Vorstoß für den Naturschutz mit Schwächen: EU-Gesetzesentwurf zum Stopp der Entwaldung für EU-Konsum
Alle 90 Sekunden verschwindet allein für EU-Importe wie Soja, Palmöl oder Kautschuk eine Waldfläche der Größe eines Fußballfeldes – mit dramatischen Folgen für die Umwelt. Um das zu ändern hat die EU-Kommission im November einen Entwurf für ein Gesetz zum Stopp der weltweiten Entwaldung vorgelegt. Über die Stärken und Schwächen des Entwurfs informierten am Freitag Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments und der WWF in ihrer Veranstaltung „Konsum ohne böse Nebenwirkungen – Versteckte Umweltzerstörung in unseren Lebensmitteln und Holzprodukten beenden!“.
Als „überraschend positiv“ bewertete Martin Häusling den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission. Das Gesetz soll sicherstellen, dass Rohstoffe und verarbeitete Produkte ohne Waldvernichtung erzeugt werden. Im besonderen Fokus steht Soja aus Brasilien. Aber auch Palmöl, Holz, Kaffee und Kakao spielen eine tragende und tragische Rolle.
Häusling verlangte, „Europa muss das auch in Krisenzeiten“ durchziehen. Der Klimawandel und der Biodiversitätsverlust machten auch in Kriegszeiten „keine Pause“. Deshalb sei unabdingbar, angesichts eines weiter voranschreitenden Verlusts von Wäldern und anderer Ökosysteme wie etwa den Baumsteppen Brasiliens („Cerrado“) dieses Gesetzesvorhaben voranzutreiben. Schon angesichts eines brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der weitere riesige Flächen für die Rinderhaltung und den Anbau von Soja roden lassen will, müsse mehr Druck aus Europa kommen, den unwiederbringlichen Verlust wertvollster Ökosysteme zu unterbinden. Die Lage am Amazonas in Brasilien sei derart bedrohlich, dass der Regenwald bald zur Steppe degradiert werde, „das steht unmittelbar bevor“.
Auch der WWF begrüßt das Gesetzesvorhaben, warnt jedoch vor absehbaren Schwächen, die die Bemühungen zum Schutz der Wälder und anderer Ökosysteme ausbremsen könnten: „Nach derzeitigem Stand sollen zahlreiche Ökosysteme wie Savannenwälder, Gras- und Buschlandschaften, Feucht- und Moorgebiete und Mangroven nicht einbezogen werden, wodurch ein großer Teil der Naturzerstörung durch das Gesetz nicht gestoppt oder droht, dorthin verlagert zu werden. Hier muss die EU dringend nachbessern“, fordert Susanne Winter, Leiterin des Waldprogramms beim WWF Deutschland. Daneben kritisieren die Umweltschützer, dass viele Produkte und Rohstoffe bislang nicht berücksichtigt werden, darunter etwa Kautschuk, Mais, Zucker oder Nüsse.
Vorbehalte aus den Mitgliedsstaaten, die Warenströme ließen sich nicht lückenlos und authentisch kontrollieren, wurden am Freitagnachmittag in der Veranstaltung aus Sicht von WWF, Privatwirtschaft und GIZ ausgeräumt. Diese Überwachung sei vielfach erprobt. Tatsächlich sähen sich einige Beteiligte lediglich in ihren „Geschäften gestört“, wenn hohe Umweltstandards gelten würden. Häusling plädierte dafür, auch andere Länder außerhalb der EU an der Initiative zu beteiligen. „Wir müssen auch China mitnehmen“, sagte der EU-Parlamentarier. Es dürfe nicht sein, dass die EU nur noch zertifizierte Produkte einführe und die anderen Länder „weiter den Dreck nehmen“.
Nach Angaben von WWF-Waldexpertin Susanne Winter gehen für neue landwirtschaftliche Flächen weltweit jährlich mehr als zehn Millionen Hektar Wald verloren – das entspricht der gesamten Waldfläche Deutschlands. Nach Berechnungen des WWF liegt der Pro-Kopf-Verbrauch in der EU von Soja bei jährlich 60,6 Kilogramm. 23 Prozent davon kommen aus dem zunehmend zerstörten südamerikanischen Cerrado - einer Savannenlandschaft, die der Gesetzesentwurf nach derzeitigem Stand nur teilweise schützt. „Die Waldvernichtung führt zu einem beschleunigten Biodiversitätsverlust und feuert die Erderhitzung an. Ein starkes Gesetz, das allen Unternehmen in der EU die gleichen Pflichten auferlegt, schützt den Wald und sichert wirtschaftliche Fairness. Der Gesetzesentwurf bezieht derzeit aber nur 75 Prozent der Entwaldungstreiber ein. Hier sollte sofort und nicht – wie von der Kommission vorgeschlagen – erst in zwei Jahren nachgebessert werden. Die Zeit läuft uns schon jetzt davon!“