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Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eu-agrarreform-109.html

Autor: Markus Preiss in ARD - Tagesschau vom 21. Okt 2020

 

Ministerin Klöckner feiert die Einigung auf eine EU-Agrarreform als Durchbruch. Umweltverbände sprechen von Scheinpolitik und "Weiter so". Denn der größte Teil der Subventionen soll weiter ohne Auflagen fließen.

Die Einigung der EU-Landwirtschaftsminister auf eine Reform der Agrarpolitik ist auf heftige Kritik gestoßen. Umweltverbände kritisierten den Kompromiss als Klientelpolitik für Großbetriebe und Fortsetzung eines zerstörerischen Subventionssystems.

20 Prozent der Zahlungen auf Auflagen gebunden

Die Minister hatten sich darauf verständigt, die Höhe der Agrarsubventionen zu erhalten, aber die Auszahlung teilweise an zusätzliche Kriterien zu knüpfen. In den kommenden sieben Jahren sollen 387 Milliarden Euro an Subventionen fließen - die damit weiter etwa ein Drittel des EU-Haushalts ausmachen. Neu ist, dass 20 Prozent der Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe gehen sollen, die Umweltprogramme nutzen.

Das war lange umstritten. Polen und einige andere osteuropäische Länder sperrten sich gegen solche Umweltauflagen für die Auszahlung. Sie wollten, dass die Regierungen selbst entscheiden können, wie die milliardenschweren Agrarsubventionen verteilt werden.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betonte, dass 20 Prozent der Direktzahlungen an die Bauern nun aber verbindlich für Umweltprogramme ausgegeben würden. Dass es Bedingungen für die Zahlungen aus Brüssel gebe, sei ein Systemwechsel, sagte sie im Deutschlandfunk. Diese Bedingungen orientierten sich am Gemeinwohl, "also: mehr Umweltschutz, mehr Klimaschutz". Sie wertete die Einigung als Meilenstein.

Zweijährige Übergangsfrist

Die Umweltverbände widersprachen dieser Sicht vehement. Einerseits kritisierten sie, dass der Großteil der Gelder weiter als Direktzahlungen ohne Umweltauflagen auf Basis der Flächengröße der Betriebe fließen sollen. Gleichzeitig rügten sie, dass die osteuropäischen Staaten eine zweijährige Übergangsfrist durchgesetzt haben. Gelder, die in dieser Zeit nicht für Umweltprogramme abgerufen werden, können wie bisher auch ohne Auflagen eingesetzt werden.

"Noch immer wird der größte Teil der Agrar-Milliarden aus Brüssel weitgehend wirkungslos mit der Gießkanne über Europas Äckern und Wiesen verteilt", sagte der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt. Der Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Leif Miller, sprach von einem "gewaltigen Rückschritt für den Umwelt- und Klimaschutz". WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich nannte die Einigung einen "faulen Kompromiss" ohne ökologischen Mehrwert.

"Agrarsubventionen sollen weiterhin weitgehend bedingungslos verteilt werden, statt damit gezielt Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu fördern", sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken. Die Beschlüsse seien "Greenwashing übelster Sorte" - also der Versuch, die Reform nur umweltfreundlich erscheinen zu lassen. Das Budget für die Öko-Regelungen sei um ein Fünftel niedriger als vom EU-Parlament beschlossen und greife erst mit zwei Jahren Verzögerung.

Schwierige Verhandlungen mit dem Parlament

Das Europäische Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, 30 Prozent der Direktzahlungen mit Umweltauflagen zu verknüpfen. Die Mitgliedsstaaten und die Abgeordneten müssen sich nun in Verhandlungen auf eine gemeinsame Linie einigen, damit die Reform in Kraft treten kann.

Auch Politiker der Grünen rügten die Einigung der Agrarminister. Die Beschlüsse "reichen hinten und vorne nicht, um die selbstgesteckten Ziele der EU zu erreichen und den Bäuerinnen und Bauern Sicherheit zu geben", sagte Parteichef Robert Habeck der Nachrichtenagentur dpa. Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling bezeichnete die Entscheidung als Affront gegen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die Zielvorgaben für eine ökologische Wende gemacht hatte.

Dürresommer und niedrige Preise

"Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht ambitioniert genug", sagte Elisabeth Fresen, die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, tagesschau.de. "So werden keine Probleme der Landwirtschaft gelöst." Es werde mit dem Kompromiss der Agrarminister dabei bleiben, dass zunehmende Dürresommer, schwindende Artenvielfalt und niedrige Preise für landwirtschaftliche Produkte den ländlichen Raum belasten.

"Wir müssen davon wegkommen, dass pauschal nach Fläche bezahlt wird", sagt die Landwirtin, die einen Hof im niedersächsischen Verden betreibt. Es sei ungerecht, wenn von der EU-Landwirtschaftspolitik vor allem die großen Betriebe profitierten. Nötig sei daher eine Kappung der Flächenprämien. Auch müssten sämtliche Direktzahlungen an eine echte Leistung der Betriebe geknüpft werden, also konkrete Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität, zum Klimaschutz oder der artgerechten Tierhaltung, so Fresen.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sprach von einem tragbaren Kompromiss. Die Agrarzahlungen würden durch die Beschlüsse der Minister "deutlich verändert", so DBV-Präsident Joachim Rukwied. In Deutschland gehe der Verband davon aus, dass sich die Mittel für Agrarumweltmaßnahmen auf 1,8 Milliarden Euro mehr als verdoppelten. "Die Kritik von Seiten des Naturschutzes, hier werde ein 'Weiter so' praktiziert, entbehrt daher jeder Grundlage."