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Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/landwirtschaft-bauern-klimaschutz-agrarsubventionen-eu-parlament-gap-1.5334840

Autor: Björn Finke für die Süddeutsche Zeitung vom 28. Juni 2021

 

Wie wird in Zukunft das Geld aus Brüssel an Bauern verteilt? An diesem Montag beraten die EU-Minister über den Kompromiss mit dem Parlament. Die Subventionen sollen grüner werden - Kritiker beklagen jedoch zu viele Ausnahmen.

Es geht um fast ein Drittel des EU-Haushalts, um 270 Milliarden Euro für die Jahre 2023 bis 2027. Und es geht um die Zukunft der Landwirtschaft in Europa: Am Freitag einigten sich EU-Parlament und Ministerrat, die Vertretung der Mitgliedstaaten, nach gut sieben Monaten zäher Verhandlungen auf einen Kompromiss, wie Brüssel künftig seine Subventionen an Bauern verteilen soll. Unter anderem wird ein Teil des Geldes nun an besondere Umweltauflagen geknüpft. An diesem Montag und Dienstag werden die EU-Landwirtschaftsminister bei ihrem Treffen in Luxemburg darüber beraten.

Die Bewertungen des Kompromisses klaffen auseinander: Der europäische Bauernverband Copa-Cogeca warnt, die neuen Regeln seien eine "beispiellose Herausforderung" für die Landwirte. Das Europäische Umweltbüro klagt hingegen über das "politische Versagen", die ökologische Landwirtschaft nicht stärker zu fördern. Der Europaabgeordnete Norbert Lins von der CDU, der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, spricht von der "größten Agrarreform nach 1992". Der Europaparlamentarier Martin Häusling von den Grünen sieht nur "wolkige Überschriften, unter denen das Allermeiste beim Alten bleiben wird".

Frans Timmermans, der für Klimaschutz zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, reiht sich in der Mitte ein: Die Einigung sei "nicht perfekt, aber immerhin ein großer Schritt in die richtige Richtung". Wie groß, wird von den Mitgliedstaaten abhängen. Denn unstrittig ist, dass das Regelwerk - konkret geht es um drei EU-Verordnungen - den Regierungen künftig mehr Spielraum lässt.

 

Die Kommission unterbreitete den Vorschlag bereits vor drei Jahren, in Kraft treten sollte er 2021. Ziel war eine flexiblere und vor allem grünere Agrarpolitik, auch mit Blick auf die Klimaschutzziele der EU. Doch weil das Projekt so umkämpft war, wurden die alten Regeln erst einmal bis Ende 2022 verlängert, die neuen Vorschriften werden von 2023 an gültig sein.

Vernichtendes Urteil des Rechnungshofs

Wie nötig eine Reform ist, zeigte erst jüngst eine Untersuchung des Europäischen Rechnungshofs. Die Prüfer kamen zu dem Schluss, dass die bisherigen Ansätze gescheitert seien, mithilfe der Milliardensubventionen den Ausstoß klimaschädlicher Gase in der Landwirtschaft zu senken.

Zu den wichtigen Neuerungen gehört, dass die Regierungen nun eigene Strategiepläne entwerfen, wie sie die Ziele der EU-Agrarpolitik umsetzen wollen. Diese Pläne müssen bis Jahresende zur Genehmigung an die Kommission geschickt werden; in Deutschland billigte der Bundesrat sie am vergangenen Freitag.

Neu ist ebenso, dass künftig 25 Prozent der sogenannten Direktzahlungen an noch näher zu bestimmende Umweltauflagen geknüpft sind. Diese Direktzahlungen sind Subventionen, die von der Fläche eines Betriebs abhängen - eine üppige Hilfe zum Lebensunterhalt für sechs bis sieben Millionen Landwirte in der EU. Die Zahlungen machen den Großteil des Agrarbudgets der EU aus, der Rest entfällt auf Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums. Sollten Bauern diese besonderen Umweltauflagen nicht beachten, werden sie keine der daran geknüpften Fördergelder erhalten; insgesamt 48 Milliarden Euro. Die nationalen Regierungen können die Mittel auch nicht anderweitig verwenden.

 

Mehr Geld für Kleinbetriebe - aber reicht das?

Das EU-Parlament hatte zwar gefordert, 30 Prozent der Direktzahlungen an die neuen Auflagen zu binden, doch das ging den Mitgliedstaaten zu weit. Der Grünen-Abgeordnete Häusling klagt zudem, dass es bei den Umweltvorgaben viele Ausnahmen gebe, die "deren Nutzen auf ein Minimum schrumpfen lassen".

Ein anderer häufiger Kritikpunkt an der Agrarpolitik der EU ist, dass von dem Geld in erster Linie Großbetriebe profitieren. Deswegen zwingt die Reform nun die Regierungen, in ihren nationalen Umsetzungsplänen zehn Prozent der Mittel zugunsten kleiner Betriebe umzuverteilen. CDU-Politiker Lins bezeichnet dies als "großen Erfolg" für kleinere und Familienbetriebe. Häusling prophezeit hingegen, dass die Quote nichts daran ändern werde, dass zahlreiche kleine Höfe aufgeben müssen, zumal weiterhin Großbetriebe das meiste erhielten.

Den Sozialdemokraten im Parlament war eine andere Neuerung wichtig: Von 2025 an können Subventionen gekürzt werden, wenn ein Bauer seine Arbeiter schlecht behandelt. Allerdings gilt die Vorschrift nicht für ausländische Erntehelfer - noch so eine von vielen Ausnahmen.