Grüne Europagruppe Grüne EFA

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bienen-pestizide-leitlinie-1.4526797

Autorin: Silvia Liebrich in Süddeutsche Zeitung vom 16. Juli 2019

 

  • Beim Bienen- und Insektenschutz zeichnet sich auf politischer Ebene ein Rückschritt ab.
  • Grund für die Besorgnis von Umweltschützern und Bienenzüchtern ist eine Abstimmung der Mitgliedsländer über eine sogenannte Bienenleitlinie, die an diesem Mittwoch ansteht.
  • Der Regelkatalog ist entscheidend für die künftige Zulassung von Pestiziden.
 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat sich den Schutz der Bienen auf die Fahnen geschrieben. Auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner betont immer wieder, was ihnen schade, müsse vom Acker.

Tatsächlich scheint es beim Bienen- und Insektenschutz auf politischer Ebene aber eher nach dem Motto "ein Schritt vor, zwei Schritte zurück" zu laufen. Das zumindest befürchten Umweltschützer, Bienenzüchter und die Grünen. Grund für die Besorgnis ist eine Abstimmung der Mitgliedsländer über eine sogenannte Bienenleitlinie, die an diesem Mittwoch ansteht. Ein Regelkatalog, der deshalb wichtig ist, weil er für die künftige Zulassung von Pestiziden entscheidend ist.

Kritiker werfen der EU-Kommission vor, sie wolle die Leitlinien auf Druck der Industrie und einiger Länder, darunter auch Deutschland, entschärfen statt verbessern. "Im Wesentlichen wird die EU damit entscheiden, dass sie die strengen Prüfstandards, die zum Verbot von drei Neo- nicotinoiden geführt haben, nie wieder anwenden wird", befürchtet Greenpeace-Expertin Franziska Achterberg.

Einige Pestizide wurden nach einem massenhaften Bienensterben verboten

Mittel aus der Gruppe von Neonicotinoiden wurden hierzulande verboten, nachdem sie 2008 am Oberrhein ein massenhaftes Bienensterben auslösten. Pestizidhersteller könnten dank der geplanten Leitlinien weiter Pestizide vermarkten, die genauso gefährlich für Honigbienen sind, ohne dass die EU etwas unternehmen würde, meint Achterberg. Ein Schutz für andere Insekten sei in den Leitlinien erst gar nicht vorgesehen.

"Das ist ein Skandal, der verhindert werden muss" schimpft Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament. "Was wir jetzt dringend brauchen, ist voller Einsatz zur Bewahrung der Biodiversität". Die von der Kommission angeordnete Überarbeitung der Bienenrichtlinien sei ein klarer Versuch, die bisher vorgeschlagenen Standards wieder aufzuweichen, glaubt auch Thomas Radetzki, Bienenzüchter und Gründer der Aurelia-Stiftung zum Schutz von Bienen.

Doch worum geht es genau? Wie sich Pestizide auf Bienen auswirken, wird derzeit in der EU auf Grundlage veralteter Standards entschieden. Eine Reform ist überfällig. Seit 2013 zwar liegt eine umfassende Richtlinie der EU-Zulassungsbehörde Efsa vor. Diese wurde jedoch nie von den Ländern offiziell verabschiedet, weil sie manchen Ländern als zu streng erschien. Auch die Hersteller lehnen sie ab. Die Agrarlobby arbeitet seit Jahren hinter den Kulissen gegen strengere Standards. Die Bundesregierung wendete sie dennoch an, als sie die Neonicotinoide vor ein paar Jahren weitgehend aus dem Verkehr zog.

Kritiker befürchten, dass Langzeitrisiken nicht berücksichtigt werden

Die EU-Kommission steht unter Druck, sie muss endlich eine zustimmungsfähige Regelung vorlegen. Sie hat daher die Efsa im Frühjahr angewiesen, die Richtlinie von 2013 zu überarbeiteten, und zwar so, das alle EU-Länder sie akzeptieren könnten. Umweltschützer und Imker befürchten nun eine Abschwächung der Regeln. So könnten etwa nur akut toxische Wirkungen eine Rolle bei der Risikoeinschätzung spielen, während Langzeitschäden für Honigbienen nicht berücksichtigt werden müssten. Außen vor bleiben dürften bei einer Pestizidprüfung zudem die Risiken für andere Bestäuber und Insekten, so die Befürchtung. Für Umweltschützer verstößt die Kommission damit klar gegen ihr Versprechen, Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten besser zu schützen.

Vytenis Andriukaitis, Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, verteidigt die Pläne in einem Schreiben an EU-Parlamentarier. Alle Versuche, eine neue Bienenrichtlinie in den letzten fünf Jahren einzuführen, seien gescheitert, weil einige Staaten Vorbehalte in Bezug auf die Prüfung von Langzeitwirkungen hätten, heißt es. Die Kommission wolle keinen Vorschlag vorlegen, der erneut abgelehnt werden könnte. Er erwarte aber, dass die neuen Regeln Langzeitwirkungen berücksichtigen sowie den Schutz von Hummeln und Wildbienen.

Dass der neue Vorschlag auch die Zustimmung der Bundesregierung bekommt, gilt als sicher. Agrarministerin Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sind sich in dem Punkt offenbar einig. Die Bedenken der Kritiker weist Klöckner zurück. "Ich bin nicht der Ansicht, dass es das Bestreben der Kommission ist, die Leitlinien der Efsa abzuschwächen", schreibt sie in einem Brief, der der SZ vorliegt. Umweltschützerin Achterberg widerspricht dieser Einschätzung: "Die Pestizidhersteller haben erreicht, dass die Standards, die sie ablehnen, komplett überarbeitet werden. Der Wille der Bürger wird ignoriert."

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen