Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/eu-landwirtschaft-interview-mit-martin-haeusling-von-den-gruenen-a-eeaed2cd-10b8-480e-b8c7-7b3d93068566

Autorin: Ein Interview von Michaela Schießl / Der Spiegel online vom 20.10.2020

 

In Brüssel werden derzeit 387 Milliarden Euro neu verteilt - allein für die Landwirtschaft. Der grüne EU-Parlamentarier Martin Häusling warnt vor der miesen Ökobilanz des Deals und gibt Deutschland die Schuld daran.

SPIEGEL: Herr Häusling, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat unter anderem mit ihrem Green Deal die Weichen für eine ambitionierte Ökologisierung der EU gestellt. Wie finden sich diese Ziele in der Reform der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik (GAP) wieder, die derzeit beschlossen wird?

Häusling: Gar nicht. Im Gegenteil: Alles deutet darauf hin, dass die jetzige GAP noch weniger nachhaltig wird als die bislang geltende. Statt die Direktzahlungen endlich an Umweltleistungen der Bauern zu binden, zahlt man 60 Prozent des 387-Milliarden-Euro-Budgets bis fast 2027 alleine für den Besitz von Flächen. Der Großteil der Umweltleistungen soll nicht verpflichtend werden, sondern bleibt vorwiegend freiwillig. Ich empfinde das als einen Betrug am Steuerzahler.

SPIEGEL: Muss sich der neue Vorschlag nicht an den neuen, erklärten Ökozielen der Kommission orientieren?

Häusling: Frau von der Leyen und ihr Agrarkommissar Janusz Wojciechowski haben es versäumt, einen neuen, überarbeiteten Vorschlag vorzulegen. Wir stimmen über den alten ab, der vor dem Green Deal vom damaligen Kommissar ausgearbeitet wurde. Das ist absurd.

SPIEGEL: Wollen Sie sagen, dass trotz Klimakrise und Artensterben alles bleibt, wie es ist?

Häusling: Schlimmer. Parlament und Rat sind gerade dabei, diesen ohnehin schlechten Vorschlag weiter zu verschlechtern. Wir bekommen eine Reform, die in Sachen Nachhaltigkeit, Biodiversität und CO2-Ausstoß schlechter ist als die bestehende. Wenn sich Rat und Parlament durchsetzen, schaffen wir es mit der neuen GAP nicht einmal, die Klimaziele einzuhalten.

SPIEGEL: Ist nicht immerhin geplant, die Zahlungen für Ökoleistungen zu steigern?

Häusling: Doch, und im gleichen Atemzug wird der Begriff der Ökoleistung aufgeweicht. Beispielsweise soll ein Bauer Geld bekommen, wenn er moderne Spritztechnik einsetzt - auch ohne den Beweis, dass er dann weniger Chemie benutzt. Das wird Bayer freuen und BASF, aber nicht weiter dazu beitragen, dass wir weniger Pestizide verbrauchen.

SPIEGEL: Die GAP verschlingt beinahe 40 Prozent des Gesamtetats der EU. Wie kann es sein, dass die selbst formulierten Ziele darin nicht berücksichtigt werden?

Häusling: Hier hat sich eindeutig die Agrarlobby wieder durchgesetzt. Sowohl der Agrarkommissar als auch die derzeitige Ratspräsidentin Julia Klöckner halten sich strikt an die Wünsche der Agrarverbände und der -industrie. Deren Forderungen ist man mehr zugeneigt als den Vorgaben der eigenen Parteikollegin, der Kommissionspräsidentin.

SPIEGEL: Frau Klöckner sieht sich als Verteidigerin einer grüneren GAP…

Häusling: Frau Klöckner täuscht die Öffentlichkeit, indem sie nach außen vorgaukelt, es würde eine grüne Reform. Sie sagt nicht die Wahrheit. Ihr geht es vor allem darum, vor der nächsten Bundestagswahl das Verhältnis zum Bauernverband, das vergangenes Jahr sehr gelitten hat, wiederherzustellen. Schließlich sind die Bauern eine treue Wählerschaft der Union.

SPIEGEL: Elf Länder haben sich gegen Ökomaßnahmen zusammengeschlossen. Ist es nicht zu einfach, Julia Klöckner die Schuld zuzuschieben?

Häusling: Es gehört zur Wahrheit dazu, dass viele europäischen Länder in Sachen Umwelt keine Ambitionen haben. Aber Deutschland ist der größte Beitragszahler. Wenn der Wille da wäre, die GAP ökologischer zu gestalten, wären die Chancen gut, das durchzubringen. Deutschland hätte genügend Macht, um eine andere Verteilung der Gelder durchzusetzen.

SPIEGEL: Die Laufzeit der jetzigen GAP wurde gerade verlängert. Warum muss bereits jetzt über die Reform abgestimmt werden, obwohl die neue EU-Zielrichtung noch gar nicht eingebaut ist?

Häusling: Die Eile, mit der jetzt vorgegangen wird, ist nicht nachvollziehbar. Wir haben eine zweijährige Übergangszeit. Mein Verdacht ist, dass Julia Klöckner die neuen GAP-Regeln auch gerne vor der Bundestagswahl festzurren will. Damit eine grüner Agrarminister*in, sollte einer ans Ruder kommen, nicht mehr viel ändern kann.

SPIEGEL: Das bedeutet, dass es bis 2027 keine Verbesserungen bei der Ökologisierung der Landwirtschaft geben kann, egal, wer an der Macht ist?

Häusling: In den vorliegenden Vorschlägen sind die meisten ökologischen Maßnahmen freiwillig. Dochwas eigentlich negativ ist, kann sich auch positiv auswirken: Dass den Mitgliedsländern erheblich höhere Spielräume eingeräumt werden sollen bei der Verteilung der Gelder. Wofür das Geld der Agrarpolitik in Deutschland überhaupt verwendet wird, wird ein großes Thema im nächsten Bundestagswahlkampf. Die Akzeptanz der Bürger wird sinken, wenn der größte Teil ihrer Steuergelder in einen Bereich fließt, der nicht einmal die selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele einhält.

SPIEGEL: Corona hat auch die Landwirte schwer gebeutelt. Der Bauernverband argumentiert, dass wegen der Versorgungssicherheit die Direktzahlungen unverändert bleiben sollen. Haben Sie kein Herz für die Nöte der Bauern?

Häusling: Es sind nicht die Bauern, die von der GAP profitieren. Wir haben in den letzten 20 Jahren die Hälfte der Landwirte verloren. Im Grunde profitiert nur die Ernährungsindustrie, die auf billige Nahrungsmittel setzt, und die Agrochemie. Die Ökobauern haben übrigens nicht so unter Corona gelitten, denn die Nachfrage nach regionalen und vor allem Biolebensmitteln stieg an.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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