Zur Position des Europäischen Parlaments: Kohlenstoffkreisläufe nachhaltiger gestalten!
Das Europäische Parlament hat heute seine Position zu nachhaltigen Kohlenstoffkreisläufen abgestimmt. Im Mittelpunkt stand dabei ‚carbon farming‘. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, war der verantwortliche Grüne bei der Erarbeitung der Parlamentsposition. Er kommentiert:
„Die Klimaerwärmung kommt nicht von ungefähr, wir treiben ein gefährliches Spiel mit unseren natürlichen Kohlenstoffkreisläufen. Durch die Nutzung fossiler Energieträger, intensive Land- und Forstwirtschaft und die Umnutzung von Mooren und Feuchtgebieten werden die natürlichen Kohlenstoffkreisläufe gestört. Unter den Folgen -Extremwetterereignisse und Versauerung der Meere - leiden mittlerweile Umwelt und Menschen auf der ganzen Welt.
Es ist darum gut, dass das Europäische Parlament sich mit der Frage beschäftigt hat, was nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe auszeichnet. Die federführend im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments erarbeitete Position enthielt auch wichtige Aspekte. Doch hat die konservative Fraktion (EVP) für die Plenarabstimmung weitere Vorschläge eingebracht, denen wir Grüne nicht zustimmen konnten. Die Konservativen haben sich so dafür stark gemacht, dass die Europäische Kommission bei der aktuell erarbeiteten Gesetzesvorlage für die Zertifizierung von Kohlenstoffabscheidung die Definition von carbon farming dahingehend erweitert, dass auch betriebsinterne Minderungsmaßnahmen dazugezählt werden. Damit wären dann Tür und Tor geöffnet für den Handel mit fragwürdigen Kompensationszertifikaten. Wir haben deshalb bei der heutigen Plenarabstimmung gegen das Gesamtpaket gestimmt.
Der Hauptunterschied zwischen Konservativen und vielen Liberalen sowie den Grünen liegt darin, dass die Konservativen und Liberalen davon ausgehen, dass mit technischen Lösungen wie Carbon Capture and Storage (CCS) und Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS) Kohlenstoff ‚eingefangen‘, ‚gelagert‘ und damit ‚unschädlich gemacht‘ werden kann. Die Technologie dafür ist aber noch lange nicht ausgereift und wird es womöglich auch niemals sein. Schon jetzt ist klar, dass diese Verfahren mit erheblichen negativen Umweltauswirkungen einhergehen.
Aus grüner Sicht ist es auch daher zwingend erforderlich, weiterhin die Vermeidung und Verminderung von Treibhausgasen in den Vordergrund zu stellen und die Nutzung fossiler Energien schnellstens zu beenden.
Die Geister scheiden sich auch am Nutzen des Carbon Farming. Ob Landwirtschaft klimafreundlich ist oder nicht, hängt tatsächlich mit der Art der Bewirtschaftung und der Nutzung synthetischer Düngemittel zusammen. Auch deshalb sollten agrarökologische Bewirtschaftungsmethoden zum Standard werden. Die Konservativen aber betrachten das klimafreundlichere Wirtschaften als Hemmschuh, weil es angeblich Erträge mindern würde. Sie fordern deshalb finanzielle Entschädigungen, wenn sie ihre Praxis ändern sollen.
Mit dieser rückwärtsgewandten gestrigen Haltung und Nehmermentalität kommen wir nicht weiter und werden unsere Kohlenstoffkreisläufe nicht schließen. Was wir brauchen, ist entschlossenes Handeln - die ökologische Landwirtschaft zeigt, dass klimaresilientere Systeme möglich sind. Mit mehr Vielfalt statt Monokulturen und mehr Landschaftsgestaltung statt monotoner Ertragsflächen.
Nach diesem heutigen Stimmungsbild aus dem Europäischen Parlament werden wir jetzt unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission für die Zertifizierung von Kohlenstoffentnahmen konstruktiv zu begleiten. Dieser Vorschlag wird aktuell auf Rats- und Parlamentsebene diskutiert“.
Weitere Informationen:
Pressemitteilung von Martin Häusling vom 7. Februar 2023 zu Carbon Farming: https://martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2946-carbon-farming-gute-idee-oder-greenwashing.html
Positionspapier Martin Häusling vom 17. November 2020: ‚Lebendige Böden statt Kohlenstofflagerstätten! Positionspapier zu CO2-Zertifikaten und Kohlenstoffspeicherung in Böden‘
Briefing Martin Häusling zu Carbon Removals und CO2 Zertifizierung (Feb. 2023)