Grüne Europagruppe Grüne EFA

Süddeutsche Ztg/ Von Janis Beenen und Silvia Liebrich

Die EU will das Problem mit dem Plastikabfall vor allem durch mehr Recycling lösen. Das allein wird jedoch nicht reichen, meinen Kritiker.

Immer mehr Menschen verzichten beim Einkaufen auf die Plastiktüte. Auch an der Frischetheke muss nicht jedes Teil ins Beutelchen. In der Gesellschaft ist ein Bewusstsein für ein globales Problem entstanden: Kunststoffabfälle. Mittlerweile hat auch die Europäische Kommission das Thema für sich entdeckt. Ein Strategiepapier soll Auftakt einer groß angelegten Initiative sein. Die Zeit drängt: Seit 1960 hat sich die Plastikproduktion verzwanzigfacht. Zuletzt exportierte die EU die Hälfte des eingesammelten Plastikabfalls ins Ausland, 85 Prozent davon nach China. Doch die Chinesen wollen das Zeug nicht mehr. Die Antwort der Kommission lautet in Kurzform: Mehr Recyceln, alle Verpackungen sollen bis 2030 mehrmals verwendbar sein. Doch was taugen die Ideen konkret? Und werden damit auch alle Problemfelder angegangen, die damit verbunden sind?

Defizite in Sachen Verbraucherschutz im EU-Paket bemängeln die Grünen. "Gefährliche Weichmacher, hormonell schädigende Stoffe wie Bispenol A werden zwar andiskutiert, aber es werden keine speziellen Maßnahmen vorgelegt", kritisiert Martin Häusling, der für die Grünen im EU-Parlament sitzt. Tatsächlich wird seit Jahren über mögliche Gesundheitsschäden diskutiert, die von Plastikprodukten und -verpackungen ausgehen. Das gilt etwa für Lebensmittel wie Mineralwasser in Plastikflaschen oder Milchflaschen aus Kunststoff für Babys.

Mehr Klarheit für Verbraucher bei der Kennzeichnung von Kunststoffen fordert der Europa-Abgeordnete der CDU Karl-Heinz Florenz. "Wenn Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais oder Zuckerrüben produziert werden, sagt das noch nichts über ihre Abbaubarkeit aus." Er verlangt deshalb eine eindeutige Definition und Kennzeichnung von kompostierbaren und biologisch abbaubaren Kunststoffen. "Wir stehen hier noch am Anfang", ergänzt Florenz.

Trotz dieser Kritikpunkte stößt das EU-Vorhaben bei den Parteien der beiden Politiker im Großen und Ganzen auf Zuspruch. "Wir haben lange auf diesen Vorschlag gewartet", sagt Florenz von der CDU. "Grundsätzlich ist das ein guter Schritt nach vorn", meint auch der Grünen-Politiker Häusling. Tatsächlich gehe es nun aber darum, konkrete Maßnahmen auszuarbeiten und zu beschließen. Die EU will dabei auf einen Mix von unterschiedlichen Instrumenten setzen, eine wichtige Rolle sollen unter anderem freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie beim Abbau des Kunststoffverbrauchs spielen.

 
Noch ein weiterer Punkt beunruhigt Umweltschützer: Neben dem Müllproblem sorgt Plastik schon bei seiner Produktion für Umweltschäden. In der Regel entstehen Kunststoffe aus Rohöl. Bei der energieintensiven Herstellung wird das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid (CO₂) ausgestoßen, weltweit rund 400 Millionen Tonnen jedes Jahr. Die Kommission hofft, dass mehr Recycling Abhilfe schafft. Dabei wird weniger Kohlenstoffdioxid freigesetzt als bei der Neuproduktion. Die Rechnung der Kommission: Werden eine Million Tonnen Plastik wiederverwendet, ist der Umweltschutz-Effekt vergleichbar mit der Stilllegung von einer Million Autos. Mit dem Emissionshandel existiert bereits eine Möglichkeit, um auf mehr Recycling zu drängen. Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung spricht von einem "sehr zielgenauen Instrument". Dennoch kommt es im Papier der Kommission nicht vor.

Verkürzt bedeutet Emissionshandel, dass Unternehmen sich Rechte zur Luftverschmutzung mit CO₂ kaufen. Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid wird also belastet. "So kann einer negativen Auswirkung von Kunststoffen konkret entgegengewirkt werden", sagt Heinemann. Schließlich gehe es nicht darum, das Material generell zu bekämpfen. Damit der Emissionshandel spürbare Effekte erzielt, müsse er "umfassend" sein, so Heinemann. Kritiker bemängeln, dass Zertifikate zu billig und die Ausnahmen zu zahlreich sind. Gerade die Chemieindustrie profitiert von Sonderregelungen, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten sollen. Eine Verschärfung der Regeln birgt daher eine Gefahr: Die Konzerne könnten aus der EU abwandern.

Überraschend beteiligte sich Haushaltskommissar Günther Oettinger an der Debatte und brachte eine europaweite Plastiksteuer ins Spiel. Sicher auch, weil er das finanzielle Loch, das durch den Brexit entsteht, schließen muss. Die Idee wird es schwer haben. Sowohl Kommissionsvize Jyrki Katainen als auch Forscher zweifeln an der Lenkungswirkung und der Umsetzbarkeit. Doch ein Blick in die Fußnoten des Strategiepapiers zeigt: Ein Hintertürchen lässt sich die Kommission dennoch offen. Die Entscheidungen der Mitgliedsländer über Steuern würden eine wichtige Rolle spielen, heißt es da im Kleingedruckten.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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