Neue Gentechnik bei Pflanzen bald auch in Europa? Gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel ernsthaft in Gefahr!
Seit mehr als 18 Monaten ringen die EU-Mitgliedsstaaten um eine gemeinsame Position zur Neuen Gentechnik (‚NGTs‘) bei Pflanzen. Die EU-Kommission hatte die Diskussionen durch ihren Vorschlag zur Deregulierung der NGTs im Sommer 2023 angeschoben. Nun sieht es so aus, als ob die Mitgliedsländer sich am 14. März auf eine Position festlegen werden. Das bedeutet, dass anschließend die finalen Verhandlungen zwischen den Mitgliedsländern (Rat), EU-Kommission und Europäischem Parlament starten werden - im Trilog. Das Ergebnis ist von großer Bedeutung für die Entwicklung der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft.
Martin Häusling, Mitglied im Agrar- , Gesundheits- sowie im Umweltausschuss ist der Verhandlungsführer der grünen Fraktion im Europäischen Parlament zur Neuen Gentechnik und lehnt die Deregulierung der Neuen Gentechnik ab. Er kommentiert:
„Der Dammbruch bei der Deregulierung der Neuen Gentechnik auf EU-Ebene steht vor der Tür. Die polnische Position wird nächste Woche höchstwahrscheinlich eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten hinter sich vereinen. Diese sieht eine drastische Deregulierung der Neuen Gentechnik vor.
Das Einknicken Gentechnik-skeptischer Mitgliedsstaaten wie Polen im Rat ist fatal.
Im sich abzeichnenden Trilog ist es essenziell, wenigstens Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit, die in der Position des EU-Parlaments beschlossen wurden, in den Verhandlungen zu verteidigen und diese in die finale Gesetzgebung zu übernehmen‘.
Die angeblichen ‚Nachhaltigkeitsgründe‘, die von Deregulierungs-Befürwortern ins Feld geführt werden, insbesondere, dass die Gentechnik-Pflanzen weniger Pestizide bräuchten und auch im Klimawandel Ertrag bringen, sind bloßes Wunschdenken, wie von der Schweizer Ethikkommission bestätigt.
Die geplante Deregulierung der Neuen Gentechnik wäre ein großer Fehler; sie handelt nach dem Motto ‚Augen zu und durch‘ statt nach dem Vorsorgeprinzip. Gentechnisch verändertes Saatgut soll ohne ernstzunehmende Risiko- und Sicherheitsprüfungen auf europäischen Feldern angebaut werden können, gentechnisch veränderte Pflanzen ohne Prüfung und Kennzeichnung verarbeitet und vermarktet werden können. Für die Lebensmittelwirtschaft wäre das eine extreme Belastung - sie müsste die Kosten für Sicherheitsprüfung und Haftungsrisiken für die ‚Neuartigen Lebensmittel‘ (Novel Food) tragen - die Biotechnologie-Firmen hingegen wären fein raus.
Profiteure einer Gentechnik-Deregulierung sind die Biotechkonzerne - sie setzen darauf, dass sie über Lizenz- (also ‚Nutzungs-) gebühren beim Anbau der Gentechnik-Sorten ordentlich Kasse machen. Dafür müssen sie ihre Gentechnik-Sorten patentieren lassen - und das werden sie auch, denn das ist das Geschäftsmodell bei Gentechnik-Pflanzen. Auf der Strecke bleiben dann Saatgutzüchter, die diese Gebühren nicht entrichten können, Ergebnis: eine weitere Machtkonzentration des Saatgutsektors, weniger regional angepasste Sorten, weniger Vielfalt.
Hinweis: Die Kosten für die Zulassung eines neuen Lebensmittels nach der Novel Food Verordnung (Verordnung (EU) 2015/2283) können abhängig von mehreren Faktoren stark variieren. Eine grobe Schätzung für die Zulassungskosten liegt zwischen 100.000 und 500.000 Euro.
Die Haftungskosten für einen Lebensmittelunternehmer, der ein neuartiges Lebensmittel ohne korrekte Zulassung nach der Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283 auf den Markt bringt, können erheblich sein. Diese Kosten setzen sich aus Bußgeldern, Rückrufkosten, Schadensersatzforderungen und Imageverlust zusammen. In einigen EU-Ländern können Strafen in Höhe von 100.000 bis 500.000 Euro verhängt werden, insbesondere wenn die Sicherheit der Verbraucher gefährdet ist.
(Eigene Recherche. Quellen: Europäische Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32015R2283
Fallstudien und Branchenberichte)
Siehe auch das Rechtsgutachen zur alleinigen Haftung der Lebensmittelindustrie: https://www.ohnegentechnik.org/artikel/rechtsgutachten-haftungsrisiken-bei-neuer-gentechnik-nicht-auf-eu-lebensmittelwirtschaft-abwaelzen
Mehr Infos: https://martin-haeusling.eu/themen/agro-gentechnik.html