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WirtschaftsWoche Online
Dritte Abstimmung und noch immer kein Ergebnis: Ob der beliebte Unkrautvernichter Glyphosat in der EU verboten wird, bleibt fraglich. Nun muss die EU-Kommission entscheiden - und zwar rasch, denn die Zulassung läuft ab.

Es ist ein Trauerspiel: Auch in der dritten Abstimmungsrunde haben sich die EU-Staaten am 24. Juni wieder nicht darüber einigen können, ob der weltweit am häufigsten angewendete Unkrautvernichter Glyphosat in Europa weiter zugelassen bleibt oder ob er verboten wird. Bei der Zusammenkunft von Vertretern der EU-Staaten in Brüssel fehlte erneut eine sogenannte qualifizierte Mehrheit, in die auch die Einwohnerzahl der jeweiligen Länder mit eingeht.

Das klare Ja für den Unkrautkiller kam auch deshalb nicht zustande, weil Deutschland und sechs weitere Staaten sich enthielten. Damit stimmten nur 19 Länder für die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verlängerung der Zulassung um bis zu 18 Monate. Frankreich und Bulgarien votierten dagegen.

Nun ist die EU-Kommission am Zug.

Sie muss jetzt eine Entscheidung treffen - und zwar sehr rasch, denn die Genehmigung für die möglicherweise krebserregende Agrar-Chemikalie läuft Ende Juni aus. Voraussichtlich wird die Kommission in Brüssel Mitte kommender Woche die Zulassung selbst verlängern.

Zwar hatte die Kommission die Länder förmlich bekniet, doch eine Entscheidung zu treffen. Die drückten sich aber erneut davor.

"Nun hat Brüssel die Arschkarte', spricht der Grünen-EU-Abgeordnete Martin Häusling Klartext. Wieder einmal 'sind viele Staaten zu feige, selbst eine klare Position zu beziehen', sagt der Agrar- und Umweltpolitiker. Tatsächlich würde die Sachlage immer verworrener, seit die sogenannte technische Verlängerung der Zulassung vor anderthalb Jahren auf die Tagesordnung des entsprechenden EU-Gremiums kam.

'Kein Pflanzengift ist harmlos', räumte zwar auch Roland Solecki, der zuständige Experte des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung schon vor Monaten ein. Doch an sich galt Glyphosat jahrzehntelag als vergleichsweise unproblematisch für die Gesundheit von Mensch und Tier. Dann kamen sich seit Frühjahr 2015allerdings verschiedene internationale Behörden und Agenturen selbst innerhalb der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Gehege: Die einen argumentieren, Glyphosat sie möglicherweise krebserregend. Die anderen halten das für sehr unwahrscheinlich, weil Menschen gar nicht genügend Glyphosat aufnehmen könnten, um solche einen Effekt zu erzielen.

Es herrscht großes Misstrauen

Seither brandete jedenfalls eine sehr emotional geführte Debatte auf, bei der die Lobbyisten der Agrarchemie mit den Vertretern von Umweltverbänden und Ökolandbau zusammen prallen und um die Meinungshoheit und Publikumsmehrheit ringen. Dabei traut keiner mehr dem anderen. Dass viele der von der Industrie finanzierten wissenschaftlichen Studien unter Verschluss und nur den Zulassungsbehörden zugänglich sind, schürt dabei seit langem großes Misstrauen.

Die nun von der Kommission erwartete Zulassung soll mindestens den Zeitraum überbrücken, bis die europäische Chemikalienagentur ECHA das Glyphosat und seine möglichen Risiken für Mensch und Umwelt neu bewertet - was in etwa anderthalb Jahren erwartet wird.

Diese Neubewertung war in Auftrag gegeben worden, als die Debatte zwischen den Wissenschaftlern hoch kochte. Doch so schnell kam die ECHA-Untersuchung nicht.

Bis die ECHA-Beurteilung vorliegt, wird der Streit wohl noch weiter toben, was auch Unternehmen wie Bayer und Monsanto wenig erfreut. Denn bei den Übernahmeabsichten und möglichen Kaufpreisangeboten des deutschen Chemie- und Pharmaunternehmens Bayer dürfte es durchaus eine Rolle spielen, ob Monsanto als einer der weltweit großen Glyphosathersteller das Gift in Europa zukünftig noch vertreiben darf oder nicht.

Auch für das gentechnisch veränderte Pflanzensaatgut, bei dem Monsanto weltweit führend ist, spielt der Einsatz von Glyphosat eine entscheidende Rolle.

Für Freunde einer umweltfreundlichen Landwirtschaft wie Grünen-Politiker Häusling stellt die jetzige Entscheidungslage zumindest einen Punktsieg dar: 'Anfangs wollte die Kommission die Glyphosat-Zulassung ganz ohne weitere Auflagen für 15 Jahre verlängern.' Das ist definitiv vom Tisch. Nun wird eine nur 18-monatige Verlängerung der Zulassung erwartet.

Wie allerdings in Zukunft die Mehrheiten aussehen werden - und ob die Briten nach dem Brexit dann noch mitstimmen dürfen, - ist derzeit völlig offen. Sicher ist nur: Mit Großbritannien ginge den Befürwortern einer eher industriell und biotechnisch geprägten Landwirtschaft ein wichtiger Fürstreiter verloren.

Streit ums Glyphosat - worum es geht

Was soll am Freitag passieren?

Vertreter der EU-Staaten sollen erneut über eine Verlängerung der aktuellen Zulassung um bis zu 18 Monate abstimmen. In dieser Zeit soll die europäische Chemikalienagentur Echa ein Gutachten vorlegen. Wenn am Freitag erneut nicht die nötige Mehrheit zustande kommt, muss die EU-Kommission entscheiden. Dabei dürfte sie die verlängerte Zulassung genehmigen - schließlich hat sie diese den Staaten selbst vorgeschlagen. Die formelle Entscheidung könnte am Montag fallen, wenn sich die EU-Kommissare voraussichtlich zu ihrer nächsten Sitzung treffen.

Warum wird nun schon seit Monaten über das Thema diskutiert?

Am Unkrautkiller Glyphosat hat sich so etwas wie eine Grundsatzdebatte um Chemikalien in der modernen Landwirtschaft entzündet. Gegner der Substanz verweisen auf eine mögliche Krebsgefahr, Verfechter halten die ganze Debatte für überzogen und unwissenschaftlich. In der Tat stellt sich die Frage, warum gerade um Glyphosat ein solcher Streit entbrannt ist, um andere Mittel aber nicht. Kritiker ficht das nicht an: Sie sind froh, dass in der Glyphosat-Debatte auch einmal ganz grundsätzlich über den Einsatz chemischer Mittel in der Landwirtschaft gesprochen wird.

Wie positioniert sich die Bundesregierung?

Das ist ein heikles Thema, weil die Große Koalition in der Frage uneins ist. Ursprünglich hatte Sigmar Gabriels (SPD) Wirtschaftsministerium Zustimmung für eine Neuzulassung signalisiert. Doch dann entdeckte die SPD im Umfragetief das Thema für sich und stellte sich quer. Die Partei verweist mittlerweile auf mögliche Gesundheitsgefahren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) wollen die weitere Verwendung hingegen auf EU-Ebene genehmigen. Da beide Seiten nicht zusammenfinden, muss sich Deutschland enthalten.

Wie wichtig ist Glyphosat für die Landwirtschaft?

Die Substanz ist eines der weltweit meistgenutzten Herbizide, in Deutschland kommt Glyphosat auf rund 40 Prozent der Felder zum Einsatz. Das Mittel wird vor allem dazu genutzt, Unkraut beim Anbau von Feldfrüchten zu bekämpfen. Auch auf Getreide- oder Rapsfeldern kommt es vor der Aussaat zum Einsatz. Mit dem Mittel lässt sich der Aufwand bei der Feldarbeit vermindern. Für Umweltschützer ist ein möglicher Mehrarbeit den Verzicht wert. Der Bauernverband sieht bei sachgemäßer Anwendung hingegen keine negativen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt und plädiert für den weiteren Einsatz von Glyphosat.

 

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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