Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://www.fr.de/meinung/eu-agrarpolitik-bruessel-bauern-keinen-gefallen-12886865.html

Gastbeitrag von Martin Häusling am 5. August 2019

 

Die EU-Agrarpolitik wird von den ewig Gestrigen bestimmt – zum Schaden der Umwelt, aber auch der Landwirte. Der Gastbeitrag von Martin Häusling, Biobauer und agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.

Hauptergebnis der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) 2013 war das in den Verhandlungen schwer umkämpfte sogenannte „Greening“, welches die landwirtschaftliche Praxis etwas nachhaltiger machen sollte. Seit der Einführung haben allerdings viele Gutachten und Studien belegt, dass diese Maßnahmen nicht viel für den Klima-, Arten- und Ressourcenschutz bringen. Zu nennen wären das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Agrarministeriums im April 2018 und die Kritik durch den Europäischen Rechnungshof 2018. Die Analysen belegen zudem, dass die angeblich einkommenstabilisierende Funktion der Zahlungen den Landwirten weder einen angemessenen Lebensstandard sichern noch das Aufgeben vieler Betriebe aufhalten kann. Auch die öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission zur GAP ergab, dass die europäische Zivilgesellschaft deutlich mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz als wichtige Pfeiler einer erneuerten GAP sehen möchte.

Was die EU-Kommission dann Ende 2017 für die aktuelle GAP-Reform vorgelegt hat, war eindeutig nicht zufriedenstellend. Trotz grüner Rhetorik und einer angeblich „grünen Architektur“ nahm der Vorschlag weder die wissenschaftlichen Empfehlungen auf noch die Wünsche der Europäer ernst. Denn erstens sollen die Mitgliedstaaten jetzt alles selber entscheiden, was zu einer Renationalisierung und zu einem Unterbietungswettbewerb bei Umweltauflagen führen wird. Und zweitens ist schlicht nichts konkret vorgegeben, nichts definiert, nichts verbindlich. Auch das aktuell veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim BMEL zur effektiven Gestaltung der Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik äußert die Befürchtung, dass ein Unterbietungswettlauf die Folge sein könnte.

Ausschuss ignoriert Empfehlungen der Wissenschaft

Während der Umweltausschuss im Europäischen Parlament mit seiner Stellungnahme noch versucht hat, verbindliche Ziele und Vorgaben bezüglich ökologischer Mindeststandards einzuführen, haben sich im Beschluss des Agrarausschusses leider die ewig Gestrigen durchgesetzt. Die Beschlüsse verwässern den Kommissionsvorschlag noch einmal. Der Ausschuss ignoriert damit völlig die Empfehlungen aus der Wissenschaft, die hier in den Sitzungen der letzten Jahre ausführlich diskutiert wurden. Es kann also niemand sagen, er hätte es nicht gewusst.

Die in der vergangenen Legislatur beschlossene Position des Agrarausschusses, die nach Ansicht der Grünen-Fraktion dringend noch einmal auf den Prüfstand kommen muss, beinhaltet unter anderem, dass 60 Prozent der Zahlungen weiterhin ohne jegliche ökologische Auflagen getätigt werden. Auch soll es nur ein sehr niedriges Budget für ökologische Leistungen geben – inhaltlich und finanziell weniger als das bestehende „Greening“ – und diese sollen auch nicht verbindlich sein. Sogar die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen für den Erhalt von Direktzahlungen sollen verwässert werden. Weit und breit keine Maßnahmen in Sicht, die zum Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität beitragen, wie beispielsweise die Erhaltung von Dauergrünland, Torfgebieten und ökologischen Vorrangflächen. Darüber hinaus ist keinerlei Anpassung oder Kappung der Zahlungen bei Großbetrieben geplant. Eine gerechtere EU-weite Angleichung der GAP-Mittel für die Länder, die aktuell noch deutlich weniger bekommen, wurde ebenfalls abgelehnt.

Damit tut man den Bauern keinen Gefallen

Eine derart rückwärtsgewandte Agrarpolitik ist absolut nicht mehr zeitgemäß. Damit tut man den Bauern in Europa auf mittlere Sicht auch keinen Gefallen, denn man bereitet sie nicht auf die aktuellen Herausforderungen der Zukunft vor. Außerdem nimmt man den Agrarzahlungen so jegliche zivilgesellschaftliche Akzeptanz. Das können wir Grüne im Europaparlament nicht mittragen. Wir fordern die frisch gewählte Kommissionspräsidentin von der Leyen auf, sich für einen neuen Vorschlag zur Agrarpolitik einzusetzen.

Dieser sollte konsequent den ökologischen Landbau als Leitbild festlegen und für die Zeit der Transformation eine Bindung der Zahlungen an hohe Umwelt- und Tierschutzstandards verbindlich vorgeben, so wie es auch der Beirat für Agrarpolitik beim BMEL in seinem Gutachten fordert. Eine konsequente Förderung zukunftsorientierter Betriebe muss dem Schwund von Betrieben Einhalt gebieten. Es wäre tragisch, den Schatz europäischer kultureller landwirtschaftlicher Vielfalt weiterhin auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit für den Weltmarkt zu opfern. Europäische Landwirtschaft kann in einem unfairen Wettbewerb mit nord- und südamerikanischen Großbetrieben, die keine Rücksicht auf Umwelt nehmen, nicht bestehen. Landwirtschaft lässt sich nicht globalisieren.

Martin Häusling ist Biobauer und agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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