Grüne Europagruppe Grüne EFA

Bei der Online-Veranstaltung gestern Abend von Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, wurde erneut deutlich, welch enorme und gemeinhin unterschätzte Gefahr von Antibiotikaresistenzen ausgeht. Dazu kommentiert der grüne Europapolitiker:

„Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht bei Antibiotikaresistenzen von einer stillen Pandemie. Die WHO sagt auch, wir sollten bestimmte Wirkstoffklassen der Reserveantibiotika nicht mehr in der Tiermast einsetzen, denn sie sollten der Behandlung von Menschen vorbehalten sein. Die EU-Gesetze folgen dieser dringenden Empfehlung aber nicht. Und damit geht der übermäßige Ge- und Missbrauch von Reserveantibiotika in der Tiermast auch unter den neuen gesetzlichen EU-Vorgaben weiter.

Die EU-Kommission hat sich mit dem Green Deal auch bei den Antibiotika ein ambitioniertes Ziel von 50% Reduktion gesetzt. Eine Strategie, wie diese Reduktion erreicht werden soll, bleibt sie aber weiter schuldig. Wir als Agrar- und Umweltpolitiker und -politikerinnen stehen in der Pflicht, dieses Thema aus der Nische in die breite Öffentlichkeit zu tragen und somit dafür zu sorgen, dass die schleichende Pandemie der Antibiotikaresistenzen nicht unter dem Radar der Öffentlichkeit verläuft.“

Reinhild Benning, Senior Beraterin für Agrarpolitik bei der Deutschen Umwelthilfe und Tierhaltungsexpertin:

„Wissenschaftsuntersuchungen und Marktanalysen zeigen, dass in der EU bis 2030 mehr Antibiotika in Tierfabriken eingesetzt werden als heute und somit die Tierärztliche Praxis dem Ziel der Halbierung diametral entgegenläuft. Die industrielle Fleisch- und Milcherzeugung bleibt so lange ein Treiber der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen bis wirksame Politikmaßnahmen den gesetzlichen Rahmen neu ausrichten zugunsten der Gesundheit von Mensch und Tier. Das Wichtigste ist, Reserveantibiotika als Gruppenbehandlung ganzer Tierherden mit Hundertausenden Masthühnern zu unterbinden, weil diese sogenannte Metaphylaxe massiv zur Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen vom Tier bis in unsere Küchen beiträgt.

Deutschland zählt zu den Antibiotika-Hochverbrauchenden im EU-Ländervergleich des Antibiotikaeinsatzes und des Verbrauchs an Reserveantibiotika wie Colistin in der Tiermast. Neun EU-Staaten verzichten trotz schwacher EU-Vorgaben auf Colistin in der Tiermast. In Deutschland hingegen liegt der Colistineinsatz je Tiergewicht sogar seit Jahren oberhalb der empfohlenen Höchstgrenze der EMA. Wir brauchen einen Umbau der Tierhaltung mit der Akzeptanz für geringere Leistungserwartung in der Zucht und mit fairen Preisen für Landwirt*innen.“

Dr. Jana Schroeder vom Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital macht die Auswirkungen auf Ihre tägliche Arbeit im Krankenhaus deutlich:

„Der One-Health-Ansatz beschreibt ganz richtig: Resistenzen im Krankenhaus und in der Tierhaltung können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Antibiotika, egal ob im Krankenhaus oder in der Tierhaltung gegeben, haben immer einen Effekt auf die Umwelt. Demnächst sind keine weiteren bahnbrechenden Wirkstoffe zu erwarten, so dass das Schwert der wirksamen Antibiotika nur durch Hygiene und durch Restriktion im Verbrauch scharf gehalten werden kann. Wir sind als Gesellschaft auf funktionierende Antibiotika angewiesen, denn ohne wirksame Antibiotika ist die Medizin, wie wir sie heute kennen, nicht mehr möglich: Wir müssen die Antibiotika, die wir haben, schützen!“

Zoe Mayer, Mitglied des Bundestags und Berichterstatterin für Tierschutz der Grünen Bundestagfraktion, verhandelt dieser Tage abschließend eine Novelle des Tierarzneimittelgesetzes:

Der Umbau und auch der Abbau der Tierhaltung in Deutschland ist eine der wichtigsten Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime und damit ein prioritäres Anliegen der grünen Bundestagsfraktion.

Wir haben die vergangenen Wochen und Monate an der Überarbeitung des Tierarzneimittelgesetzes gearbeitet, mit dem wir die neuen EU-Vorgaben umsetzen. Leider ist sind die Vorgaben der EU nicht so streng und ausführlich, wie die WHO empfiehlt und wie wir Grünen uns das wünschen. Wir konnten dennoch einige wichtige Punkte verhandeln, zum Beispiel eine höhere Wertung der Reserveantibiotika, die Verankerung des 50%-Ziels des Green Deal und ein Umwidmungsverbot von Colistin. Ich muss dennoch sagen: Uns geht das nicht weit genug. Wir haben Verbote und klarere Restriktionen gefordert, insbesondere bei Colistin.

In Zukunft müssen wir die Prophylaxe stärken, uns für eine ambitionierte Novelle der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung einsetzen und beim Dispensierrecht Fortschritte machen, denn Verschreiben und Verkaufen sollte klar getrennt werden. Für alles das müssen wir die Humanmedizin stärker miteinbeziehen.“

Weitere Informationen:

Link zur Aufzeichnung der Veranstaltung vom 23.11.22: https://youtu.be/EmyDdJ-bRA0

Link zur Veranstaltungsseite

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Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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