Grüne Europagruppe Grüne EFA

21.11.2013  TAZ
Die EU preist ihre gestern beschlossene Agrarreform als "fair". In Wirklichkeit gibt sie den Großen noch mehr Subventionen
VON JOST MAURIN

BERLIN taz | Die Reform der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen ist ungerechter und kaum umweltfreundlicher als die bisherigen Regeln. Das zeigen die am Mittwoch endgültig vom Europäischen Parlament beschlossenen Verordnungen und deren geplante Umsetzung in Deutschland.

Derzeit fließt der Löwenanteil der jährlich 58 Milliarden Euro EU-Subventionen an Großbetriebe. Denn die wichtigste Subventionsart, die Direktzahlungen, wird nach dem Grundsatz vergeben: Je größer die Fläche, desto höher die Zahlung - egal, ob die Landwirte umweltfreundlich arbeiten oder nicht. Deshalb kassieren 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Direktzahlungen. Dabei bieten die kleinen Höfe pro Fläche meist mehr Arbeitsplätze als große.

EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos wollte ursprünglich die Subventionen neu verteilen. Doch vor allem die Regierungen der Mitgliedsstaaten, unter anderem Deutschlands, erreichten zum Beispiel, dass Großgrundbesitzer mehr Direktzahlungen bekommen als bisher. Denn nach der derzeitigen Verordnung werden alle Beträge über 300.000 Euro um 14 Prozent gestutzt. Nach der Reform werden es nur noch 6 bis 7 Prozent sein. Das sind Betriebe mit mehr als etwa 1.000 Hektar.

Zwar sollen kleinere Bauernhöfe besonders profitieren, weil es für die ersten 46 Hektar einen Aufschlag geben wird. Kleine Höfe werden so laut Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) bis zu 1.000 Euro pro Betrieb und Jahr zusätzlich erhalten. Aber insgesamt sollen dafür in Deutschland nur 6,9 Prozent statt der von der EU erlaubten 30 Prozent der Direktzahlungen fließen. Das haben die Agrarminister von Bund und Ländern Anfang des Monats vereinbart. "Diese Umverteilung wird nicht dazu führen, den Strukturwandel hin zu immer größeren Betrieben aufzuhalten", sagt Sebastian Lakner, Agrarökonom der Universität Göttingen.

Auch die Ökobilanz der Reform wird in der Bundesrepublik nach jetzigem Stand schlechter ausfallen als erwartet. Immerhin verlangt die Verordnung, dass die Bauern ab 2015 fünf Prozent ihrer Ackerfläche "im Umweltinteresse" nutzen. Erlaubt sind dort zum Beispiel Hülsenfrüchte, die Stickstoff im Boden fixieren und so umweltschädliche Dünger überflüssig machen. Doch der am Mittwoch beschlossene Text lässt es zu, dass die Bauern auch hier Pestizide einsetzen, die die Artenvielfalt einschränken und das Grundwasser belasten können.

Umweltschützer hoffen, dass die EU-Kommission die Ackergifte nachträglich per "delegiertem Rechtsakt" verbietet. Aber gegen diese Art von Verordnung können Rat oder Parlament jeweils ein Veto einlegen. Und 23 der 27 EU-Staaten haben bereits gefordert, den Chemieeinsatz nicht zu beschränken.

Besonders negativ beurteilen Wissenschaftler, dass das Budget zum Beispiel für Ökolandbau, Tierschutz und Agrarumweltmaßnahmen in Deutschland dem mittelfristigen Haushaltsrahmen der EU zufolge sinkt - laut AbL um 6 Prozent gegenüber diesem Jahr.

Die Grünen im Europa-Parlament haben am Mittwoch gegen die neuen Regeln für die Direktzahlungen gestimmt, die größtenteils ab 2015 gelten werden. "Wir unterstützen kein Greenwashing", sagte der deutsche Abgeordnete Martin Häusling. Der Vorsitzende des Agrarausschusses, Paolo De Castro von Italiens Demokratischer Partei, dagegen erklärte: "Die neue Gemeinsame Agrarpolitik wird ein besseres Gleichgewicht zwischen Ernährungssicherheit und Umweltschutz herstellen". Und "fairer", ergänzte der Politiker, werde sie auch.


[Wir dokumentieren den Artikel im Wortlaut]

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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