Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/klimaschutz-ohne-bauern-die-eu-zaudert-bei-der-agrarreform.724.de.html
Autor: Benjamin Dierks vom 20. Mrz 2020 im Dlf

 

Die Europäische Union soll bis 2050 klimaneutral werden kann. Als wichtigen Teil ihrer Strategie hat die EU-Kommission deshalb ein neues Klimagesetz auf den Weg gebracht. Was jedoch bisher unter dem Radar mitläuft, ist die Agrarpolitik der EU.

Kaum eine Bühne hat die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in den vergangenen Monaten erklommen, ohne ihn zu beschwören, ihren Green Deal, ihr grünes Abkommen für ein klimaneutrales Europa bis 2050, das sie zur Mission ihrer Präsidentschaft erkoren hat, zu ihrem Markenkern. So eine Botschaft muss eingehämmert werden, damit sie verfängt. Und Ursula von der Leyen war von Beginn an nicht verlegen, den ganz großen Vergleich zu suchen.

„This is Europe’s ‚man on the moon‘-moment.“

Der Green Deal werde für Europa so bahnbrechend wie die ersten Schritte auf dem Mond sein, versprach von der Leyen vollmundig. Das ist gut drei Monate her und so langsam muss sich ihr Höhenflug an der Realität messen lassen. Und da mag man von der Mondlandung träumen, sollte aber zunächst etwas Bodenhaftung behalten, denn unter anderem um den Boden wird es gehen müssen in einer klima- und umweltfreundlichen EU, genauer gesagt um Europas Ackerböden.

Die Landwirtschaft ist eine der Hauptemittenten von Treibhausgasen in der Staatengemeinschaft und sie bietet gemeinsam mit der Forstwirtschaft als einziger Sektor die Chance, Kohlenstoff zu binden. Ob die Europäische Union eines Tages klimaneutral wirtschaften kann, wird deshalb zu einem großen Teil davon abhängen, wie Bauern ihre Felder bestellen, düngen, ernten, wie sie ihr Vieh halten, für wen sie in erster Linie produzieren und wofür sie Subventionen aus Brüssel erhalten. Wenn Europa grüner werden wolle, müsse auch die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union grüner werden, sagt Martin Häusling, der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament.

„Eigentlich haben wir uns ja gefreut, dass Frau von der Leyen das Thema aufgreift, auch in der Breite aufgreift, aber völlig unverständlich ist, warum der Agrarbereich da gar nicht vorkommt oder sehr stiefmütterlich behandelt wird, denn es ist klar: es wird einen Green Deal, wenn er wirklich gesamtumfassend sein soll, auch nur geben mit einer Reform der europäischen Agrarpolitik.“

Die gemeinsame europäische Agrarpolitik, abgekürzt GAP, legt vor allem fest, wer unter den europäischen Landwirten wie viele Zuschüsse erhält. 60 Milliarden Euro werden jedes Jahr an Bauern verteilt, ein Drittel des gesamten EU-Haushalts. Rund ein Zehntel davon, etwa sechs Milliarden Euro, floss bislang nach Deutschland. Mit dem Geld ließen sich viele Anreize schaffen für eine ökologische Landwirtschaft. Bisher aber richten sich die Subventionen vor allem nach der Größe der bewirtschafteten Flächen. Pro Hektar erhält ein Betrieb 250 bis 300 Euro, unabhängig davon, was auf diesem Land geschieht.

Auch viele Bäuerinnen und Bauern fordern ein Ende dieser Politik. Als im Januar Landwirte anlässlich der Berliner Agrarministerkonferenz in die Hauptstadt zogen, richtete sich ihr Protest auch gegen die seit Jahren stockende Landwirtschaftspolitik der EU.

„Wir sollten diese Steuergelder endlich im Sinne der Gesellschaft, also im Sinne von uns allen ausgeben. Wir sollten die Bundesregierung auffordern, endlich zu handeln und die GAP als wichtigstes Instrument zu nutzen, um unser Klima zu schützen und unsere Bauernhöfe zu erhalten. Wir alle brauchen eine starke europäische Agrarpolitik“, sagte Elisabeth Fresen, die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die vor allem kleine und mittlere Höfe vertritt.

 

Weit hinter den nötigen Reformschritten

In von der Leyens Plänen für einen Green Deal spielt allerdings die Agrarpolitik bislang nur eine Nebenrolle. Derzeit wird zwar wieder einmal über eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik beraten, einen Vorschlag dafür hat die Kommission bereits unter von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker gemacht. Die Pläne blieben jedoch weit hinter den nötigen Reformschritten zurück, bemängelt der Agrarökonom Sebastian Lakner, Professor an der Universität Rostock.

„Ursula von der Leyen hat einfach ein Thema sehr stark in den Vordergrund gestellt, das große gesellschaftliche Relevanz hat. Insofern hat sie da, glaube ich, erst einmal eine Menge richtig gemacht. Nur hat sie natürlich als Kommissionspräsidentin die Schwierigkeit, dass sie nicht sagen kann, diesen Reformentwurf, den ziehen wir zurück. Das heißt: Sie musste erst mal mit diesem Reformentwurf arbeiten. Das ist natürlich eine schwierige Situation, denn der Reformentwurf ist so, dass er zwar hehre Ziele formuliert, aber es ist natürlich damit keineswegs gesagt, dass wir mit der GAP-Reform sehr viel Klimaschutz kriegen werden.“

Lakner hat die Reformpläne gemeinsam mit Kollegen der Uni Rostock sowie mit Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung untersucht. Das Urteil: nicht zukunftsfähig. Der Reformentwurf beinhalte vollmundige Absichtserklärungen, sage aber wenig darüber, wie sie erreicht werden sollten.

„Beispielsweise die Aussage, dass nach der Reform 40 Prozent der Ausgaben der GAP klimarelevant seien, was in der Fachwelt eigentlich für ziemliches Kopfschütteln gesorgt hat, weil wir de facto feststellen: Im Moment geben wir für den gesamten Bereich Umwelt, wenn wir es wirklich sehr weit fassen, 18 Prozent der Ausgaben aus.“

Bereits seit Herbst 2017 ringen Kommission, Parlamentarier, Mitgliedsstaaten und Lobbyisten in Brüssel vor und hinter den Kulissen um die Modernisierung der europäischen Agrarpolitik. Kommissions-Vize Frans Timmermans, maßgeblich mit der Umsetzung des Grünen Deals betraut, hat einige Änderungen für die Landwirtschaft in Gang gebracht: Die sogenannte Farm-to-Fork-Strategie soll die Lieferkette von den Erzeugern bis zu den Verbrauchern verbessern, auch indem sie den Einsatz von Pestiziden und Dünger reduziert. Wegen der Probleme mit dem Corona-Virus hat die Kommission deren für kommende Woche geplante Vorstellung aber verschoben. Auch eine aktualisierte Strategie für mehr Biodiversität wurde verschoben. In den politischen Prioritäten, die sich die Kommission jedes Jahr setzt, taucht die Landwirtschaft nicht auf. Das bedauern auch Parteifreunde der neuen Kommissions-Chefin. Der CDU-Politiker Norbert Lins ist Vorsitzender des Agrarausschusses im EU-Parlament.

„Also, ich hätte mir gewünscht, dass die Europäische Kommission das als Priorität gesetzt hätte, weil es ja nicht nur um die Emissionen der Landwirtschaft geht, also Lachgas- und Methanemissionen, das sind ja die Hauptemissionen der Landwirtschaft. Aber auf der anderen Seite ist ja die Landwirtschaft der einzige Sektor, der in der Lage ist, Kohlenstoff zu binden und damit in der Lage ist, das Klima zu schützen. Das ist insbesondere der Wald, aber das ist natürlich auch Grünland und auch Ackerland, weil die Humusbildung eben zur Kohlenstoffbindung beiträgt.“

Derzeit debattieren die Abgeordneten des EU-Parlaments den Reformvorschlag der alten EU-Kommission. Wenn der momentane Stillstand durch das Corona-Virus nicht alle Zeitpläne in Brüssel durcheinander bringt, sei das Ziel, bis Juni eine gemeinsame Position des Parlaments zur GAP-Reform zu finden, um dann mit Kommission und Mitgliedsstaaten verhandeln zu können, sagt Norbert Lins. An den Abstimmungen im EU-Parlament sind erstmals sowohl der Agrar- als auch der Umweltausschuss beteiligt.

„Es ist wichtig, dass wir im Bereich Umwelt, insbesondere Artenvielfalt und im Bereich Klimaschutz zu einem höheren Beitrag kommen und deswegen brauchen wir da Instrumente innerhalb der Agrarpolitik, die teilweise schon da sind und ausgebaut werden müssen, aber auch neue Instrumente, ich darf da insbesondere den Vorschlag der Kommission mit den so genannten Eco-Schemes nennen, die zukünftig einen großen Beitrag leisten sollen zu mehr Artenvielfalt und auch mehr Klimaschutz.“

Diese Eco-Schemes, was auf Deutsch so viel wie Öko-Programme bedeutet, sind das jüngste in einer Reihe an Instrumenten, mit denen die EU-Agrarpolitik nicht nur Landwirte pauschal bezuschussen, sondern auch Umweltmaßnahmen fördern will. Die Agrarpolitik ist in zwei Bereiche geteilt, die im Brüsseler Bürokratendeutsch Säulen genannt werden. Die erste Säule regelt die Direktzahlungen an die Landwirte. Die zweite beinhaltet die Agrarumweltprogramme, die gezielt umwelt- und klimafreundliche Anstrengungen der Bauern finanziell belohnen. Dazu zählen etwa Tierschutzleistungen oder die Förderung des Ökolandbaus. Um es noch komplizierter zu machen, gibt es auch in der ersten Säule Geld für umweltbewusste Landwirte. Das sollen künftig die so genannten Eco-Schemes regeln. Die Mitgliedsländer sollen entscheiden können, welche Maßnahmen wie etwa Blühstreifen, extensive Beweidung oder eine vielfältige Fruchtfolge belohnt werden. Und die Landwirte sollen von Jahr zu Jahr entscheiden können, ob sie daran teilnehmen wollen — ein Modell, das der einflussreiche Deutsche Bauernverband begrüßt:

„Wir finden den Gedanken, jetzt in der Agrarförderung einfache zusätzliche jährliche Agrarumweltmaßnahmen einzubauen, darum geht es, eine gute Sache. Wir haben im Januar auch einen eigenen Vorschlag dazu vorgelegt, wie man das machen kann“, sagt Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Bauernverbands, der im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sitzt, einem Beratergremium der EU. Er glaubt, dass diese kurzzeitigen freiwilligen Programme die Breite der deutschen Landwirte ansprechen könnte. Dass die Programme freiwillig sein sollen, findet auch Agrarökonom Sebastian Lakner von der Uni Rostock sinnvoll.

 

Kritik an Eco-Schemes

„Weil dann die Betriebe auch überlegen können: Passt das zu meinem Betrieb? Kann ich das machen, ohne dass sich meine Wettbewerbssituation völlig verschlechtert. Und wenn ein Betrieb sich freiwillig für eine solche Maßnahmen entscheidet, dann können wir auch davon ausgehen, dass sich ein Betrieb, Betriebsleiter und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie sozusagen dann motiviert sind, eine solche Maßnahme umzusetzen. Das ist der Vorteil von freiwilligen Maßnahmen.“

Weniger überzeugt ist der Experte von der kurzen Dauer der Eco-Schemes.

„Das heißt Betriebe können da rein- und rausgehen. Wenn wir uns das Charakteristikum von Klimamaßnahmen angucken, dann muss man Klimamaßnahmen über einen längeren Zeitraum, also vielleicht 10 bis 20 Jahre betreiben, aber nicht jedes Jahr neu. Und dann muss man auch definieren, welche Maßnahmen über die Eco-Schemes finanziert werden müssen, auch das hat die Kommission nicht getan, sondern die Kommission hat vielmehr gesagt, die Mitgliedsstaaten sollen sich überlegen, was sie hier machen. Dann kann man sagen, naja, das ist vielleicht mal eine schöne Idee, um was auszuprobieren, aber davon werden wir nicht die Klimabilanz groß verändern.“

Gestritten wird in Brüssel derzeit vor allem darüber, ob die EU-Staaten ein bestimmtes Mindestbudget für die Eco-Schemes reservieren müssen. Im Entwurf der EU-Kommission ist das nicht vorgesehen. Die beteiligten Ausschüsse des Europaparlaments fordern allerdings schon eine Mindestgröße. Der Agrarausschuss schlägt vor, dass aus dem Topf für Direktzahlungen ein Budgetanteil von 20 Prozent für die Eco-Schemes verwendet wird. Der Umweltausschuss fordert 30 Prozent. Martin Häusling, dem agrarpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, gehen die Pläne nicht weit genug.

„Langfristig müssten wir doch 100 Prozent der Ausgaben grün machen und nicht nur 20 oder 30 Prozent, denn wenn es so bleibt wie in dem Entwurf, dann geben wir 60 bis 70 Prozent des Geldes einfach aus, weil jemand einen Hektar besitzt und nicht, weil er so tolle Umweltleistungen macht. Und das andere Problem bei der ganzen Geschichte ist: Wir geben es den Mitgliedsländern an die Hand, diese 20 bis 30 Prozent nach ihrem Gusto auszugeben für Umweltleistungen. Mein Vertrauen ist gering, muss ich ehrlicherweise gestehen, dass die Mitgliedsländer an dieses Thema sehr ambitioniert herangehen, sondern wir eher in der Gefahr stehen, dass Umweltstandards in vielen Ländern sogar noch abgesenkt werden, um die eigenen Landwirte quasi in einen Wettbewerbsvorteil zu bringen.“

Schwierige Verhandlungen mit einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten befürchtet auch Sebastain Lakner von der Universität Rostock. Die Chance auf grundlegende Reformen der Agrarpolitik sei durch den Austritt Großbritanniens aus der EU womöglich noch schwieriger geworden.

„Einer der großen Player im Rat ist raus. Das hat auch die Seite der eher liberalen, reformorientierten Mitgliedsstaaten geschwächt. Auf der anderen Seite haben wir weiterhin die Südeuropäer und die Osteuropäer, die ihre sehr spezifischen Interessen einbringen und manchmal von Agrarumweltpolitik eher weniger was wissen wollen.“

Bislang rätseln die Agrarexperten, welche Position die Bundesregierung einnehmen wird. Kritiker werfen Bundeskanzleramt und Landwirtschaftsministerium vor, dass sie sich zu bedeckt hielten. Die Zurückhaltung liegt aber auch daran, dass Deutschland in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft der EU übernehmen wird. Dann sollen nach bisherigem Plan die Abstimmungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten beginnen.

„Die Bundesregierung, der kommt jetzt noch viel stärker die Rolle zu, diese verschiedenen Interessen zu moderieren im Rat“, sagt Sebastian Lakner.

Dass die Landwirtschaft grüner werden müsse, fordern nicht nur Ökologen. Das geht auch dem Bauernverband und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner leicht über die Lippen. Nur wie das aussehen soll, ist umstritten. Versuche wie ein mit der Industrie geplantes freiwilliges Tierwohllabel halten Kritiker für wirkungslos oder gar schädlich. Agrarministerin Klöckner stimmt zwar zu, dass mehr Leistungen für die Umwelt auch mehr Geld für die Bauern bedeuten solle. Woher das Geld kommen soll, lässt sie aber offen und appelliert auch an die Verbraucher, mehr Wertschätzung zu zeigen:

„Wichtig ist, dass für die ökologischen Maßnahmen, also den Mehraufwand, es auch ökonomischen Ausgleich gibt. Und da sind am Ende wir alle gefragt. Denn wir haben hohe Erwartungen an die Landwirtschaft, auch als Verbraucher. Aber häufig passen die Erlöse nicht dazu. Und insofern müssen wir das zusammenkriegen und uns auch selbst fragen, was sind uns gute Nahrungsmittel wert in unserem Land.“

 

Politik müsse für nötigen finanziellen Ausgleich sorgen

Kritiker halten es allerdings für illusorisch, an die bessere Zahlungsmoral der Verbraucherinnen und Verbraucher zu appellieren. Bessere Vermarktung von nachhaltig und regional produzierten Gütern biete zwar Chancen, sagt Peter Röhrig, Geschäftsführer vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, kurz BÖLW. Wenn der Markt aber höhere Bemühungen für Umwelt und Gesellschaft nicht honoriere, müsse die Politik für den nötigen finanziellen Ausgleich sorgen. Rund 70 Prozent der Landwirtschaftsförderung insgesamt sollten mittelfristig für Umweltprogramme ausgegeben werden, fordert der BÖLW. Röhrig kritisiert, dass die Mittel dafür nach dem bisherigen Reformvorschlag aber eher gekürzt werden sollten.

„Die Landwirte brauchen Kontinuität und brauchen einen verlässlichen Rahmen, insbesondere in dem Bereich, der diese Umweltleistungen honoriert, die zweite Säule. Dann stellen sie sich auch darauf ein. Es ist überhaupt nicht verständlich, warum diese Leistungen jetzt gekürzt werden und im anderen Bereich, der eigentlich eher für ein Scheitern der Agrarpolitik steht, die erste Säule, die Zahlungen auf die Fläche, dass das vergleichsweise stabil gehalten werden soll. Das versteht niemand.“

Die Subventionen für die Landwirtschaft sollen in der langfristigen Finanzplanung der EU für die kommenden sieben Jahre gekürzt werden, weil mit Großbritannien einer der größten Beitragszahler der EU weggefallen ist. Auf Kritik stößt, dass die Agrarumweltmaßnahmen stärker zurückgefahren werden sollen als die Direktzahlungen an die Landwirte, die sich nach der Größe der bewirtschafteten Fläche richten. Auch der Deutsche Bauernverband, der eher die konventionellen Landwirte vertritt, forderte, dass die geplanten Ausgaben für die Umweltmaßnahmen wieder angehoben werden. Ausgaben für Direktzahlungen und Umweltmaßnahmen sollten sich die Waage halten, sagte der stellvertretende Generalsekretär Udo Hemmerling. Der Forderung, die Subventionen stärker oder ausschließlich an Umwelt- und Klimaschutz zu koppeln, erteilte er eine Absage:

„Die gesamte Agrarförderung zu einem Umweltprogramm umzustellen, das wird es nicht geben, und zwar nicht, weil der Bauernverband in erster Linie dagegen ist, sondern weil in Europa die Mehrheitsverhältnisse andere sind. Also diese Erwartungen einer Komplettrevision der Agrarförderung, das ist einfach Illusion. Und es ist auch nicht nötig, weil die Agrarförderung war immer dann besonders gut, wenn sie verschiedene Anliegen an die Landwirtschaft zusammengebracht hat.“

Wenn in Sachen Klima- und Umweltschutz höhere Anforderungen an die Landwirte gestellt werden sollten, müsse im Gegenzug darauf geachtet werden, dass sie weiterhin im internationalen Wettbewerb mithalten könnten, sagte Hemmerling. Denn dann müssten sie gegen Produzenten außerhalb Europas antreten, die womöglich nicht so hohen Standards genügen müssten und somit günstiger produzieren könnten. Dagegen müssten sie mit Einfuhrbeschränkungen oder Zöllen in Schutz genommen werden:

„Wenn unsere Landwirte mehr leisten für Biodiversität, für Tierwohl, für Ressourcenschutz, und das wirklich auch im Verhältnis zu Handelspartnern wie USA oder Südamerika abgesichert ist, dann können wir auch die Direktzahlungen schrittweise wieder zurücknehmen oder für weitere spezielle Umweltleistungen gewähren. Das hieße im Grunde, dass man eine ganz andere Handelspolitik führt, dass man ganz andere Freihandelsabkommen verhandelt.“

Immerhin hier gibt es Einigkeit zwischen den Verfechtern des ökologischen Landbaus und den Vertretern der konventionellen Landwirtschaft. Mehr Außenschutz für europäische Bäuerinnen und Bauern nämlich wollen beide.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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