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14. Februar 2014

"Mehr als nur eine Geschmackssache";
EU-Agrarpolitiker Häusling über Chancen und Risiken des Freihandels

von PETER RIESBECK
Herr Häusling, Ihre Familie hat einen Hof im Hessischen, was stört Sie eigentlich an einem Freihandelsabkommen mit den USA?
MARTIN HÄUSLING: Es geht um die Ausrichtung des Agrarsektors. Europas Agrarwirtschaft ist mehr von kleinbäuerlichen Strukturen geprägt, in den Vereinigten Staaten dominiert ein agroindustrieller Ansatz mit mehr Pestiziden, mehr Antibiotika und Gen-Food. Das hat Auswirkungen bis hin zu einer Konzentration bei den Saatgutherstellern. Es geht also bei den ganzen Verhandlungen um mehr als nur um eine Geschmackssache.

Die Verbraucher in den USA sorgen sich vor Blauschimmel im französischen Roquefort-Käse, Europas Kunden fürchten Chlorhühnchen. Aber weder diesseits noch jenseits des Atlantiks ist es zu Massenerkrankungen gekommen. Werden die Befürchtungen übertrieben?
HÄUSLING: Noch mal, es geht um eine andere Grundausrichtung der Landwirtschaft und um Verbraucherschutz. Ein Beispiel: In Europa gilt der Ansatz vom Stall bis zum Schlachthof, auf jeder Stufe müssen also bestimmte Hygienestandards eingehalten werden. In den USA zählt allein der letzte Schritt, deshalb das keimtötende Chlorwasserbad. Es geht also um vorsorgenden Verbraucher- und Tierschutz, und es geht um die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel künftig herstellen wollen.

Beim Gen-Food sagt die EU-Kommission, es muss speziell ausgezeichnet werden. Der Verbraucher hat jetzt noch die Wahl.
HÄUSLING: In den USA gibt es doch überhaupt kein System, genmanipulierte Lebensmittel zu erfassen und zu kennzeichnen. Wenn wir den amerikanischen Standard anerkennen, könnten Waren auf den EU-Markt kommen, die nicht gekennzeichnet sind. Ich fürchte langfristig auch eine Absenkung der europäischen Standards. Auch Europas Agroindustrie bemüht sich seit langem, die EU-Standards abzusenken, mit dem Freihandelsabkommen wird es gelingen.

Die EU-Kommission hat jetzt mehr Transparenz versprochen. Ein Beratergremium, dem auch Verbraucher- und Umweltgruppen angehören, soll künftig über den Stand der Verhandlungen mit den USA informiert werden.
HÄUSLING: Das ist nicht mehr als ein erstes Eingeständnis, dass die Kritik an der mangelnden Transparenz berechtigt ist. Aber das Gremium bringt nichts, wenn Europas Bürger und die Parlamente nicht mitreden dürfen. Es dürfen jetzt keine Fakten geschaffen werden. Deshalb fordere ich: Der ganze Verhandlungsprozess muss auf den Prüfstand.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE PETER RIESBECK
Martin Häusling, 52, Europaabgeordneter, sitzt seit 2009 für die Grünen im Brüsseler Parlament. Seine Familie bewirtschaftet im Hessischen einen Bio-Hof.

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