Grüne Europagruppe Grüne EFA

Im prominent und vollbesetzten Kurhaus in Bad Zwesten trafen sich auf Einladung des grünen Europaabgeordneten Martin Häusling knapp 200 Experten und Interessierte, um über den richtigen Umgang mit Wald und den nötigen Waldumbau aufgrund des Klimawandels zu sprechen. Denn dem Wald geht es immer schlechter, und nur jeder fünfte Baum in deutschen Wäldern ist laut Waldzustandsbericht 2023 noch gesund.

Durch die Häufung und Verschärfung von Witterungsextremen wie Hitze, Trockenheit und Stürme werden Wälder geschwächt, und durch vermehrte klimatische Stresssituationen und Schädlingsbefall stirbt ein erheblicher Baumbestand ab. Das hat Folgen: Von 1991 bis 2022 ist die CO2-Speicherung in den Wäldern um 46 Prozent gesunken.

Prof. Pierre Ibisch von der Hochschule Eberswalde zeigte zur Einführung in einer eindringlichen Präsentation, wie es aktuell um den Wald steht. Grußworte von den Ressortspitzen der in Berlin zuständigen Bundesministerien durch die Parlamentarische Staatssekretärin Claudia Müller (Landwirtschaft) und Staatssekretärin Bettina Hoffmann (Umwelt) gaben einen Ausblick auf zukünftige bundesweite Regelungen und Lösungsansätze. So sei ein neues Waldgesetz in Arbeit, in dem die Forstwirtschaft und auch Ökosystemdienstleistungen gleichrangig behandelt werden - von denen früher nicht die Rede war.

Carl Anton Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Präsident des Hessischen Waldbesitzer-verbands, sprach auf dem Podium für die Interessen der Privatwaldbesitzer. Dort war mit Oliver Conz, Staatssekretär im Hessischen Umweltministerium, auch die hessische Bürokratie ranghoch vertreten. Zur Sprache kamen auch die verschiedenen Nutzungs-konflikte um den Wald. Dabei war man sich unter den wissenschaftlichen Experten, Politikern, Praktikern und den Waldbesitzern im Saal einig: Der Handlungsdruck für gute Regelungen und eine angepasste Bewirtschaftung ist immens. Die Situation draußen sei sehr komplex und nicht mehr „fünf-vor-zwölf“, sondern eher „zwölf“ und der Wald aufgrund des Klimawandels in einer existenziellen Krise. Dieser vollziehe sich in den letzten Jahren in einer ungeahnten Dynamik. Allein der Trockenstress für Rotbuchen seit 2018 sei früher kaum vorstellbar gewesen, die Wasserbilanz verheerend. Selbst die Wissenschaft laufe den Entwicklungen hinterher und könne aufgrund dieser Dynamik für die kommenden Jahrzehnte kaum verlässliche Empfehlungen aussprechen. Klar wurde jedoch, dass die Rezepte von früher nicht mehr passen. Die Zeiten von Monokulturen seien vorbei, gemischte Kulturen mit hohen Laubbaumanteilen sind widerstandsfähiger gegen den Stress durch Hitze und Trockenheit.

Veranstalter Martin Häusling sagte: „Heute wurde deutlich, dass wir mit einem einfachen „Weiter so!“ im Wald nicht vorankommen. Darin waren sich alle Teilnehmenden trotz der teilweise durchaus kontroversen Diskussionen einig. Wir stehen vor enormen Herausforderungen nicht nur angesichts des Klimawandels, sondern auch angesichts der gleichzeitig laufenden Krise in der Biodiversität. Auch die müssen wir im Wald lösen. Dafür braucht es kluge und umsetzbare Konzepte, die die unvermeidlichen Zielkonflikte lösen – und da kommen wir nur voran, wenn öffentliche und private Wälder nach gemeinsam gefundenen Lösungen bewirtschaftet werden. Das geht nicht konfliktfrei, aber aus meiner Sicht müssen wir uns auch auf unpopuläre Wege einlassen. Die Klimakatastrophe betrifft uns alle, deshalb müssen alle mitziehen.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

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