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Darmstädter Echo 14.11.2017/  Von Bettina Bergstedt

170920 Filmplakat System Milch„SYSTEM MILCH“ Prominente Gäste bei Veranstaltung im Hofgut Oberfeld / Diskussion und Film

OBERFELD - Die Produktion von Milch ist nur noch für wenige, oftmals Bio-Bauern, eine Herzensangelegenheit, aber auch, wie für fast alle Milchbauern, reiner Überlebenskampf – für die Industrie dagegen ein milliardenschweres globales Geschäft. Grimme-Preisträger Andreas Pichler drehte einen Dokumentarfilm darüber. Zur Filmvorführung („Das System Milch“) und Podiumsdiskussion hatte am Sonntag die Initiative Domäne Oberfeld in Kooperation mit dem Programmkino Rex eingeladen.

Vielleicht war es Galgenhumor, der es den Gesprächsteilnehmern erlaubte, ihren schlagfertigen Witz trotz wenig spaßiger Lage nicht zu verlieren. Immer mehr Höfe geben auf, das Einkommen ist gering. „Die Milchbauern sind das schwächste Glied in der Kette“, sagte Martin Häusling,

GrünenAbgeordneter im Europaparlamernt und Ökomilchbauer seit 1987. Neben Häusling diskutierten Kathrin Goebel, Tierärztin auf dem Hofgut und zuständig für Kühe und Milch, Sven Hehn, Landwirt in Ober-Ramstadt und Thomas Gutberlet, Geschäftsführer von „Tegut“ auf dem Podium, besser gesagt auf den Heuballen der Scheune; es moderierte Cornelius Sträßer von der Software AG-Stiftung.

Heute werden Milchkühe nicht mehr 15 bis 20 Jahre alt, sondern nur noch fünf, weil sie längst zu Leistungsmaschinen hochgezüchtet sind. 6500 Liter Milch gibt eine Bio-Kuh im Jahr, 8500 Liter durchschnittlich eine konventionelle, manche bis zu 12 000 Liter im Jahr, so Häusling. Der Bauernverband sage, den Kühen gehe es hierzulande besser als früher, aber, fragten sich Häusling und Göbel, wie geht das, wenn das Weideland immer weniger wird? „Bei uns würde es auffallen, wenn die Kühe nicht draußen sind, aber wer prüft das bei den Großbauern?“, so Göbel. Und woher kommt das Futter, wenn nicht von den heimischen Weiden?

In Brasilien soll durch Abholzung von Savannenlandschaft auf je 45 Millionen Hektar Soja und Eukalyptus angebaut werden. Soja ist billiges Futter – auch für die EU. Wo ein Großteil der hiesigen Milch am Ende lande, sei kaum nachvollziehbar, sagte Sven Hehn, bei Großabfüllern kenne man nicht einmal mehr die Produktnamen. Deutsches Milchpulver landet in Afrika, und nach Freihandelsabkommen gibt es deutsche Milch in Peru – ein Land, das milchwirtschaftlich eigentlich gut aufgestellt ist.

Was kann man tun gegen das rücksichtslose Geschäft? Laut Häuser, seit 2009 im Europaparlament, verhinderten dort in erster Linie die Deutschen mit starker Stimme notwendige Reformen, „unsere große konservative Partei ist eng mit dem Bauernverband verbandelt“, da gebe es eine starke Lobby. Damit sich in der Politik etwas ändert „haben wir die Möglichkeit, anders zu wählen“.

„Auch der Einkaufzettel der Konsumenten ist ein Stimmzettel“, so Gutberlet. Solange nach dem Schnäppchen-Prinzip dort gekauft würde und uns unser Essen weniger Wert sei als andere Konsumgüter, würden weiterhin die Discounter, die den Milchpreis letztendlich für die ganze Branche vorgeben, die Gewinne einstreichen.

Im markentreuen Deutschland wünschte er sich außerdem von der Politik eine Kennzeichnungspflicht, „nur so können neue Linien aufgebaut werden“. Regionale Vertriebswege sind häufig eine sinnvolle Sache (Sven Hehn liefert an die Molkerei Schwälbchen), und wie wäre es, so Häusling, wenn man – wie bei der Zigarettenwerbung – nicht lächelnde Kühe auf Blumenwiesen auf den Tetrapacks der Billigmilch zeige, sondern gepferchte Stalltiere? Vielleicht würde dann doch die Packung mit der lächelnden Kuh mit Bio-Siegel für etwas mehr Geld gekauft werden.

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