Deregulierung der Gentechnik: Katastrophale Rezeptur für Mensch, Land und Natur
Am vergangenen Donnerstag wurde ein Leak der EU-Kommission zur Deregulierung gentechnischer Verfahren im Pflanzenbau publik. Der finale Gesetzesvorschlag wurde für den 5. Juli angekündigt. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied des Umwelt- und Gesundheitsausschusses, kommentiert:
„Die in diesem Leak angedachten Deregulierungsbestrebungen sind in ihren Auswirkungen katastrophal und rundheraus abzulehnen.
In weiten Teilen des Vorschlags folgt die EU-Kommission zu 100 Prozent der Rhetorik der Gentec-Lobby, indem sie die Annahme der Gleichwertigkeit bestimmter gentechnisch veränderter Pflanzen zu konventionell gezüchteten oder sogar zu natürlichen Pflanzen als mögliche Option für den Verzicht auf Zulassungsverfahren und Kennzeichnung voraussetzt.
Solche Pflanzen sollen völlig von Risiko-Evaluierung, Nachverfolgung und Kennzeichnung ausgenommen werden.
Zahlreiche Wissenschaftler und zahlreiche Forschungsprojekte zeigen, dass diese Annahme wissenschaftlich nicht haltbar ist. Jeder direkte Eingriff in das Genom einer Pflanze kann unvorhergesehene Auswirkungen haben und birgt ein viel höheres Risiko als konventionelle Züchtung. Dies wurde schon mehrfach dokumentiert.
Außerdem wird damit die in Europa nach dem Vorsorgeprinzip verankerte Prozesskontrolle verlassen, die allen horizontalen Regelungen der Lebensmittelkette zugrunde liegt und es wird zum US-amerikanischen Prinzip der Endproduktkontrolle übergegangen. Das widerspricht völlig den EU-Verträgen.
Gleichzeitig betont die Kommission, dass auch diese nicht gekennzeichneten Pflanzen im Ökolandbau verboten sein sollen. Wie das ohne Kennzeichnung und Nachverfolgung gehen soll, sagt die Kommission nicht. Schlimmer noch: Die Hersteller sind nicht einmal verpflichtet, Nachweismethoden bereit zu stellen.
Für die Verbraucher brächte dieser Regelungskahlschlag größtmögliche Intransparenz und Null-Wahlfreiheit. Für die Ökobranche wäre es ein vorsätzlich herbei geführter Genickbruch.
Die Kommission setzt noch einen drauf und nimmt die 2015 eingeführte „Opt-Out“-Regelung zurück, die den Mitgliedstaaten ermöglichte, nationale Verbote für bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen zu erlassen.
Fazit: Dieser Vorschlag darf nicht zum Gesetzesvorschlag werden!“
Weiter Informationen:
Neue Gentechnik ist nicht „natürlich“: Studien-Auswahl zu unbeabsichtigten Effekten:
Gen-Editierung macht das gesamte Genom für Veränderungen zugänglich - im Gegensatz zu natürlich vorkommenden genetischen Veränderungen.
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpls.2019.00525/full
2017 - Die Genschere reparierte bei Mäusen nicht nur die zuvor anvisierte Mutation – sondern löste zum Teil hunderte weitere Veränderungen aus. Das Brisante dabei: Gängige Algorithmen, die Forscher für die Vorhersage solcher möglichen Nebeneffekte nutzen, hatten die ungeplanten Mutationen nicht prognostiziert.
https://www.scinexx.de/news/medizin/genschere-verursacht-doch-ungewollte-mutationen/
2019 - Forscher finden heraus, dass Genmanipulation zur Schaffung virusresistenter Maniokpflanzen das Gegenteil bewirkt.
https://www.gmwatch.org/en/106-news/latest-news/18909
2020 - Gene, die durch die Genschere Crispr/Cas ausgeschaltet wurden, können dennoch weiter ihre Arbeit erledigen. Das ergab eine Studie Heidelberger Wissenschaftler.
https://gmwatch.org/en/106-news/latest-news/19280
2020 - Unerwünschte Duplikationen, ungenaue Tests: Studie münsterscher Forscher nährt Zweifel an der „Genschere“ CRISPR/Cas9. https://idw-online.de/de/news739647
Studie 2020: Im ersten Experiment gab es bei rund einem Fünftel der Eingriffe ungewollte. Nebenwirkungen: Zum Beispiel wurde neben der defekten DNA viel mehr weggeschnitten als beabsichtigt oder bestimmte Abschnitte verschoben sich. Bei einer zweiten Studie ging zum Teil der komplette DNA-Strang verloren, und nicht nur der anvisierte Abschnitt. Und auch im dritten Versuch war oft der ganze DNA-Strang von den Änderungen betroffen.
https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/gentechnik-crispr-cas-warnung-vor-risiken
Siehe auch: Faktensammlung zum Thema Neue Gentechnik