteilt werden sollen. Ein wesentlicher Grund: Deutschland blockierte eine Einigung. Erst nach dem Regierungswechsel im vergangenen Herbst fand ein Umdenken statt.

 Das Verfahren geht folgendermaßen vonstatten: In einer ersten Phase stellt das Unternehmen wie bisher seinen Antrag an die EU-Kommission in Brüssel, die eine wissenschaftliche Stellungnahme der Lebensmittelbehörde Efsa einholt. Jedes Mitgliedsland hat parallel dazu die Möglichkeit, über die Kommission dem Unternehmen die Bitte zu übermitteln, die Zulassung nicht auf sein Staatsgebiet auszudehnen. Kommt das Unternehmen der Aufforderung nach, erteilt die Kommission die Zulassung für die übrigen EU-Staaten, wenn keine wissenschaftlich belegbaren gesundheitlichen oder ökologischen Bedenken dagegen sprechen. Ignoriert das Unternehmen den Wunsch des Mitgliedsstaats, kann der bis zu zwei Jahre nach der EU-weiten Zulassung Gründe anführen, warum das Produkt auf seinem Territorium nicht angebaut werden soll. Der Katalog möglicher Argumente gegen die Nutzung der Gentechnik ist viel weiter gefasst als bisher. Künftig darf die Zulassung nicht nur bei Risiken für Umwelt oder Gesundheit verweigert werden, sondern auch, wenn Ziele der Umweltpolitik, Landnutzung oder der Stadtplanung entgegenstehen oder wenn negative sozio-ökonomische Auswirkungen zu befürchten sind. Auch Gefahren für die öffentliche Ordnung können angeführt werden. Der Katalog ist so offen formuliert, dass jedes Mitgliedsland, das keine GVO auf seinem Boden haben will, ohne Mühe fündig wird. Das einzige EU-Land, in dem auf großen Flächen GVO-Pflanzen angebaut werden, ist Spanien. Bislang konnten die Mitgliedsstaaten die Zulassung nur stoppen, wenn sie eine Mehrheit dagegen zustande brachten. Zuletzt scheiterte das Anfang Februar beim Genmais 1507, den die amerikanische Firma Pioneer auf europäischen Feldern anbauen will. Deutschland, das als größtes EU-Land die meisten Stimmen auf die Waage bringt, enthielt sich. Das Stimmgewicht der 19 klaren GVO-Gegner reichte nicht aus, ein Anbauverbot durchzusetzen. Die Ausstiegsklausel beendet nun dieses Dilemma.

 Umweltverbände fürchten, dass mächtige Unternehmen Druck auf kleine Mitgliedsländer ausüben könnten und dass GVO-freie Zonen verschmutzt werden könnten. "Der finanzielle Aufwand für Biobauern, ihre Sorten rein zu halten, wird sich durch diesen Flickenteppich erhöhen", warnt der grüne Abgeordnete Martin Häusling.

 Bei möglichen Klagen vor der Welthandelsorganisation stünde in Zukunft nicht mehr die EU geschlossen zusammen, sondern ein einzelnes Land müsste sich verteidigen. "Es stehen über zwanzig Sorten vor der Zulassung – die werden nun alle genehmigt", sagte er der BZ. Die Sorge, dass im neuen Gesetz keine Abstandsregeln vorgesehen sind und kleine Länder durch Pollenflug wider Willen zu GVO-Anbaugebieten werden können, brachte Luxemburg dazu, sich bei der Abstimmung zu enthalten.

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Die Kanzlerin gibt nach

 Wer derzeit die Homepage der CSU aufruft, erblickt ein wunderschönes Flecken oberbayerische Erde (Zwiebelturmkirche, Traktor, Voralpenpanaroma) und liest den Satz "Großer Erfolg für die CSU – Nationales Anbauverbot für Genpflanzen kommt". Dass die Christsozialen erreicht haben, was sie wollten, ist richtig. Lehnte Kanzlerin Merkel nationale Regelungen zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen lange ab (das gefährde den Binnenmarkt, so ihr Hinweis), vertreten CDU und CSU inzwischen, was die CSU – und übrigens auch die SPD – schon lange wollten: die Möglichkeit, dass jedes EU-Land entscheiden kann, ob es den Anbau dieser Pflanzen billigt oder nicht. Im Mai haben die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD die Bundesregierung aufgefordert, "umgehend einen Vorschlag zur nationalen Umsetzung der Opt-out-Regelungen vorzulegen". Wann Agrarminister Christian Schmidt (CSU) das tun wird, ist offen. Denn nach dem Beschluss der EU-Umweltminister vom Donnerstag ist nun zunächst das Europa-Parlament am Zuge. Wann es über die Richtlinie entscheidet, kann derzeit niemand abschätzen. Allerdings rechnet auch niemand damit, dass das EU-Parlament die Richtlinie kippt. Früher oder später also kann sich Schmidt ans Werk machen und einen Gesetzentwurf vorlegen, der in Deutschland den Anbau unterbindet.  

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