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Quelle: https://www.hna.de/lokales/fritzlar-homberg/bad-zwesten-ort73035/land-und-forstwirte-beklagen-schaeden-durch-rotwild-90069726.html

Autorin: Claudia Brandau / Fritzlar-Homberger Allgemeine (HNA) vom 16. Okt 2020

 

Abgefressene Felder und zerstörte Buchenbestände und keine Chance auf Waldverjüngung – im Wald bei Oberurff richten große Rudel von Rotwild immense Schäden an.

 

Als Martin Häusling neulich von seiner Terrasse auf die Felder vorm Wald bei Oberurff schaute, traute er seinen Augen nicht: Dutzende Hirsche schritten dort auf der Suche nach Futter in aller Seelenruhe über die Äcker. Häusling nahm die Kamera, um das Rudel zu filmen: 70 Tiere fressen da das Futter weg, das doch eigentlich für Häuslings Kühe gedacht war. „Ohne Video hätte mir doch niemand geglaubt“, sagt der Bio-Landwirt.

Heinrich Haupt aber hätte ihm aufs Wort geglaubt. Der Vorsitzende der Waldinteressentenschaft Bad Zwesten weiß selbst um die Konsequenz des beständig steigenden Rotwilds in den Wäldern rund um Bad Zwesten. „Wald und Wild sind längst völlig aus dem Gleichgewicht“, sagt er und beschreibt, wie die Tiere die Baumbestände ruinieren, indem sie die Bäume auf Fresshöhe rundum schälen. Früher waren es Fichten, seitdem die wegsterben, schmecken den Hirschen auch die Buchen. Die aber, sagt Heinrich Haupt, werden sich vom Verbiss nicht mehr erholen und eingehen.

Für die betroffenen Förster, Waldbesitzer und Bauern steht der Grund fest, warum sich ausgerechnet in diesem Bereich des 55 000 Hektar großen Rotwildgebietes so unglaublich viele Hirsche tummeln: Der Jagdpächter, so ihr Vorwurf, füttere die Tiere. Es gibt Fotos aus diesen Tagen, die Zuckerrüben und Trester im Wald zeigen – beides Dinge, die Hirschen gut schmecken.

Schäden, weil das Wild das Territorium nicht verlassen muss

Normalerweise wandern Hirsche – doch im Wald bei Oberurff scheinen solch ideale Bedingungen zu herrschen, dass kein Grund fürs Wild besteht, das Territorium wieder zu verlassen, was es normalerweise täte, sagt Ulrich Gerhold, stellvertretender Leiter des Forstamts Jesberg. Auch er spricht von einer auffälligen Häufung der Tiere und von langfristigen Schäden an den Bäumen. Was können Waldbesitzer tun, um die Bestände zu schützen? Ein Umzäunen ist zu teuer, kommt allein aus Kostengründen nicht in Frage, doch sind Lösungen gefordert: Zur anhaltenden Trockenheit kommen die Schälschäden als weitere Störfaktoren. „Das ist katastrophal für den Wald und die neuen Baumgenerationen.“

„Das große Wildaufkommen sorgt dafür, dass es keine Nachhaltigkeit mehr gibt“, sagt Bernd Seebert von der Waldgemeinschaft Urffer Keller. Förster Ulrich Gerhold spricht gar von einem echten „Schadens-Hotspot“.

Erst vor Kurzem habe die Untere Jagdbehörde des Landkreises deshalb für diesen Bereich einen Mindestabschuss von 24 Stück Rotwild bis Ende des Jahres festgesetzt. Denn die Bilder der Wärmebildkameras hätten gezeigt, dass die Wildbestände in diesem Bereich noch viel größer seien als alle Rückrechnungen und Schätzungen.

Für Heinrich Haupt gibt es gleich zwei Gründe für die außerordentlich hohe Konzentration des Rotwilds, die sonst in keinem anderen Waldbereich in der Region zu finden sei: „Das Wild wird zum einen künstlich am Ort gehalten, indem es gefüttert wird. Zum anderen werden viel zu wenige Tiere geschossen.“ Allein schon jetzt zögen 50 Tiere durchs Urfftal: „Die werden bei der Futtersuche im Winter riesige Schäden anrichten.“ Ulrich Gerhold bezeichnet das Thema als „massive Problematik“. Eine, bei der dringend geklärt werden müsse, was mehr Priorität habe: das Wild oder der Wald.

Kreis untersagt das Füttern von Wild

Der Schwalm-Eder-Kreis hat jetzt die Wildfütterung in den Eigenjagdbezirken der Waldinteressenten Niederurff und Oberurff-Schiffelborn untersagt.

Der Unteren Jagdbehörde sei angezeigt worden, dass es in bestimmten Bereichen des Rotwildgebiets zu Verstößen gegen das Futterverbot gekommen sein soll, sagt Erster Kreisbeigeordneter Jürgen Kaufmann. Das würde das massive Aufkommen von Rotwild erklären, das auch in den Nachbarrevieren Schäden anrichte. Deshalb habe der Kreis die Abschusszahlen nachjustiert: Nun dürften zusätzlich zum Abschussplan zwei Dutzend weitere Tiere zur Strecke gebracht werden. „Dann schauen wir, wie sich die Schäden entwickeln.“

Der Kreis schreite nach Recht und Gesetz ein, untersage das Füttern und fordere den Pächter auf, auch die Futterbehälter zu entfernen. In Zeiten, in denen Privatwaldbesitzer, Land- und Forstwirte, ohnehin unter dem Klimawandel litten, seien weitere Schälschäden nicht zu verantworten.

Das sagt der Kreisjagdberater: Fingerspitzengefühl ist gefragt

Die Schälschäden bei Oberurff seien so groß, weil das Wild neben zunehmenden Störungen in seinem Lebensraum auch unter den witterungsbedingten Kalamitäten leide, sagt Kreisjagdberater Werner Wittich.

In diesen heißen und trockenen Jahren mangele es an Klee, Gräser, Farnen, Beeren. Das Wild suche sich andere Nahrung: „Die Baumrinde und die Knospen junger Bäume sind da ein gefundenes Fressen.“ Das Füttern könne die Untere Jagdbehörde in Absprache mit der Veterinärverwaltung in Notzeiten erlauben. Aber nur die Behörde dürfe festlegen, wann Not herrsche: Das könnten sowohl Schneemassen als auch Waldbrände sein – also extremen Situationen. Das Gesetz mache nur eine Ausnahme, indem es Jagdausübungsberechtigten erlaube, Raufutter wie Heu für wiederkäuendes Schalenwild auszubringen.

Das viele Wild, das sich bei Oberurff tummele, belaste den Wald grundsätzlich massiv. Der Wildverbiss störe die Erneuerung des Waldes, viele Baumarten können sich ungeschützt nicht mehr verjüngen. Ziel des Jagdgesetzes und der Abschusszahlen sei es, ein gesundes Verhältnis zwischen Wald und Wild zu ermöglichen: „Wir haben in Deutschland keine Natur-, sondern eine Kulturlandschaft.“ Die Untere Jagdbehörde lege im Frühjahr die Abschussquote fest und passe sie nach Bedarf und nach guter Begründung an. Der Pächter müsse bis Ende der Jagdzeit oder einer vorgegebenen Frist die neuen Vorgaben zwingend umsetzen.

Generell obläge Jagdpächtern große Verpflichtung und Verantwortung. „Jäger, Förster, Landwirte müssen zusammen arbeiten - und das erfordert großes gegenseitiges Verständnis und Fingerspitzengefühl.“

Wildfütterung: Jagdpächter wehrt sich gegen Vorwürfe

Jagdpächter Klaus Gill bestreitet den Vorwurf, dass er eine Wildfütterung vornehme: „Das ist Schwachsinn.“ Im Revier gebe es zwei Vorratsbehälter für Notfälle – und eine Lagerung sei nicht verboten. Zudem habe erst eine Prüfung ergeben, dass keine Schälschäden vorlägen. Beim Streit gehe es vor allem um Schäden an landwirtschaftlichen Flächen. Im Gebiet gebe es so viel Wild, weil Zuwachs aus dem Naturpark Kellerwald hineinrücke. Dass das auf der Suche nach Nahrung auch auf Feldern unterwegs sei, wundere ihn nicht: „Es regnet nicht! Die Hälfte des Waldes ist kaputt, das Wild findet dort nichts zu Fressen, es zieht raus auf die grüne Fläche.“

Schon jetzt zahle er eine „horrende Wildschadenpauschale“ – also einen Betrag, der Schäden ausgleicht. Seit dem Beginn der Jagdzeit im August habe er 14 Tiere erlegt, einen hohen Prozentsatz der Vorgabe also bereits erfüllt. Zudem sei er nicht allein für den Bereich zuständig. Er ist erstaunt, dass sich bislang keine anderen Waldinteressentenschaften beschwert haben. Im Übrigen behalte er sich vor, juristisch gegen die Vorwürfe vorzugehen. 

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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