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Wissenschaftler haben untersucht, wie alle Menschen satt werden und gesund leben können, ohne Umwelt und Klima zu schädigen

Autorin: Sandra Kirchner / Frankfurt Rundschau vom 20. Okt 2018
Quelle: http://www.fr.de/wissen/klimawandel/umwelt/lebensmittel-nachhaltige-ernaehrung-fuer-zehn-milliarden-a-1604717

Schwerwiegende Fehler im System: Elf Prozent der Weltbevölkerung sind chronisch unterernährt, auf der anderen Seite leben zwei Milliarden Menschen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit. Darüber hinaus steht das globale Ernährungssystem mit der Übernutzung der Böden und anderer Ressourcen sowie mit rund einem Viertel des Treibhausgas-Ausstoßes in Verbindung, es führt zu Überfischung und Artenschwund.
In Zukunft dürfte sich die Situation weiter verschärfen. Eine jetzt vorgestellte Studie eines internationalen Forscherteams unter der Leitung der Oxford Martin School untersucht deshalb, unter welchen Bedingungen zehn Milliarden Menschen bis 2050 nachhaltig ernährt werden können.

Das Fazit: Es braucht ein Bündel an Maßnahmen. Dabei sollten sich die Menschen vermehrt vegetarisch ernähren, außerdem müssten der Verlust und die Verschwendung von Lebensmitteln verringert und die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen verbessert werden.

Die Bedingungen, unter denen unser Essen gegenwärtig produziert wird, dürfen aus Sicht der Wissenschaftler keinesfalls beibehalten werden. "Bereits heute ist das Ernährungssystem ein wichtiger Treiber für den Klimawandel, für die Übernutzung von Wasserressourcen und für Umweltverschmutzung", warnt Mitautor Johan Rockström, der neue Ko-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Ohne gezielte Maßnahmen könnten diese Auswirkungen bis 2050 um 60 bis 90 Prozent zunehmen.

Deshalb haben die Forscher ein Modell entwickelt, das Umweltwirkungen sowie Produktions- und Konsummechanismen des Ernährungssystems kombiniert. Anhand des Modells suchten sie dann nach den Optionen, die das Nahrungsmittelsystem innerhalb der Umweltgrenzen halten könnten.

Weniger Fleischkonsum und dafür eine stärker pflanzenbasierte Ernährung könnten die Treibhausgasemissionen des Ernährungssystems um mehr als die Hälfte reduzieren. Auch andere Umweltauswirkungen etwa durch die Düngung von Ackerland könnten gesenkt werden.

"Wenn es um Ernährung geht, sind umfassende politische und ökonomische Ansätze unerlässlich, um die Umstellung zu einer gesunden und stärker pflanzlichen Ernährung für eine große Anzahl von Menschen möglich und attraktiv zu machen", sagt Studien-Leitautor Marco Springmann von der Oxford Martin School. Mit Programmen für Schüler und Beschäftigte, wirtschaftlichen Anreizen sowie mit Produktkennzeichnung und einer Anpassung der staatlichen Ernährungsempfehlungen könne die Politik eine stärker vegetarisch ausgerichtete Ernährung fördern.

Eine rein vegetarische Ernährung braucht es aus Sicht der Autoren nicht, sie empfehlen den Wechsel zu einer stärker pflanzlichen "flexitarischen" Ernährung. Dass sich mit einer fleischreduzierten Ernährung die globalen Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft beinahe halbieren ließen, haben britische Forscher bereits vor einigen Jahren vorgerechnet.

Durch stärkeren Fleischverzicht allein kann der durch die Landwirtschaft verstärkte Klimawandel allerdings nicht begrenzt werden, wie die Studie ausführt. Verluste und Verschwendung müssten halbiert werden, um das Nahrungsmittelsystem innerhalb der Umweltgrenzen zu halten.

Auf 18 Millionen Tonnen bezifferte die Umweltstiftung WWF unlängst das Ausmaß der jährlichen Lebensmittelverschwendung in Deutschland. Damit wächst die Verschwendung hierzulande eher noch, anstatt - wie von der Politik eigentlich angestrebt - zu sinken.

Doch auch bei den Bearbeitungs- und Verteilungsmethoden in der Landwirtschaft muss aus Sicht der Autoren etwas geschehen. Die landwirtschaftlichen Erträge aus der bestehenden Anbaufläche müssten erhöht, der Düngemitteleinsatz begrenzt und sparsame Bewässerungstechniken eingesetzt werden. Generell stehen die Anbaupraktiken der Landwirtschaft in der Kritik: Es werde zu wenig Landwirtschaft nach ökologischer Maßgabe betrieben. "Statt industrieller Landwirtschaft mit emissionsintensiven externen Inputs wie Stickstoffdünger und Pestiziden brauchen wir eine ökologische Landwirtschaft, die mit Humusaufbau und mehr Artenvielfalt auch besser gegen Klimaextreme gewappnet ist", sagt auch der grüne Europapolitiker Martin Häusling. Als Beispiele nennt Häusling Permakultur- oder Agroforst-Systeme, die verträglicher für die Umwelt, aber auch fürs Klima seien.
Ohne tiefgreifende Änderungen in den Produktions- und Konsummustern geht es jedenfalls nicht. "Wenn die Maßnahmen gemeinsam umgesetzt werden, zeigen unsere Untersuchungen, dass es möglich sein könnte, die wachsende Bevölkerung nachhaltig zu ernähren", fasst Springmann die Studie zusammen.

Eine Prognose des UN-Umweltprogramms Unep geht ebenfalls davon aus, dass die Weltbevölkerung auch mit künftig neun oder zehn Milliarden Menschen satt werden kann. Dafür empfehlen die UN-Experten eine "grundlegende Überholung" des Systems, wie die Lebensmittel produziert, verteilt und konsumiert werden.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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