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Die gegen eine rechtliche Initiative der Grünen gerichtete Kampagne des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (bpt), die Haustieren eine lebenswichtige Antibiotikaversorgung sicherstellen solle, läuft ins Leere. Ein Factsheet der Europäischen Kommission bestätigt endgültig, dass der bpt mit seinen Behauptungen irrt. Denn die Kommission ist es selbst, die in Zukunft ein wesentlich eingeschränkteres Arzneimittelportfolie für die Behandlung für Haustiere vorsieht. Die Kommission stellt ausdrücklich klar, dass die Antibiotika, die auf der Liste der Reserveantibiotika für die Humanmedizin landen, für alle Tierarten verboten sind, und zwar ohne Ausnahme.

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im EU-Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments ist der Initiator des vom bpt so heftig kritisierten Rechtstextes, über den am 15.9. abgestimmt wird:

„Das Factsheet belegt es schwarz auf weiß: ‚Die Anzahl der antimikrobiellen Mittel, die noch für die Verwendung bei Tieren zur Verfügung stehen, soll auf das absolute Minimum reduziert werden‘ (Zitat gekürzt, ganzer Originalwortlaut im Factsheet).

Ausnahmen für Einzeltierbehandlung - von Haustieren oder Nutztieren - sieht das Gesetz ausdrücklich nicht vor. Mehr noch: Die Kommission lehnt bisher die Einführung von solchen Ausnahmen ab.  Das heißt, ein Mittel, das auf der Reserveliste steht, ist absolut verboten für Tiere, ohne Ausnahme.

Diese Antibiotika, das macht die Kommission im Sinne eines umfassenden Gesundheitsschutzes für die Bevölkerung klar, werden dann allein Menschen vorbehalten bleiben.

In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Von den 24 wichtigsten Antibiotikaklassen wären dann 16 für die Tiermedizin verloren. Das ist doch deutlich mehr als ich in meinem Gegenvorschlag fordere: Ich spreche mich für ein Verbot von vier, maximal fünf Wirkstoffklassen aus.  Mein Widerspruch (hier in eigener Übersetzung aus dem Englischen) spricht sich außerdem explizit dafür aus, dass Einzeltierbehandlung ermöglicht werden soll. Hund, Katze und anderen Tieren soll also keinesfalls die Behandlung mit Antibiotika versagt bleiben. Aus uns Grünen völlig unerfindlichen Gründen ist der bpt dagegen Sturm gelaufen.

Mein Widerspruch ist aber auch deshalb besser, weil er die Gruppenbehandlung von Tieren mit Reserveantibiotika, wie gängige Praxis bei Geflügel und Schweinemast, verbieten will. Aktuell ist es gängige Praxis, dass in Mastbetrieben auch nicht-infizierte Tiere übers Futter oder die Tränkeanlage mit Antibiotika behandelt werden und so entscheidend zur Resistenzentwicklung beitragen. Diese Verschwendung lebensrettender Reserveantibiotika können sich weder Mensch noch Tier leisten! Schließlich sterben schon jetzt jedes Jahr in der EU 33 000 Menschen aufgrund von Antibiotikaresistenzen, da ihnen kein Antibiotikum mehr zur Verfügung steht, das ihnen helfen kann.

Das Problem der zunehmenden Antibiotikaresistenzen ist sehr ernst. Veterinär- und Humanmedizin müssen an einem Strang ziehen. Was der bpt sich in den letzten Wochen geleistet hat, ist schlicht fahrlässig. Er hat mit seiner Kampagne fake news in die Welt gesetzt und Stimmungsmache betrieben.

Jetzt heißt es auch für die Haustierhalter, alles zu geben, wenn sie in einigen Monaten kein böses Erwachen erleben wollen. Den bpt rufe ich auf, Schadensbegrenzung zu betreiben, sonst haben sie endgültig bewiesen, dass ihnen die Belange der Kleintierpraxen unterm Strich weniger wichtig sind als die Interessen einiger weniger Praxen, die ihr Geld vor allem in der Geflügelindustrie und Schweinehaltung verdienen.“

 

Hintergrund:

Am 15.9. wird das Europäische Parlament über einen Einspruch zu einem delegierten Rechtsakt abstimmen, der für die zukünftige Verwendung von Reserveantibiotika von großer Bedeutung ist. Im Wesentlichen geht es darum, welche Reserveantibiotika zukünftig der Humanmedizin vorbehalten bleiben, und ob es zu einer expliziten Ausnahme für die Behandlung von Haustieren und einzelnen Nutztieren mit solchen Reserveantibiotika sowie eine weitestgehende Reduzierung in der Massentierhaltung kommen soll. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) hat in den vergangenen Wochen eine großangelegte Lobbykampagne gegen diesen Einspruch gefahren. V.a. Haustierhalter wurden mobilisiert gegen den Einspruch zu protestieren. Aktuell haben über 350 000 Menschen eine vom bpt gepushte Petition gegen den Einspruch unterzeichnet: 

https://www.change.org/p/europ%C3%A4ische-parlament-eu-will-weitreichendes-antibiotikaverbot-f%C3%BCr-tiere-gefahr-f%C3%BCr-unsere-tiere

Wenn es so kommt, wie es die Europäische Kommission jetzt in ihrem Factsheet sagt, dann entsteht mit den aufgeführten Kriterien im Kommissionsvorschlag eine Liste, die sehr wenige Antibiotika für Tiere freigibt – viel weniger als mein im Einwand formulierter Vorschlag, der zudem noch die Einzeltierbehandlung ausdrücklich erlauben will. Um in der Bildsprache des bpt zu bleiben: Durch meinen Einspruch ist ein Hundeleben keinesfalls in Gefahr, mit dem vom bpt unterstützen delegierten Rechtsakt der Kommission aber möglicherweise schon.

Wie meine Fraktion und ich seit Wochen nicht müde werden darzustellen, ist es keineswegs mein Einspruch gegen den Vorschlag der Kommission der die medizinische Behandlungspalette für Haustiere in Zukunft einschränken möchte. Das ist so bereits in dem zugrundeliegenden Gesetz angelegt, und das will die Kommission explizit auch nicht ändern. Damit besteht ein Konflikt zwischen den Interessen der Humanmedizin und der Tiermedizin. Genau diesen Konflikt wollen wir auflösen.

Die Europäische Kommission stellt ausdrücklich klar, dass die Antibiotika, die auf der Liste der Reserveantibiotika für die Humanmedizin landen, für alle Tierarten verboten sind, ohne Ausnahme. Das Ganze wird noch brisanter durch ein diese Woche zirkuliertes Factsheet der Kommission: ‚Das Kriterium [nicht -essentielle Anwendung für die Tiergesundheit] begrenzt die Anzahl der antimikrobiellen Mittel, die noch für die Verwendung bei Tieren zur Verfügung stehen auf das absolute Minimum, das kritisch für die Tiermedizin ist' [eigene Übersetzung aus dem Englischen].

Mit der Abstimmung im Plenum nächste Woche ist noch nichts entschieden: stimmt das Plenum dem Einspruch zu, heißt das lediglich, dass der delegierte Rechtsakt der Kommission nicht in Kraft treten kann und die Europäischen Kommission einen neuen Vorschlag vorlegen muss. Und wenn auch Haustierhalter die Möglichkeit der Behandlung ihrer Tiere mit diesen lebensrettenden Antibiotika erhalten wollen, sollten sie alles daran setzen, sich für meinen Einspruch auszusprechen!

Weitere Informationen finden sich auch in meinem Positionspapier und auf meiner FAQ-Seite: https://martin-haeusling.eu/themen/tierhaltung-und-tierschutz/2763-faq-zu-antibiotika-einwand.html

 

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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