Grüne Europagruppe Grüne EFA

170725 PalingPressebericht
Palling (31.7.17). „Mehr Öko und Bio“ - das forderten die Traunsteiner Landtagsabgeordnete Gisela Sengl und der Europaabgeordnete Martin Häusling für die Landwirtschaft für Bayern und Europa. "Der Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft und der beängstigende Rückgang der Artenvielfalt fordert rasches Handeln", sagte die agrarpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, Gisela Sengl, in ihrer Begrüßung. Dabei lägen ihr Bildung und Ausbildung besonders am Herzen. Biologische Landwirtschaft dürfe nicht ungeliebtes Nebenfach in der landwirtschaftlichen Ausbildung bleiben, sondern müsse gleichberechtigtes Pflichtfach sein. Energisch forderte Sengl Ernährung und Landwirtschaft als Schulfach in allen Schularten. Darüber hinaus sei es ein Leichtes für die öffentliche Hand, in Gemeinschaftsverpflegungen hochwertige biologische Produkte vorzuschreiben. Dies sei ein großer Marktsektor und Türöffner für eine andere Produktionsweise von Nahrungsmitteln. Leider fehle für Neuerungen eine kräftige Stimme in Europa. Landwirtschaftsminister Schmidt sei da ein Totalausfall. Sengls Fazit für die Bundestagswahl: „Wer CDU/CSU wählt, wählt Glyphosat“.
 
MdEP Martin Häusling schlug in die gleiche Kerbe. Die Bundestagswahl sei entscheidend für europäische Politik, weil die Regierungen im gesetzgebenden Organ EU-Rat säßen. Der gute bayerische Landwirtschaftsminister Brunner habe kaum Einfluss auf Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt, der lieber für große Betriebe im Osten und Norden spräche. Und der EVP-Sprecher im EU-Parlament sei für Gentechnik offen und sähe den Klimawandel entspannt. Für die Beruhigung an der Milchfront zeigte Häusling wenig Verständnis. Die aktuell 35 Cent beruhten auf vagen Exporthoffnungen nach China und evtl. wieder an Putin, aber es seien auch gigantische Mengen an Milchpulver eingelagert. Die Liberalisierung sei ein gravierender Fehler gewesen. "Wir bräuchten dringend eine stärkere Milchmengensteuerung“, so Häusling. Man habe inzwischen 60% der Milchviehhalter verloren, Zahlungen der 1. Säule kämen wegen der hohen Pachten kaum noch an und die Agrarpolitik 2020 sei ungewisser denn je. Das Greening habe zu wenig vorzeigbare Erfolge. Es gebe einen (un-) heimlichen Rückgang der Artenvielfalt. Man müsse runter von der Intensivierung. Eine bessere Fruchtfolge sei, im wahrsten Sinne des Wortes, lebensnotwendig. Häusling ärgerte sich massiv über das billige Argument der Welternährung. Deutschland importiere mehr landwirtschaftliche Produkte als es exportiere. „Die Futtertröge ermöglichen unsere Billigproduktion“, so Häusling wörtlich. Auf seinen Reisen habe er die zerstörerische Wirkung deutscher und europäischer Landwirtschaftspolitik hautnah erlebt. Der Soja-Anbau in Brasilien und Argentinien sei ein gigantischer Raubbau. Der Glyphosateinsatz habe sich vervielfacht. In Burkina-Faso würden große Mengen europäischen Milchpulvers aufbereitet, die dann die Preise der einheimischen Produkte kaputt machten. In Westafrika sei man dabei, die Existenzgrundlage von 2 Millionen Kleinbauern zu zerstören. "Vielleicht müssen die sich irgendwann als Flüchtlinge auf den Weg zu uns machen“, so Häusling.
 
 
In der lebhaft geführten Diskussion mahnte ein Teilnehmer an, dass dem Thema Boden mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse. Große Probleme ergäben sich  u.a. durch die Verdichtung durch Großtechnik und durch den intensiven Maisanbau. Hier seien nach Starkregen oft katastrophale Abschwemmungen die Folge. Häusling verwies auf die in seinem Haus erarbeitete Bodenstudie, in der auf die 20-30 cm Humus ausführlich eingegangen werde, auf denen unsere Existenz beruhe. In diesem Zusammenhang wurden auch die Probleme der Gülleausbringung angesprochen. Häusling berichtete von den Wasserwerken Bremen, die jedes Jahr tiefer bohren müssten und inzwischen 1 € pro m³ Kosten für technische Reinigung ansetzten.
 
Ein Teilnehmer befürchtete, dass die Forderung nach 20% Bioanteil zu noch stärkerer Intensivierung des Restes führen könnte. Das sei nun mal seit Jahrzehnten in den Fachschulen gelehrt worden, bedauerte Sengl. Landwirte seien heute ausgezeichnete Produktionstechniker. Eine eigene Vermarktung sei ihnen regelrecht „abgewöhnt“ worden. Häusling verwies auf den Welternährungsbericht, wonach schon heute 12 Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Die gegenwärtige Lebensmittelverschwendung liege bei 30%, wenn man die Verluste in der Produktion dazuzähle, bei 50%. Es sei „kein Witz“, so Häusling wörtlich, dass der Bauernverband für die Lösung der Milchkrise mehr Freihandelsabkommen fordere.
Ein Teilnehmer sprach bezüglich der Landwirtschaftsschulen die Hoffnung aus, dass die Lehrer zunächst neue Wege als wertvoll erachteten und unterrichten könnten und wollten. Dann würden sich auch die Schulen wandeln.
 
Von Seiten des Landwirtschaftsamtes wurde das Greening verteidigt, auch wenn es noch intensiver sein könnte. Von Seiten der Ökomodellregionen wurde der fast 50%ige Bioanteil in Österreich gelobt. Die Artenvielfalt habe sich sichtlich erholt. Die Bürokratiekritik eines Landwirtes konterte Häusling. Es seien die Konservativen gewesen, die eine Vielzahl von Ausnahmetatbeständen hineinverhandelt hätten, mit der offensichtlichen Absicht, das Greening zu diskreditieren. Und was die Kontrolle anbeträfe, so habe der Haushaltskontrollausschuss der EU genaues Hinsehen gefordert, „solange die Hälfte des Geldes aus Brüssel kommt“.
 
Breiten Raum nahm die aktuelle Diskussion um den Flächenverbrauch ein. Straßen- und Wohnungsbau, Gewerbegebiete und Einkaufszentren benötigten immer häufiger landwirtschaftliche Flächen, während es gerade in ländlichen Räumen viele Leerstände gebe. Hier müsse gerade auf kommunaler Ebene die Diskussion geführt werden. Welche neuen Bau- und Wohnformen sind anzustreben? Wie kann regionale Vermarktung gestärkt werden? Wie können Anreize für ein bewusstes, verantwortungsvolles Einkaufsverhalten gegeben werden.
Völliges Unverständnis äußerte abschließend ein Landwirt gegenüber dem Kreisobmann des Bauernverbandes. Der habe in einem Gespräch mit MdB Ramsauer, auf dessen Verwunderung, warum nicht über die Milch geredet werde, sinngemäß geantwortet, 35 Cent, das passe schon wieder. Er sei entsetzt, so der Landwirt weiter, wie jemand seinen eigenen Leuten so in den Rücken fallen könne.