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Quelle: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gap-eu-landwirtschaft-1.5307127

Autor: Matthias Kolb für die Süddeutsche Zeitung

 

Kommt die große Reform für die Subventionen der Landwirtschaft in Europa? Die Gespräche sind vorerst gestoppt.

 

Einerseits geht es bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union um Subventionen von knapp 60 Milliarden Euro pro Jahr. Andererseits hat das Verfahren, wie der größte Einzelposten des mehrjährigen EU-Haushalts bis 2027 verteilt wird, enormen Einfluss darauf, ob das Ziel erreicht wird, bis 2030 den Ausstoß an klimaschädlichem CO₂ um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Über die Details wird seit 2018 gerungen, nun wollten die Mitgliedstaaten endlich mit der EU-Kommission und dem Europaparlament die nötige Einigung erzielen. Trilog nennt man diese Verhandlungen, die am Dienstag begonnene Runde wurde "Jumbo-Trilog" getauft. Am Freitag ging man auseinander - ohne Ergebnis, mit frustrierten EU-Abgeordneten und schweren Vorwürfen an die Landwirtschaftsminister.

Von einer großen Enttäuschung sprach Norbert Lins, der Chef des Agrarausschusses. "Wer eine Einigung möchte, muss auch bereit sein zu verhandeln", sagte der CDU-Politiker und warf den Regierungen vor, das Parlament als Ko-Gesetzgeber nicht zu respektieren. Die portugiesische Ratspräsidentschaft, so berichtete Verhandlungsführer Lins, schien erstaunt zu sein, dass die Abgeordneten ihren Kompromissvorschlag nicht abgenickt, sondern eigene Forderungen gestellt hätten. Man komme nicht weiter, wenn nur Papiere ausgetauscht würden. Vor der Fortsetzung der Gespräche müsse erst wieder Vertrauen aufgebaut werden, sagte er und beklagte, dass Bäuerinnen und Bauern Planungssicherheit fehle.

Umweltschützer rufen aus anderen Gründen zur Eile. Sie verweisen auf die Klimakrise, den Rückgang der Tierwelt sowie Probleme beim Trinkwasser durch Überdüngung und den Einsatz von Pestiziden. Ein Umsteuern in Richtung Nachhaltigkeit würde ohnehin erst zeitverzögert wirken, da die GAP-Reform frühestens von 2023 an wirken. Zum Ziel einer nachhaltigeren Landwirtschaft in Europa bekennen sich alle, aber über den Weg ist man sich uneinig. Während das Parlament auf strengere Regeln, Sozialstandards sowie mehr Geld für die Umwelt pocht, wollen die Regierungen möglichst viele Freiheiten auf nationaler Ebene behalten.

"Es geht schließlich um Milliarden Euro Steuergelder, die bestimmen, welche Landwirtschaft sich lohnt."

Strittig ist etwa, wie hoch der Anteil sogenannter Öko-Regeln am Budget sein soll: Es geht um Umweltauflagen, für deren Umsetzung Geld gezahlt wird. Die Abgeordneten hatten 30 Prozent gefordert, während die Mitgliedstaaten 20 Prozent anboten. Dass die Regierungen den Wert auf 18 Prozent drücken wollen, ärgert Martin Häusling, den agrarpolitischen Sprecher der Grünen.

Er hat den Eindruck, "dass einige Länder auch nach zweieinhalb Jahren überhaupt keine Einigung" wollten und das Ziel hätten, "ihren Landwirten möglichst viel Geld zuschustern zu wollen, ohne dass sie irgendwelche nennenswerten Auflagen zu erfüllen hätten". Häusling freut sich über die geschlossene Haltung der Fraktionen und attackiert Agrarministerin Julia Klöckner, die wegen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft das Dossier gut kennt. Die CDU-Politikerin sei vorzeitig abgereist und habe nicht versucht, "in irgendeiner Form vermittelnd einzugreifen", sondern Portugal in seiner rückwärtigen Politik bestärkt: "Damit fiel sie hinter ihre eigenen, in Deutschland vertretenen Positionen zurück."

Ähnlich sieht das Tobias Reichert von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch: "In Berlin verspricht Klöckner regelmäßig den Systemwechsel in der Agrarpolitik, aber in Brüssel hat sie die harte Haltung des Rates unterstützt, die sieben Jahre Stillstand bedeuten würde." Reichert lobt das Parlament dafür, "ein Stopp-Zeichen" gesetzt zu haben. Für den Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft forderte Vorstand Alexander Gerber, den progressiven Positionen der EU-Abgeordneten mehr Gewicht zu geben: "Es geht schließlich um Milliarden Euro Steuergelder, die bestimmen, welche Landwirtschaft sich lohnt."

Klöckner betonte per Pressemitteilung: "Wenn drei an einem Tisch sitzen, muss sich jeder bewegen." Dazu sei der Rat der Mitgliedstaaten bereit gewesen. Die Landwirtschaftsministerin mahnte zur Eile und unterstützte erneut Portugals Angebot: Es brauche eine GAP, die "umsetzbar" und weniger bürokratisch sei. Zudem müsse der Einsatz für mehr Umwelt- und Klimaschutz finanziell entlohnt werden und die Mitgliedstaaten "Flexibilität bei der Umsetzung" erhalten. Dies geht dem CDU-Europaabgeordneten Peter Jahr zu weit: "Die Überschriften passen, aber im Text gab es dann Fußnoten, die konnten wir nicht akzeptieren." So würde die vom Rat geforderte "Anlernphase" von zwei Jahren bei den Öko-Regeln letztlich nichts anderes bedeutet, als dass die Mitgliedstaaten machen würden, was sie wollten.

In der EU-Kommission hofft man, dass bis Ende der portugiesischen Ratspräsidentschaft am 30. Juni ein Kompromiss gefunden werden kann. Während Agrarkommissar Janusz Wojeciechowski sagte, dass man einer Einigung "sehr nah" gekommen sei, setzte der für den Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans einen anderen Schwerpunkt: "Bei diesen Verhandlungen geht es um die Zukunft. Die Zukunft der Landwirtschaft, die Zukunft der biologischen Vielfalt und die Zukunft der landwirtschaftlichen Gemeinden in der EU." Daher sei es nötig, den Kurs der GAP zu ändern, um das Ziel einer klimaneutralen EU im Jahr 2050 zu erreichen.