Grüne Europagruppe Grüne EFA

Das Ringen um die Ausgestaltung der Liste der Reserveantibiotika geht in eine weitere Runde. Es handelt sich dabei um diejenigen Antibiotika, die zukünftig der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben sollen. Der entsprechende Vorschlag der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) stieß im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments auf heftige Kritik. Am 4. April wird der Vorschlag nun im Arbeitsgremium der Europäischen Kommission diskutiert - diesem kommt bei der weiteren Ausgestaltung der Liste eine Schlüsselrolle zu. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, kommentiert:

„Ich appelliere ausdrücklich an die Mitglieder des Ständigen Ausschusses für Tierarzneimittel, sich kritisch mit dem Vorschlag der EMA auseinanderzusetzen und diesen in seiner jetzigen Form nicht als Blaupause für den Durchführungsrechtsakt anzunehmen.  Der EMA-Vorschlag reserviert nur Antibiotika für die Humanmedizin, die für Tiere in der EU eh nicht verwendet werden dürfen. Das reicht so nicht, die Liste muss unbedingt um weitere Antibiotika erweitert werden. Die WHO hat hierzu ausreichend Vorschläge gemacht.

Wird der EMA-Vorschlag nicht um weitere Antibiotika ergänzt, so bleibt alles beim Alten: Antibiotika werden weiterhin in der Tiermast verpulvert werden, industrielle landwirtschaftliche Systeme weiter mit Antibiotika am Laufen gehalten und die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen schreitet weiter voran. Als ob die 1.27 Million Tote, die weltweit jedes Jahr aufgrund von Resistenzen nicht mehr therapierbar sind, nicht wake up call genug wären.

Obwohl die EMA in ihrem Vorschlag behauptet, die Tiergesundheit zu schützen, geht der Vorschlag eindeutig nicht auf einige Tierschutzbedenken im Zusammenhang mit dem übermäßigen und missbräuchlichen Einsatz von antimikrobiellen Mitteln ein.

Auch für Colistin, eines der meistgenutzten Antibiotika in der Tiermast, legt die EMA kein überzeugendes Argument dafür vor, warum es weiterhin in der Tiermast eingesetzt werden darf. Zwischen 2011 und 2020 hat der Verbrauch von Colistin in europäischen Krankenhäusern um 67 % zugenommen. Colistin wird in der Gesundheitsversorgung in Europa immer wichtiger und sollte besonders sorgsam eingesetzt werden. Ein großflächiger Einsatz in der Schweinemast, als Ausgleich für die zu frühe Entwöhnung der Ferkel von der Muttermilch, ist aber weder artgerecht noch hilft es, Colistin als Lebensretter zu bewahren. Diese falsche Empfehlung der EMA zu Colistin ist Anlass genug, auch die Empfehlungen der EMA zu den anderen Antibiotika zu überprüfen.

Der Ständige Ausschuss für Tierarzneimittel wird am 4. April über den EMA-Vorschlag entscheiden. Da die Mitglieder dieses Ausschusses, der sich aus Vertreter*innen aus den Agrarministerien der Mitgliedsstaaten zusammensetzt, nicht öffentlich bekannt sind, habe ich mich gestern zusammen mit fünf grünen Kolleginnen und Kollegen in einem Brief an sie und die europäische Gesundheitskommissarin Kyriakides gewandt.“

 

 

Weitere Informationen:

Webstream des Umwelt- und Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments zum Austausch über das EMA-Gutachten

Weitere Infos zu Reserveantibiotika von Martin Häusling

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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