Grüne Europagruppe Grüne EFA

- auch in Europa arbeiten gut vernetzte Lobbys und Rechtspopulisten daran, das fossile Zeitalter ins 21. Jahrhundert auszudehnen. Und die Szene ist gerade im Aufwind 

 

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Autoren: Susanne Götze und Annika Joeres / 8 Dezember 2018

 

New Orleans ist die Stadt der Katastrophen. Die apokalyptischen Szenen nach dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005 lasten immer noch wie ein Alb über der Metropole im Mississippidelta. Große Teile der amerikanischen Stadt liegen mehr als einen Meter unter dem Meeresspiegel. Hier zählt jeder Millimeter. In den Kanälen plätschert das Wasser auf Kante mit den bunten Südstaatenhäusern und ihren hölzernen Terrassen. Auf der Insel Jean Charles wenige Kilometer südlich mussten viele Bewohner ihre Heimat bereits verlassen - es sind die ersten Klimaflüchtlinge der USA. Das steigende Meer hat ihre Häuser überflutet und Weideflächen unfruchtbar hinterlassen.

Ausgerechnet hier trifft sich im August dieses Jahres die Elite der amerikanischen Klimawandelleugner. Ins Hilton Riverside-Hotel hat das Heartland-Institut zur „American First Energy Conference“ geladen. Die Lobby-Vereinigung verehrt US-Präsident Donald Trump. „Eine Menge Leute glauben, dass fossile Industrien die Erde zerstören - aber ich habe auch eine gute Nachricht: Wir haben Trump!“, ruft der Justizminister des US-Bundesstaates Louisiana, Jeff Landry. Er ist auch Schirmherr der Heartland-Veranstaltung. Das Publikum johlt. Die 300 Gäste frühstücken Kaffee und Toast mit Ahornsirup. Für einen Tisch mit VIP-Bewirtung haben sie 50 000 Dollar bezahlt. Die Vorträge heißen „Warum CO2 keine Klimakrise auslöst“ oder „Die Zukunft mit Kohle, Öl und Gas“.

Heartland geht es um mehr als die Bespaßung seiner Mitglieder. Die Redner halten die Stärkung der Kohle- und Fracking-Industrie für einen patriotischen Akt. Das Institut berät Trump und hat ihm sogar Argumente zum Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen geliefert - mit Erfolg. Die USA werden im Jahr 2020 den von allen Staaten einstimmig beschlossenen UN-Vertrag verlassen. Heartland-Direktor Tim Huelskamp sagt zur SZ: „Wir zerstören das Narrativ der Linken und der UN, dass die fossilen Energien die Welt zerstören - denn nur die fossilen Energien bringen der Welt Frieden.“

Die Zerstörungsfantasien der Leugner reichen bis nach Europa. Zurzeit stehen Vertreter von 192 Staaten der Erde auf der COP24 im polnischen Kattowitz vor einer schwierigen Aufgabe: Sie müssen Regeln finden, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens umzusetzen, die Erwärmung der Erde auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Noch spart kein einziges europäisches Land genug CO2, um den Vertrag zu erfüllen. Auch selbst gesteckte Ziele haben Länder wie Deutschland oder Frankreich bereits verfehlt. Um sie noch zu erreichen, müssten bald drastische Gesetze folgen - etwa Verbote von Inlandsflügen, Quoten für E-Autos, für begrenzten Fleischkonsum, für einen sofortigen Kohleausstieg. Das missfällt vielen Branchen und Lobbygruppen. Ohnehin wollen die meisten Menschen ihr Leben nicht ändern. Die Klimaleugner bieten ihnen Argumente.

In einer monatelangen Recherche hat die Süddeutsche Zeitung Klimaleugner aufgespürt, wo niemand sie vermutet hätte. Die Leugner beraten als Wissenschaftler den Bundestag, sie sitzen als konservative und liberale Abgeordnete im EU-Parlament, sie führen neoliberale Wirtschaftsverbände und beeinflussen die Klimapolitik aller rechtsextremen Parteien in Europa. Ihre Gemeinsamkeit: Sie sind meist Männer über 60 Jahre. Sie sehnen sich nach einer Welt, in der niemand mit Klimagesetzen belästigt wird, sie widersprechen dem wissenschaftlichen Konsens und plädieren für eine ungezügelte Wirtschaft. Und auch sie sind auf der COP24: Zeitgleich zur Konferenz der Diplomaten und Umweltpolitiker der Länder haben Direktoren von Heartland in Kattowitz zusammen mit ihrem deutschen Pendant, dem Europäischen Institut für Klima und Energie (Eike), wieder in ein Viersternehotel eingeladen, um über die Vorzüge fossiler Energie und die angeblichen Lügen des UN-Klimarats IPCC zu sprechen.

Das Eike-Institut hat auch die rechtspopulistische AfD beraten. „Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert“ und „CO2 ist kein Schadstoff“, heißt es im Grundsatzprogramm. Erst im Juli brachte die AfD-Fraktion im Bundestag einen Antrag ein, alle Klimaschutzmaßnahmen sofort zu beenden. Wenige Tage vor der UN-Klimakonferenz in Kattowitz schleuste sie einen Klimaleugner in ein Fachgespräch des Umweltausschusses ein: Der israelische Physiker Nir Shaviv verkündete dort, die Schwankungen der kosmischen Strahlung seien für die Erderwärmung verantwortlich, nicht der CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Sind die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas nicht schuld am Klimawandel, muss der Mensch auch nichts tun. Die anderen Klimaforscher vor dem Ausschuss sahen dem Schauspiel ungläubig zu.

Der Klimawandel ist ein Thema, das Rechtsextreme in Europa zunehmend zusammenschmiedet. Paktierten Parteien wie der französische RN, die italienische Lega Nord oder eben die AfD bislang, um möglichst wenige Flüchtlinge nach Europa zu lassen, versuchen sie nun, gemeinsam den Klimaschutz zu kippen.

Bei den Europawahlen im Mai kommenden Jahres könnte sich die Anzahl der zurzeit 151 rechtspopulistischen Abgeordneten im EU-Parlament deutlich vergrößern - obwohl nach dem Brexit 18 britische Ukip-Vertreter ausscheiden. Der französische Rassemblement National (vormals FN) könnte in Frankreich stärkste Kraft werden, die AfD mit zweistelligen Zahlen einziehen. Bald könnte jeder fünfte Abgeordnete in Brüssel einer rechtsextremen Partei angehören. Diese werden mehr Reden halten, mehr Berichte schreiben und andere Abgeordnete auf ihre Seite ziehen. Laut einer noch unveröffentlichten Studie des Berliner Thinktanks Adelphi stimmt diese Gruppe systematisch gegen alle Gesetze, die klimaschädliche Emissionen reduzieren sollten. Sie wollten weder das Klimaabkommen der Vereinten Nationen ratifizieren noch in diesem Juni CO2-Emissionen von Klein- und Schwerstwagen begrenzen. Auch Gesetze zur Förderung erneuerbarer Energien lehnen die Leugner im Parlament stets ab. Das Thema eignet sich, um Stimmung gegen „die Lügenpresse“ oder „die Elite“ zu machen. „Das Infragestellen von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist ein Muster rechter Parteien“, sagt Alexander Carius, einer der Verfasser der Adelphi-Studie. „Es geht darum, evidenzbasierte Politik völlig auszuhebeln und einfache Antworten zu finden.“

Genauso wie die Rechtspopulisten organisieren sich auch die Klimaleugner mittlerweile über die Landesgrenzen. Zwischen amerikanischen, australischen, kanadischen und europäischen Leugnern herrscht ein reger Austausch. Keine der Organisationen ist im europäischen Lobbyregister verzeichnet - ihre Mitglieder haben als rechtsnationale Abgeordnete oder als Vertreter von Wirtschaftsverbänden Zutritt zu den Parlamenten. Außerdem erlaubt es das europäische Recht Vereinen, ihre Einnahmen zu verschweigen. Eike als gemeinnütziger Verein muss beispielsweise seine Finanzen nicht offenlegen. Die US-Gesetze sind transparenter: Recherchen bei der amerikanischen Steuerbehörde IRS ergaben, dass etwa das Heartland-Institut allein im Jahr 2017 rund 5,9 Millionen Dollar ausgegeben hat. Ein Teil des Geldes kam zumindest im Vorjahr von der Mercer-Foundation, die wiederum Großspender von Trumps Wahlkampf war.

Unter dem Namen „clexit“ - für climate exit - organisieren sich die Leugner weltweit. Ihr Ziel ist der Ausstieg aus dem Weltklimavertrag. Clexit hat eine Webseite, aber kein Impressum, einen Forderungskatalog, aber weder eine Pressestelle noch eine Telefonnummer. Die Mitglieder nutzen ihre eigenen undurchsichtigen Netzwerke. Aber ein Blick in die Daten dieser neuen Gruppe zeigt: Die meisten Mitglieder sind oder waren in fossilen Projekten von Unternehmen oder Universitäten tätig. Zu ihnen gehört der Direktor des niederländischen Dachverbandes der Ölindustrie sowie Ingenieure, die für die Flugindustrie, im Agrobusiness und Kohlebergbau arbeiten.

Eine ebenso dubiose Vereinigung ist der Verein „Independent Committee on Geoethics“ (ICG), der im Jahr 2015 in Prag gegründet wurde. Auch hier gibt es zwar eine Webseite, aber kein Impressum: Finanzierung und Organisationsform bleiben im Dunkeln. Das Komitee sponsert europäische Klimaleugner-Konferenzen, so etwa im September an der Universität in Porto. Zwei Tage lang tagten die Klimaleugner an der portugiesischen Westküste. Die Frage, was das „International Committee on Geoethics“ für eine Rolle spiele, will niemand  antworten. Ihre handfesten wirtschaftlichen Interessen legen nur wenige offen. Howard Dewhirst zum Beispiel, Geschäftsführer von Petroalbion, einer englisch-australischen Beraterfirma für Fracking, Gas- und Ölbohrungen. „Fracking“, sagt der Mann mit dem karierten Flanellhemd, sei ein Wundermittel, das von linken Fanatikern verunglimpft werde. Dewhirst trägt ein Band um den Hals mit dem Aufdruck der „american economic society“. Auch Vertreter vom Heartland-Institut halten Vorträge, AfD-Mitglied und Eike-Vizepräsident Michael Limburg ist unter den Gästen. Mitbegründer des Committee on Geoethics ist Nils-Axel Mörner.

Mörner ist ein schwedischer Meeresforscher, sein Thema der Meeresanstieg. „Als ich diese wundervollen Bilder von den Fidschi-Inseln gesehen habe, wollte ich sofort dahin fahren und forschen“, sagt er in Porto. Dort will er herausgefunden haben, dass der Meeresspiegel gar nicht ansteigt. Seine Schriften stehen im Gegensatz zu Beiträgen zahlreicher Wissenschaftler. Mörner veröffentlichte im Open-Access-Magazin International Journal of Earth and Environmental Sciences. Mörner selbst zahlt für die Publikation, die Lektüre ist gratis. Mörner räumte in Porto freimütig ein, 20 000 Euro von der CO2-Coalition bekommen zu haben, einem amerikanischen, konservativen Thinktank, der den menschengemachten Klimawandel leugnet. Ein Paper heißt: „Carbon dioxide benefits the world“. (CO2 nützt der Welt). Im Aufsichtsrat: Patrick Moore, Ex-Greenpeace-Aktivist, der nun mit klimawandelleugnerischen Vorträgen um die Welt tingelt. Gründer der CO2-Coalition ist William Happer, der inzwischen Top-Berater von Trump im National Security Council ist. Spender für die Organisation ist wiederum die Trump nahe stehende Mercer-Familie.

Am zweiten Tag der Konferenz ist Mörner nicht mehr so freundlich. Die Teilnehmer haben sich offenbar beim Umtrunk am Vorabend in Rage geredet. Die deutschen Teilnehmer warnen sich gegenseitig vor der „Lügenpresse“, die Veranstalter raten dazu, Fragen nicht zu beantworten und so zu tun, „als ob man kein Englisch verstehe“. Die Tür des Hörsaals wird von innen zugehalten.

Leugner oder ablehnende Forscher begleiten die Klimawissenschaft schon seit mehr als einem Jahrhundert - obwohl für die meisten Wissenschaftler klar ist: Mehr CO2 erwärmt die Erde. Denn das Gas fängt in der Erdatmosphäre mehr Hitze ein. Diese Wärme wiederum lässt Wasser zu Dampf aufsteigen und führt dadurch im Treibhauseffekt zu weiter steigenden Temperaturen.

Während die überwältigende Mehrheit der Forscher den menschengemachten Klimawandel für bewiesen hält, gibt es auch wenige Abweichler. Der Kölner Geologe Stefan Kröpelin etwa, die renommierte Zeitschrift Nature widmete ihm ein Porträt als „Mann der Wüste“. 2017 verlieh ihm die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Preis des besten Kommunikators, weil er seine Theorie zur grünen Vergangenheit der Wüste so erfolgreich in den Medien unterbringt. Er hielt im November einen Vortrag auf der Jahreskonferenz der Klimaleugner Eike in München. Seine These: Niemand wisse, ob sich das Klima wirklich so schnell erwärmen würde. Und wenn doch, könnte es für die Wüsten der Erde eine grüne Zukunft geben: „Wenn sich die Ozeane weiter erwärmen, verdunstet mehr Wasserdampf, der dann über der gegenwärtigen Wüste abregnet.“ Mit dieser positiven Sicht auf den Klimawandel hatte er sich für Eike qualifiziert. „Eike ist eine engagierte Gruppe mutiger Bürger und Wissenschaftler“, sagt Kröpelin. Groll hingegen hegt er gegen anerkannte Klimaforscher, vor allem gegen das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK), das er immer wieder im Gespräch angreift. Kröpelin vermutet: „Die öffentliche Meinung und die Politik werden früher oder später kippen - mehr, als das Klima.“

PIK-Forscher Anders Levermann kontert: Klimaleugner ignorierten die Grundlagenphysik und suchten sich Korrelationen und Zufälligkeiten heraus, um ihre Thesen zu untermauern. „Genauso wenig wie Sie ein Kosmologe sein und gleichzeitig die Gravitation leugnen können, genauso wenig können Sie Klimaphysiker sein und behaupten, CO2 habe keinen Effekt auf das Klima“, so Levermann. „Was mir tatsächlich Sorge macht, ist der Antiaufklärungsgeist, der hinter den Klimaverneinern steckt: Unsere Gesellschaft akzeptiert nicht mehr, was Fakten sind.“

Es ist kein Zufall, dass dieselben Menschen, die gegen Migration und freie Presse sind, auch Erkenntnisse zum Klimawandel bestreiten. „Die Klimaskeptiker bereiten den Boden, um die Agenda von Demokratiefeinden durchzusetzen: Sie stellen Demokratie, Institutionen wie die EU und die Vereinten Nationen infrage“, sagt Alexander Carius von Adelphi.

Unter Lobbyisten und Abgeordneten bestreitet derzeit nur eine Minderheit offen den Klimawandel. Sie gehen subtiler vor. Im September wurde ein Memorandum von Businesseurope öffentlich, dem Verband aller EU-Arbeitgeberverbände. Darin werden seine Vertreter angeleitet, die Klimaziele der EU positiv zu kommentieren, aber zugleich verschiedene Wege zu nutzen, um Gesetze zu torpedieren. Etwa, auf eine weltumspannende Lösung zu pochen oder zu behaupten, die zulässigen Emissionen seien nicht fair berechnet. Businesseurope sagte ein Treffen mit den Autorinnen erst zu und wenige Tage später wieder ab.

Politikwissenschaftler Carius und einige EU-Abgeordnete vermuten, dass viele Liberale und Konservative sowie Angehörige der fossilen Industrie nur auf den Moment warten, an dem das Leugnen salonfähig wird. Dann könnten sie noch erfolgreicher als bislang Gesetze gegen die Erderwärmung torpedieren.

Manche Leugner befinden sich allerdings bereits in der Nähe der Macht. Der Volkswirt Charles Blankart etwa berät die Bundesregierung im Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums. Er lädt in sein Haus nach Berlin-Nikolassee ein. Neben Büsten von Wilhelm I. hängen Porträts des Kurfürsten von Sachsen, von Napoleon und anderen Monarchen, in Glasvitrinen stehen Zinnsoldaten stramm. „Die Klimawissenschaft basiert nur auf Vermutungen“, sagt Blankart. Im Wissenschaftlichen Beirat würden alle Positionen diskutiert - auch jene der Klimaleugner. Man sei sich beim Klimawandel „nicht immer einig“, so Blankart, der bis 2015 auch einem Beirat der AfD angehörte.

Der emeritierte Professor ist zudem in weiteren Kreisen unterwegs, die sich mit der Klimaleugnerszene überschneiden: Das Institut für unternehmerische Freiheit (IuF) - ein marktliberales Institut in Berlin - weist offen auf Veranstaltungen von Eike hin. Im Vorstand ist auch der Generalsekretär von Eike, Wolfgang Müller. Die beiden Institute führten zwar ein Eigenleben, aber Eike und das IuF seien „fast das Gleiche“, meint Blankart. Pikant ist, dass im Vorstand auch Mitarbeiter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung sitzen sowie der bekannte Ökonom Thomas Straubhaar, der sich auf Anfrage nicht zu Klimathemen äußern will. Straubhaar ist Botschafter der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und ebenfalls im Kuratorium der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Neoliberale Ökonomen und Klimaleugner findet man auch in der marktradikalen Hayek-Gesellschaft, die über ein europaweites Netzwerk verfügt: Dort sitzen neben Charles Blankart nicht nur hochrangige AfD-Politikerinnen wie Beatrix von Storch und Alice Weidel, sondern auch Vera Lengsfeld (CDU) und der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler (FDP). Der Liberale Schäffler schrieb ein Schmähgedicht über PIK-Chef Hans Joachim Schellnhuber auf dem neoliberalen Blog „Tichys Einblick“ („Die Eisbären knien ganz dankbar davor, hoch oben schwebt jubelnd Herrn Schellnhubers Chor“) - auch Roland Tichy ist Mitglied im Kuratorium der Hayek-Stiftung. Schäffler gehört zur Gruppe Liberaler Aufbruch, auf dessen Facebook-Seiten Klimawissenschaftler verhöhnt werden.

„Analog zur US-amerikanischen Szene gibt es in Europa eine Reihe von neoliberalen Denkfabriken, die Ergebnisse der Klimaforschung und Klimapolitik infrage stellen“, erklärt der Thinktank-Experte Dieter Plehwe vom Wissenschaftszentrum Berlin. „Sie befürchten beide, durch internationale und europäische Organisationen bevormundet zu werden“, so Plehwe.

Beispiel Kohle: In Bergheim bei Köln demonstrieren im Oktober mehr als 40 000 Bergarbeiter für ihre Jobs unter dem zweideutigen Titel „Ohne gute Arbeit kein gutes Klima“. Zurzeit ringt die Berliner Kohlekommission um den Ausstieg aus der klimaschädlichsten Energie. Die Kumpel und ihre Lobby wollen die deutschen Kraftwerke möglichst lange laufen lassen.

Mit Trillerpfeifen und unter Rufen wie „Kohle, Kohle, Kohle“ ziehen die RWE- und Leag-Mitarbeiter bei Nieselwetter durch den Ruhrpott. Auch der Verein Pro Lausitzer Braunkohle ist dabei. Deren Vorsitzender Wolfgang Rupieper lud im Mai dieses Jahres den kanadischen Klimaleugner Patrick Moore ein. Ihm gehe es darum, dass verschiedene Positionen Gehör finden, sagt Rupieper. Auf der Internetseite des Vereins schreibt der Kohle-Vertreter, „der deutsche Sonderweg rettet das Weltklima nicht“. Klimaleugner sei er nicht.

Auch die europäische Dachorganisation der Kohleindustrie, Euracoal, zweifelt den Klimawandel an. „Das ist alles politisch motiviert“, erklärt Euracoal-Generalsekretär Brian Ricketts. Sein Büro liegt keine hundert Meter vom Parlament entfernt - Euracoal gab für das aktuell verfügbare Jahr 2016 laut dem EU-Transparenzregister 250 000 Euro für seine Lobbyisten in Brüssel aus. Ricketts ist einer von vier im Parlament akkreditierten Personen. Für Ricketts geht es beim Thema Klimaschutz an die Existenz. Kein Wunder, dass der eher bedächtige Brite dabei leicht aufgebracht ist - auch wenn sein Sprecher nervös mit den Augen flackert. Den Weltklimarat hält der Kohlelobbyist allenfalls für ein politisches Gremium, das nichts mit Wissenschaft zu tun habe. Er klingt wie Marc Moreno auf der Heartland-Konferenz in New Orleans. Moreno ist einer der bekanntesten Klimaleugner der Welt, er dreht Filme und hat auf der Pariser Klima-Konferenz den Vertrag der 192 Nationen öffentlich geschreddert. „Und wenn die Zeit von Angela Merkel abgelaufen ist, wird auch Deutschland zu den fossilen Energien zurückkehren und die Atomkraftwerke wieder anschalten“, sagt er zur SZ.

Tatsächlich überschreiten die Klimaleugner inzwischen auch Grenzen im EU-Parlament, etwa im mächtigen Agrarausschuss. Die Landwirtschaft trägt mit ihren erdölbasierten Düngemitteln, der industriellen Viehhaltung und den schweren Traktoren zu rund einem Fünftel der klimaschädlichen Emissionen bei. Es geht also um viel. Der CSU-Abgeordnete Albert Deß schlug im Juli John Stuart Agnew als Berichterstatter für das Life-Programm vor, das wichtigste Klimaschutzprogramm der EU. Agnew ist Abgeordneter der britisch-nationalistischen Ukip und ausgewiesener Klimaleugner. Weitere Konservative und liberale Abgeordnete wie Ulrike Müller von der bayerischen FWG stimmten zu. Nun steht in einem EU-Bericht, Menschen seien nicht an einer höheren CO2-Konzentration schuld. Vor allem die kosmische Strahlung beeinflusse das Klima, sie könne die Temperatur um bis zu zehn Grad verändern. „Die Auswirkungen der anderen Treibhausgase - CO2, Methan und Distickstoffmonoxid - auf unser Klima sind unerheblich“, heißt es im Bericht. Und widerspricht damit Publikationen etwa des Bundesumweltamtes und der amerikanischen Umweltbehörde EPA.

Auch wenn seine einzelnen Änderungsanträge von der Agrar-Kommission im September abgelehnt wurden, so geht Agnews sechsseitige Begründung in die Annalen der EU ein. „Ich hatte vollen Erfolg“, sagt Agnew, denn schließlich sei nun über ihn gesprochen worden. Der stämmige Brite sitzt zurückgelehnt in seinem etwas chaotischen Brüsseler Büro und sonnt sich darin, die Agrar-Kommission aufgemischt zu haben. „Klimawissenschaftler und Medien wie die BBC bekommen gerade Panik - sie sehen, dass sich die Klimaleugner langsam ernsthaft durchsetzen“, erzählt Agnew mit einem Lächeln. Es ist zu spüren, wie sehr sich der Bauer aus dem britischen Norfolk in der Rolle des Quertreibers gefällt. Auf seiner Farm hält er 35 000 Legehennen und 500 Schafe.

Auch der Christsoziale und Steigbügelhalter von Agnew, Albert Deß, ist Bauer. Er ist Vorsitzender der Bayernland EG, einer 700 Mitarbeiter starken Firma für Molkereiprodukte wie Käse und Butter. Er selbst glaubt nicht an den menschengemachten Klimawandel, bezeichnet ihn als „Angstmacherei“ und beschwerte sich öffentlich über die „Milliarden, die für den Klimawandel rausgeschmissen“ würden.

Wenige Monate nach der Agnew-Wahl im Ausschuss möchte Albert Deß jedoch nichts zum Life-Programm der EU sagen. Darauf sei er nicht vorbereitet, erklärt er sichtlich nervös. Dann verschwindet er im Agrarausschuss. Nach anderthalb Stunden verlässt Deß den Ausschuss über den Hintereingang, weitere schriftliche Fragen bleiben unbeantwortet.

Der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling sieht sogar eine neue Strategie der Klimaleugner unter den Parlamentariern: „Sie schicken Rechtsextreme vor, weil sie sich selbst nicht mit ihrer Meinung in die Öffentlichkeit trauen.“ So sei der Bericht nun ohne klimapolitische Ambitionen; Anträge zum Schutz des Grundwassers und des CO2-speichernden Humus seien abgelehnt worden. Häusling ist der Gegenpol zum konventionellen Großbauer Agnew: Auf Häuslings nordhessischem Käsehof hat jede Kuh einen Namen.

Zwei Wochen vor der Klimakonferenz in Polen treffen sich die europäischen Klimaleugner dann ein zweites Mal in diesem Jahr. Das deutsche Eike-Institut lädt nach München in ein Viersternehotel. Als Ko-Sponsor mit dabei ist wieder das US-amerikanische Heartland-Institut. „Das erste Mal hat Eike keine Security engagiert“, erklärt der Hotelmanager, der nicht mit Namen genannt werden will. Den Autorinnen hat Eike bereits Wochen vorher Hausverbot erteilt: „Dann haben Sie mehr Freizeit“, heißt es im Schreiben von Eike-Präsident Holger Thuß, einem undurchsichtigen Verleger aus Jena. Kritische Fragen sind unerwünscht, Thuß verscheucht einen Reporter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eike-freundlicher Presse wie der rechtspopulistischen Zeitschrift Junge Freiheit wird Zugang gewährt. Neben Vertretern der Kohlelobby sind auch AfD-Abgeordnete unter den etwa 250 Gästen in München, der Konferenzraum ist voll. Als zweiter Redner spricht James Taylor vom Heartland-Institut: „So viele Leute wie heute habe ich noch nie hier gesehen!“, erklärt er zufrieden.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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