Keine Mehrheit für gelockerte Gentechnikregeln im EU-Agrarrat, aber EU-Agrarausschuss macht Kampfansage
Neue Gentechnik: Agrarrat noch nicht überzeugt, Agrarausschuss dafür
Die EU-Agrarminister:innen der EU konnten sich gestern im Agrarrat nicht auf ejnen Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft für die Deregulierung der Neuen Gentechnik (NGT) einigen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied des Umwelt- und Gesundheitsausschusses kommentiert:
„Die gestrige fehlende Mehrheit der EU-Mitgliedsländer für eine weitgehende Deregulierung der Neuen Gentechnik (NGT) stimmt ein wenig hoffnungsvoll. Und gibt Kraft - für Europas Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Bäuerinnen und Bauern und für die Natur -, denn die Konsequenzen der vorgeschlagenen Änderungen sind sehr kritisch einzuschätzen und wären eine Abkehr vom Vorsorgeprinzip. Der Deregulierungsvorschlag zur Abschaffung der Kennzeichnungsvorschriften, der Sicherheitsprüfungen und jeglicher Art von Haftungsverfahren für neue Gentechnik hätte die Transparenz darüber geopfert, ob die Saaten, Pflanzen und Lebensmittel, die wir anbauen, kaufen und essen, neue Gentechnik enthalten oder nicht. Auch die direkten und indirekten Auswirkungen der Freisetzung neuer Gentechnik in der Natur und auf die biologische Vielfalt wurden bisher nicht bewertet.
Doch gestern Abend hat auch der Agrarausschuss (AGRI) des Europäischen Parlaments seine Position zu NGTs abgestimmt. Diese Position wird als Stellungnahme in die Position des Umwelt- und Gesundheitsausschusses einfließen. Diese ist eine desaströse Kampfansage an den verantwortungsvollen Umgang mit Gentechnik und ein Schlag gegen die Europäischen Vorsorgeregelungen. Die Position besagt unter anderem: Neue Gentechnik ohne Kennzeichnung in der gesamten Warenkette, noch nicht mal für das Saatgut. Koexistenz-Maßnahmen für gentechnikfreien Anbau sind gestrichen. Das Verbot von NGT der Kategorie 1 im Biolandbau wird zwar in einem Passus bestätigt, in einem anderen jedoch aufgehoben und kann zudem durch eine Revisionsklausel sieben Jahre nach Inkrafttreten der neuen Verordnung gekippt werden. Damit ist klar: Würde diese Stellungnahme des Agrarausschuss zur Position des Parlaments, käme das einem Desaster gleich. Wir werden uns deshalb weiter mit ganzer Kraft dagegen wehren. Einigkeit herrschte hingegen darüber, dass NGT Pflanzen, Pflanzenmaterial, Pflanzenteile und die genetische Information, die die Pflanzen enthalten, nicht patentierbar sein sollen.
Ich begrüße die Haltung von Agrarminister Cem Özdemir, der sich weiterhin für Koexistenz, Transparenz und das Vorsorgeprinzip ausspricht und im Agrarrat eine deutsche Stimmenthaltung durchsetzen konnte. Eine erneute Abstimmung im Ausschuss der Ständigen Vertretung ist bereits für den 21. Dezember vorgesehen. Sollte es dann eine Mehrheit für die Gentechnik-Deregulierung geben, so wird der Rat dieses Abstimmungsergebnis im Januar nur noch formal bestätigen.
Die Gentechnikbefürworter werden in den nächsten 9 Tagen alles daran setzen, die Länder, die sich gegen den Vorschlag ausgesprochen haben, noch mit kleinen Zugeständnissen umzustimmen. Das muss verhindert werden.“