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Slow Food DeutschlandSlow Food Deutschland Freihandelsabkommen: Vier Fragen an Martin Häusling (MEP) zu den Mercosur-Verhandlungen

14.3.2018 – Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europaparlament, kritisiert die nach Art von Geheimverhandlungen zwischen den südamerikanischen Merscosur-Staaten und der EU geführten Gespräche über ein Freihandelsabkommen als "skandalöses Mysterium". Der paraguayanische Außenminister spreche öffentlich von einem baldigen Abschluss der Verhandlungen, die europäische Öffentlichkeit wisse von nichts. Slow Food Deutschland hat ihn zu dem neuen Abkommen befragt.

Slow Food Deutschland: Um welche Art des Freihandelsabkommens handelt es sich bei Mercosur? Ist es in Hinsicht auf Fragen des Verbraucherschutzes und dem Lebensmittelbereich mit Abkommen wie TTIP und CETA vergleichbar?

Martin Häusling: EU-Mercosur wäre der größte Deal, den die EU je abgeschlossen hat. Die Mercosur-Länder exportieren 6 mal so viel wie Kanada. Insofern hat das MercosurAbkommen einen viel größeren Umfang als zum Beispiel Ceta. Hinsichtlich des Verbraucherschutzes sind – genau wie bei Ceta – die sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse der Knackpunkt. Dazu gehören Normen und Standards im Bereich Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz, beispielsweise ein Importverbot von hormonbelastetem Fleisch oder die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Genau diese nichttarifären Handelshemmnisse haben die WTO-Verhandlungen immer wieder scheitern lassen.
Aus Verbrauchersicht ist genau dieses Kapitel der Normen und Standards auch bei Mercosur kritisch zu sehen: Der Text zu Kontrollen der Tiergesundheit ist schwach. Neue Fleischskandale sind vorprogrammiert. Ob künftig Herbizide und Pestizide verboten werden können, ohne dass eine Armada von Handelsanwälten zurückschlägt ist unklar. Es gibt keine eindeutigen Verbote oder Kontrollverpflichtungen. Der „Gammelfleischskandal“ in Brasilien hat ja gerade gezeigt, wie wenig wir in Europa davor geschützt sind, dass solcherlei Ware auch zu uns kommt.

Was stünde Ihrer Ansicht nach mit Ratifizierung des Abkommens für den europäischen und lateinamerikanischen Lebensmittelsektor sowie für Mensch, Tier, Umwelt und Klima auf dem Spiel?

Das, was hier ausgedealt werden soll, wird nicht ohne fatale Folgen für Teile der europäischen Landwirtschaft und der Natur in Südamerika bleiben. Wenn mindestens 100.000 Tonnen oder mehr Rindfleisch zusätzlich zollfrei auf den EU-Markt kommen, dann steht hierzulande die Weidehaltung von Rindern vor dem Aus, während in Südamerika weiterer Regen- und Trockenwälder gerodet werden. Ein Abkommen mit solchen Inhalten tritt die Natur mit Füßen, missachtet die Rechte der Bauern hierzulande, aber auch die der indigenen, unterdrückten Bauern in Südamerika.
Für Europa bedeutet das Abkommen eine Flutung der Märkte mit Gentech-Soja, mit Agro-Sprit sowie mit Fleisch zweifelhafter Herkunft und Qualität. Denn das, was an Rindfleisch in Südamerika produziert wird, ist schon lange kein Weidefleisch mehr sondern kommt aus sogenannten Feedlots und das ist schlicht Massentierhaltung wie bei uns – nur ohne Dach.

Sie kritisieren zurecht die EU-Kommission Geheimniskrämerei im Bezug auf die Verhandlungen mit den Mercosur Staaten. Als EU-Bürger fragt man sich da: Wie kann es überhaupt soweit kommen, dass EU-Entscheidungsträger solch bedeutende Abkommen hinter verschlossenen Türen durchbringen? Wo liegen Ihrer Meinung die strukturellen Schwächen?

Die Handelspolitik zählt zu den exklusiven Kompetenzen der EU. Werden aber in Handelsverträgen auch Fragen berührt, die in den Bereich geteilter Zuständigkeit fallen, liegt es im Ermessen der Kommission, die Abkommen als gemischt zu definieren. Solche Abkommen müssen dann nicht nur vom Europaparlament, sondern von allen nationalen Parlamenten und je nach Verfassung auch von weiteren Organen – wie in Deutschland vom Bundesrat – ratifiziert werden. Es ist also nicht so, dass hier strukturell keine Mitsprache der Mitgliedstaaten und der demokratischen Vertretungen vorhanden wäre. Die Mitgliedstaaten erteilen der EU-Kommission ja auch zu Beginn eines Freihandelsabkommens das Verhandlungsmandat.
Das Problem ist, dass solche Handelsabkommen nach wie vor abseits der Öffentlichkeit und ausschließlich von Handelsexperten verhandelt werden, denen keine zivilen Stimmen aus dem Arbeitsrechts-, Gesundheits-, Umwelt- oder Verbraucherbereich zur Seite stehen. Da geht es um Handels-„Deals“ und nicht um die Schaffung einer besseren, gerechteren Welt. Und wenn ausverhandelt ist, haben Sie als Abgeordneter das Problem, dass sie einen manchmal über 10 Jahre oder mehr verhandelten 1000 seitigen Macht-„Deal“ nur annehmen oder komplett ablehnen dürfen. Stellen Sie sich mal diesem gesellschaftlichen Druck, wenn sie nicht für das Ergebnis stimmen wollen. Es müsste meiner Meinung nach VOR dem Verhandlungsmandat eine nachvollziehbare Folgenabschätzung geben und darüber einen breiten gesellschaftlichen Diskurs. Während der Verhandlungen brauchen wir einen zivilen Beirat und das Ergebnis muss mindestens seitens des Europaparlaments veränderbar sein.

Wir würde Ihrer Meinung nach ein faires Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten aussehen?

Ich denke, im Hinblick auf die allseits anerkannten globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs), müssen Handelsverträge sich grundsätzlich darum bemühen, Arbeitsrechts-, Gesundheits,- Umwelts- und Verbraucherstands auf beiden Seiten auf möglichst hohem Niveau anzugleichen. Doch Ressourcen- und Gesundheitsschutz sowie Menschenrechte sind leider in den Köpfen der meisten Handels-“Experten“ nach wie vor nur Kosten, die es runter zu drücken gilt und nicht erstrebenswerte Basics für fairen Handel und Zukunftssicherung. Das müsste sich dringend ändern. Abgesehen davon macht es bei bestimmten Produkten einfach keinen Sinn, sie über Ozeane zu schippern. Rindfleisch gehört ganz sicher dazu.

 

Quelle: https://www.slowfood.de/aktuelles/2018/freihandelsabkommen_martin_haeusling_zu_mercosur/

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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