Grüne Europagruppe Grüne EFA

Zur kürzlich veröffentlichten Studie des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau (FiBL) zu „Entwicklungsperspektiven der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland“ geben Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament und Biobauer; Sarah Wiener, Starköchin, Mitglied im Europaparlament und Mitinhaberin eines Biobetriebes in Brandenburg und Gisela Sengl, agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag und Biobäuerin, folgendes Statement:

Betrachtet man die planetarischen Grenzen unserer Ökosysteme, dann bestehen besonders beim globalen Stickstoffkreislauf als auch für die Artenvielfalt mindestens vergleichbar bedrohliche Zustände, wie durch den Klimawandel. Besonders stark wirkende Faktoren sind dabei die chemisch synthetische Stickstoffdüngung und der Pestizideinsatz. Der Verzicht auf beides stellt den Hauptunterschied zwischen ökologischem und konventionellem Anbau dar und das aus gutem Grund. Hunderte von Studien belegen, dass der Ökolandbau besonders in diesen Bereichen deutliche Vorteile für die Ökosysteme mit sich bringt.

Gerade das FibL hat, neben anderen internationalen Instituten, Pionierarbeit dabei geleistet, die positiven Wirkungen des ökologischen Landbaus zu erforschen und zu dokumentieren [1]. Es irritiert allerdings, dass die Autoren der aktuellen Studie den Bedarf zur Weiterentwicklung des Ökolandbaus zwar richtig benennen, sich dann aber überwiegend mit Fragen zu konventionellen Technologien (u.a. Züchtung, Düngung) beschäftigen und dem Ökolandbau quasi eine technologiefeindliche Verbotshaltung ohne ausreichende „fallweise Beurteilung“ attestieren.

Das können wir so nicht stehen lassen, denn Neuerungen in Produktion und Verarbeitung werden sehr wohl seit Jahren „fallweise“ sowohl von Experten des internationalen Verbands IFOAM als auch für Europa von einem fachlichen Gremium auf EU-Ebene (Expert Group for Technical Advice on Organic Farming Practice, EGTOP), als auch von den einzelnen Bioverbänden sorgfältig daraufhin geprüft, ob sie nach aktuellem Wissen nachhaltig sind und mit den Prinzipien des Ökolandbaus übereinstimmen.

Gerade bei neuen Technologien ist es sicher nicht die Frage, ob der Ökolandbau vom konventionellen lernen kann, sondern umgekehrt. Im konventionellen Bereich fehlt eine wirkliche Überprüfung von Techniken und Hilfsmitteln auf Nachhaltigkeit nach wie vor.

Dass die Prinzipien des Ökolandbaus nicht nur Pionierideen sind, sondern sich weltweit immer wieder als fachlich gut begründet erweisen, was die Nachhaltigkeitsperformance des Ökolandbaus angeht, belegen ebenfalls viele internationale Studien und Versuchsauswertungen.

Was aber besonders verwundert ist, dass für die Weiterentwicklung des Ökolandbaus die wirklich innovativen Techniken, die Entwicklungspotential bieten, wie Permakulturtechniken und Agroforstsysteme, in der ganzen Studie nicht einmal erwähnt werden. Gerade diese Techniken bieten doch große Vorteile für die Klimaanpassung, den Nährstoffhaushalt, die Implementierung von Artenvielfalt und die Ertragsleistung.

Gerade was die viel zitierte Ertragslücke zwischen Ökolandbau und konventionellem Anbau angeht, müsste die Forschung hier den Blick schärfen:

  1. Produziert der Ökolandbau nicht weniger Biomasse als der konventionelle, doch ein Teil dieser Biomasse dient über die vielfältige Durchwurzelung des Bodens der Förderung des Bodenlebens und dem Aufbau der Bodenfruchtbarkeit. Das heißt, ein Teil des Ertrages geht direkt in die Förderung von Ökosystemleistungen, wird aber in den klassischen Bilanzierungen und Modellen nicht berücksichtigt.
  2. Eine Weiterentwicklung des Ökolandbaus in Richtung Permakultur und Agroforst beinhaltet Ertragssteigerungspotentiale, wie sie im konventionellen System bisher nicht erreichbar sind, das bestätigen Vergleiche tropischer Anbausysteme, die diese Techniken schon länger nutzen. Gerade hier besteht Forschungsbedarf und der Bedarf zur Offenheit gegenüber „neuen Techniken“.

Das Fazit der Studie, für den konventionellen Anbau mit einem System „Integriert plus (IP+)“ zu einer deutlichen Ökologisierung zu kommen, überzeugt uns nicht.

Der sogenannte „Integrierte Landbau“ ist laut Rahmenrichtlinie zur Nachhaltigen Verwendung von Pestiziden(2009/128/EG) seit vielen Jahren europaweit gesetzliche Grundlage für den konventionellen Landbau und gehört nach § 2a des Pflanzenschutzgesetzes in Deutschland zur „guten fachlichen Praxis“ – er wird aber dennoch nicht umgesetzt. Es zeigt sich seit langem, dass vor dem Hintergrund globalisierter Marktbedingungen eher der Sicherung der Ernte mittels prophylaktischem Pestizideinsatz der Vorzug gegeben wird, als dem abwägenden Schadschwellenprinzip, das sehr beobachtungsintensiv ist [2].

Eine besondere Förderung des Prinzips „Integrierter Landbau“ , gleichwertig zum Ökolandbau, sei es nun mit oder ohne Plus, wie im Fazit empfohlen, ist daher keine gut begründbare Option und kann höchstens eine Übergangsvariante hin zu einer wirklichen Ökologisierung darstellen.“

  1. U.a.: https://shop.fibl.org/chde/mwdownloads/download/link/id/371/
  2. Siehe u.a.: https://martin-haeusling.eu/images/Pestizide_WEB.pdf

Pressekontakte:

Sarah Wiener, MdEP: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Martin Häusling, MdEP: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Gisela Sengl, MdL Bayern: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

[1] U.a.: https://shop.fibl.org/chde/mwdownloads/download/link/id/371/

[2] Siehe u.a.: https://martin-haeusling.eu/images/Pestizide_WEB.pdf

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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