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EU-Agrarreform

21.01.2023

FOCUS - Noch mehr EU-Agrar-Milliarden? Debatte um Putin-Nachschlag für Bauern

Analyse von Hans-Jürgen Moritz
 
Eigentlich sollte 2023 die Wende in der EU-Agrapolitik bringen. Stattdessen beginnt das neue Jahr mit einer altbekannten Diskussion: Wie man noch mehr Geld in das für Laien undurchschaubare System pumpen könnte, das für seine Subventionen traditionell erhebliche Mittel aus dem EU-Haushalt beansprucht.

Janusz Wojciechowski ist auf einer Mission, ob in Brüssel oder Berlin. Was der polnische EU-Agrarkommissar schon im Europäischen Parlament als Botschaft hinterließ, brachte er nun auch bei der Eröffnung der Internationalen Grünen Woche unter: „Wir brauchen einen stärkeren Haushalt als jetzt, einen Haushalt, der die Tiefen unserer Herausforderungen reflektiert und der Höhe unserer Ambitionen gerecht wird.“

EU-Agrarkommissar: Bauern können nicht mehr für weniger liefern

Die Tiefen, das sind die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine, für EU-Bauern vor allem höhere Energie-, Dünger- und Futtermittelkosten. Mit ihnen wird die anhaltende Preisexplosion bei Lebensmitteln begründet – im November mehr als 18 Prozent im EU-Durchschnitt, in Ungarn sogar schwindelerregende 49 Prozent. Die Höhen, das sind schärfere Anforderungen an Umwelt- und Artenschutz, wie sie die jetzt in Kraft getretene neueste Reform der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) mit sich bringt.

Zum Teil sind EU-Öko-Vorschriften wegen der besonderen Lage durch den Vernichtungsfeldzug des russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Folgen für die Agrarproduktion bereits zeitweilig außer Kraft gesetzt. Nun legt Wojciechowski nach: „Wir können nicht von den Landwirten verlangen, mehr für weniger zu geben.“ Sie machten sich keinesfalls die Taschen voll, sondern gäben nur höhere Erzeugerpreise an die Konsumenten weiter.

390 Milliarden Euro bis 2027 im Agrar-Fördertopf

Keiner habe die Belastungen durch den Krieg in der Ukraine voraussagen können, als „der aktuelle Haushalt unter großen Schmerzen das Licht der Welt erblickt hat“, betont Wojciechowski. Deshalb möchte der Kommissar „die Grundlagen schaffen für eine Stärkung der GAP und für eine Aufstockung des Haushalts der GAP“, wie er vor dem Europäischen Parlament ankündigte.

Verständnis dafür zeigt der Vorsitzende des Agrarausschusses des Parlaments, der CDU-Abgeordnete Norbert Lins, im FOCUS-online-Interview: „Ich glaube, dass es richtig ist, dass Kommissar Wojciechowski jetzt die Debatte um höhere Unterstützung für unsere Bauern aus dem EU-Haushalt eröffnet hat. Im Europäischen Rat wird darüber kein Jubel ausbrechen, aber es gibt auch klare Forderungen der Agrarminister, die man adressieren muss.“ Lins weist darauf hin, dass Inflationseffekte 85 Milliarden Euro von den 390 Milliarden auffressen würden, die im EU-Haushalt 2021 bis 2027 für die Landwirtschaft vorgesehen seien. „Darauf muss man reagieren.“

Deutsche Bauern mit ganz unterschiedlicher Ertragslage

In der EU sind Landwirte in unterschiedlichem Ausmaß von EU-Subventionen abhängig, die Spannbreite reicht laut Lins von 20 bis 70 Prozent des Einkommens. Auch innerhalb Deutschlands sei die Situation der Bauern sehr verschieden: „Mit Milch und Ackerbau sind derzeit höhere Preise zu erzielen. Die deutschen Obstbauern haben aber nur höhere Kosten, keine gestiegenen Erlöse. Und die Lage in der Schweinezucht ist besonders dramatisch.“

Der Agrar-Experte der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, ergänzt: „Große Ackerbaubetriebe im Osten Deutschlands verdienen jetzt richtig gut, denn die Getreidepreise sind um 70 Prozent gestiegen.“ Relativ stabil halten sich nach dem Eindruck des grünen Fachmanns Bio-Bauern. Zwar schrumpften jetzt kräftige Gewinne zusammen, die die Corona-Krise ihnen beschert habe. „Jedoch hat die biologische Landwirtschaft auch Kostenvorteile. So ist sie nicht abhängig von Stickstoffdünger, dessen Preise heftig gestiegen sind."

Grüne und linke Kritik: Handel hat bei Preisen zugelangt und draufgelegt

Häusling macht im Gespräch mit FOCUS online über die Preisentwicklung in Deutschland außerdem darauf aufmerksam, „dass auch sehr viel im Handel hängengeblieben ist. Lebensmitteldiscounter haben den Preis von Bio-Milch zum Beispiel um 50 Cent heraufgesetzt, ohne dass dafür ein Grund erkennbar wäre oder die Erzeuger davon etwas hätten. Die allgemeine Erfahrung, dass alles teurer wird, wird ausgenutzt, um richtig zuzulangen und noch mal einen draufzulegen.“

Nach Angaben des Europaabgeordneten und Co-Vorsitzenden der deutschen Linken, Martin Schirdewan, haben im vorigen Jahr 95 Lebensmittel- und Energiekonzerne weltweit ihre Gewinne mehr als verdoppelt. Schirdewan fordert von der Bundesregierung Subventionen für die Verbraucher: null Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel und eine Preisbremse für ausgewählte Produkte in einem „Anti-Inflationskorb“: Nudeln, Obst, Mehl, Brot, Gemüse, Milch, Eier, Butter und Öl.

SPD-Expertin warnt vor Gefälligkeitsreden vor applaudierende Bauern

25 Milliarden Euro netto überwies die Bundesregierung nach inoffiziellen Berechnungen der Deutschen Presseagentur (dpa) im vergangenen Jahr als nationalen Beitrag zum EU-Haushalt nach Brüssel. Dieses Jahr wird das Gesamtbudget rund 186 Milliarden Euro umfassen, von 2021 bis 2027 insgesamt 1,074 Billionen. Die darin vorgesehenen Agrarmittel machen nach Kommissionsangaben derzeit 0,4 Prozent der gesamten europäischen Wirtschaftsleistung aus.

Ob sie immer zielgerichtet eingesetzt werden, bezweifelt die Landwirtschaftsexpertin der SPD im Europäischen Parlament, Maria Noichl. Sie sagte FOCUS online: „Nach immer mehr frischem Geld zu schreien, macht sich prima in Reden vor applaudierenden Landwirten, bringt uns aber nicht weiter. In der EU-Agrarpolitik ist schon sehr viel Geld unterwegs. Es ist aber sehr die Frage, ob es immer an den richtigen Stellen ankommt und auch wirklich die Wirkung entfaltet, die man sich erhofft.“ PDF-Kasten - Zuhause Stromfresser finden - so gelingt´s

Nach der Reform ist vor der Reform

Noichl plädiert für punktgenauere Förderung wirklich Bedürftiger, die sie auch in der neuen GAP nicht hinreichend gewährleistet sieht. Deshalb fordert sie: „Wir müssen jetzt schon an die nächste Reform denken.“ Die nächste EU-Kommission solle dafür nach ihrem Amtsantritt zügig Pläne vorlegen. Wieder mal die große Gießkanne über allen auszugießen, wäre „nicht fair gegenüber unseren Verbrauchern“.

Auch der Grüne Häusling warnt: „Wir dürfen da jetzt nicht den großen Topf aufmachen. Das wäre im Europäischen Rat erstens nicht durchsetzbar und würde zweitens auch andere Branchen ermutigen, wegen zusätzlicher Subventionen vorstellig zu werden.“ Der CDU-Agrarpolitiker Lins glaubt nach eigenen Worten, „dass den Verbrauchern vor allem geholfen ist, indem wir unsere Produktion aufrechterhalten. Denn die Preissteigerungen sind aufgrund von Knappheit auf den Märkten entstanden.“     

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07.08.2022

Votum zu Fruchtwechsel und Nichteinsaat: Wir haben eine Verteilungs-, keine Versorgungskrise

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir blieb bei seiner Entscheidung, ökologisch eigentlich dringend erforderliche Vorgaben zu Fruchtwechsel und Nichteinsaat von vier Prozent der Ackerflächen vorübergehend auszusetzen. Vor dem Hintergrund der EU-Vorgaben hat er letztlich gar keine andere Wahl, meint Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischem Parlament und Mitglied im Umweltausschuss.

„Zur Erinnerung: Die bedauerliche Entscheidung der Bundesregierung kam nicht allein auf Druck von Bauernverband und Agrarindustrie zustande. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat mit dem Rechtsakt vom 27. Juli im Grunde genommen den Rahmen gesetzt. Er gab mit seiner Entscheidung, Fruchtwechsel und Nichteinsaat für ein Jahr auszusetzen, die Leitlinien vor.

Angesichts der Tatsache, dass alle anderen EU-Mitgliedsländer und die Mehrheit der Agrarminister der Bundesländer in Richtung der Aussetzung gehen, bleibt Cem Özdemir eigentlich keine andere Wahl. Klar bleibt nach den Ankündigungen Özdemirs, dass der Verzicht auf die ökologisch wichtigen Instrumente auf ein Jahr begrenzt bleibt und bisherige ökologische Vorrangflächen davon unberührt sind. Das reduziert die Aussetzung der Stilllegung auf zwei Prozent der Ackerflächen.

Tatsächlich werden in dieser Diskussion um den Anbau zusätzlichen Weizens jede Menge Nebelkerzen geworfen. Denn es geht mitnichten darum, dass die Welt mehr Weizen benötigt, um die Hungerkrise zu bekämpfen. Es geht nicht um eine Versorgungs-, sondern allein um eine Verteilungskrise.

Zugleich versucht die Lobby verzweifelt, unter dem Vorwand der Hungerkrise von einer ganz anderen Wahrheit abzulenken: Bei uns wandern immer noch 60 Prozent des Getreides nicht auf dem Teller, sondern in den Futtertrog. Weitere 20 Prozent gehen in Tank und Industrie, und nur 20 Prozent der Körner dienen direkt der menschlichen Ernährung.

Das eigentliche Ziel, einen Beitrag zur Verringerung des Hungers der Welt, kann die Absage an Fruchtwechsel und Nichteinsaat also gar nicht erreichen. Stattdessen werden die seit Jahrzehnten bekannten, besorgniserregenden Defizite im Artenschutz weiter zunehmen. Der Verzicht auf die ökologischen Vorgaben ist zudem auf Dauer noch nicht einmal im Interesse der Landwirtschaft selbst, da sich die schwindende Artenvielfalt in Form von immer weiter steigenden Ausgaben für Pestizide und Dünger rächt. Auch davon lenken Bauernverband und Agrarindustrie gerne ab.“

14.07.2022

Zum Start der parlamentarischen Sommerpause in Brüssel: Immer noch keine Klarheit zu den Regelungen für ökologische Maßnahmen und Fruchtfolge ab 2023

Diese Woche startet in Brüssel die parlamentarische Sommerpause. Bezüglich der Presseverlautbarungen, die Kommission wolle verpflichtende Umweltauflagen der Agrarzahlungen ab 2023 weiter lockern, gibt es weiterhin nicht die dringend notwendige Klarheit. Dazu kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischem Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Es wäre wichtig gewesen, dass vor dem heutigen Start der parlamentarischen Sommerpause Klarheit herrscht bezüglich der Pläne der EU-Kommission für die Auflagen zur verpflichtenden Fruchtfolge (Glöz 7) sowie zur Einrichtung nicht-produktiver Flächen zum Biodiversitätsschutz (Glöz 8). Seit mehreren Wochen geistert die Information durch die Medien, der Agrarkommissar habe beim letzten EU-Agrarrat verlauten lassen, diese für das kommende Jahr aussetzen zu wollen. Grundlage soll eine so genannte Notfallermächtigung sein, die das Europäische Parlament als Ko-Gesetzgeber umgehen würde.

Wir Grüne stellen uns einem weiteren Aufweichen der Regelungen entgegen, denn es wäre nicht zweckdienlich und sogar fachlich kontraproduktiv. Statt ein Aufweichen der wenigen ökologisch sinnvollen und für die langfristige Sicherung der Ernährung wichtigen Aspekte der GAP ab 2023 zu forcieren, erwarte ich von der EU-Kommission mehr Engagement, um ukrainisches Getreide aus dem Land zu bringen und so die Versorgung mit Getreide zu sichern. Auch müssen wir endlich ernsthaft darüber reden, für was wir unsere Getreideernten verwenden wollen. Ich sage deutlich: Wir können nicht weitermachen wie bisher; 60 % des Getreides in den Trog, 20 % in den Tank und nur etwa 20% für die menschliche Ernährung. Das ist kein zukunftsfähiges Agrarmodell und die eigentliche Bedrohung der Ernährungssicherheit der Welt.

Die Chance, vor der Sommerpause mit konkreten Vorschlägen für die angekündigten Änderungen an der GAP an den Agrarausschuss heranzutreten, wurde nun vertan. Genauer wurde das Europäische Parlament noch überhaupt nicht bezüglich dieses Vorhabens kontaktiert. Wir mussten durch die Presse oder Vertreter der Mitgliedstaaten von den Plänen der EU-Kommission erfahren.

Vor zwei Wochen habe ich daher, gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Grünen Fraktion im Agrarausschuss sowie von S&D, RENEW und der Linken, die EU-Kommission aufgefordert, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Stabilisierung der Agrarsysteme durch die Förderung der Biodiversität ernst zu nehmen und den Willen des Ko-Gesetzgebers zu respektieren. Ein einseitiges Aufknüpfen politischer Einigungen zur Agrarpolitik wäre ein fatales Zeichen. Politische Einigungen sind dann das Papier nicht mehr wert, auf dem sie geschrieben stehen.“

Weitere Informationen:

Den offenen Brief an die EU-Kommission finden Sie hier.

PM vom 1.7.22: Umweltauflagen sind kein Spielball, sie dienen der Ernährungssicherung!

01.07.2022

Umweltauflagen sind kein Spielball, sie dienen der Ernährungssicherung!

Verwässerung der Umweltauflagen in der Landwirtschaft. Brief an von der Leyen, Timmermanns und Wojciechowski:

Umweltauflagen sind kein Spielball, sie dienen der Ernährungssicherung!

Zu den Presseverlautbarungen, die Kommission wolle verpflichtende Umweltauflagen der Agrarzahlungen ab 2023 weiter lockern, erklärt Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischem Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:  

„Seit etwa zwei Wochen geistert die Information durch die Medien, der Agrarkommissar habe beim letzten EU-Agrarrat verlauten lassen, die Auflagen zur verpflichtenden Fruchtfolge, sowie zur Einrichtung nicht produktiver Flächen zum Biodiversitätsschutz für das kommende Jahr auszusetzen. Grundlage soll eine so genannte Notfallermächtigung sein. Diese umginge allerdings das Europäische Parlament und damit den Ko-Gesetzgeber, der diese Regelungen mitverhandelt hat.

Ich fordere, zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Grünen Fraktion im Agrarausschuss sowie von S&D, RENEW und der Linken, die EU-Kommission auf, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Stabilisierung der Agrarsysteme durch die Förderung der Biodiversität ernst zu nehmen und den Willen des Ko-Gesetzgebers zu respektieren.

Wir Grüne sind der Ansicht, dass ein Aufweichen der Regelungen sowohl unnötig als auch fachlich kontraproduktiv wäre.

Angesichts des Kriegs in der Ukraine zeigten schon vor Wochenmehrere hundert Wissenschaftler auf, dass die Umsetzung der Farm-to-Fork Strategie wesentlich ist, um unsere Agrarsysteme im Hinblick auf Klima- und Biodiversitätskrise zu stärken. Die Wissenschaftler verweisen außerdem darauf, dass eine Reduktion der Biokraftstoffe und weniger Getreide im Trog mehr für die Ernährungssicherheit bringt.

Das bisherige Vorgehen der Kommission, nämlich energieintensive landwirtschaftliche Betriebe ohne jegliche Auflagen zu unterstützen, löst unser Problem in Europa jedenfalls nicht.

Ein einseitiges Aufknüpfen politischer Einigungen zur Agrarpolitik wäre ein fatales Zeichen. Politische Einigungen sind dann das Papier nicht mehr wert, auf dem sie geschrieben stehen.“

Weitere Informationen:

Den offenen Brief an die EU-Kommission finden Sie hier.

Studie Ukraine-Krieg und globale Lebensmittelversorgung: Auswirkungen und agrarpolitische Handlungsoptionen (Lakner, Klümper, Mensah).

Factsheet 1 zum Ukrainekrieg

Factsheet 2 zum Ukrainekrieg

03.06.2022

60 Jahre Gemeinsame Agrarpolitik: Klima- und Artenschutz endlich ins Zentrum der GAP rücken

Ohne die Gemeinsame Agrarpolitik blieben Mensch und Umwelt auf der Strecke, meint Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, zum 60.Geburstag der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP, der am Montag, den 6. Juni in Straßburg gefeiert wird. Doch bei den aktuellen Herausforderungen scheitert die GAP:

„Es ist gut, dass es die Gemeinsame Agrarpolitik in der Europäischen Union gibt. Gut, denn ohne sie wären wir in Europa mit einem Chaos aus ungeregelten, einander aushebelnden Subventionen und einem unüberschaubaren Downgrading bei den Umweltvorgaben konfrontiert. Die Natur bliebe vollends auf der Strecke, die Landwirte und die Verbraucher vermutlich ebenfalls.

Doch die Art und Weise, wie über sechs Jahrzehnte hinweg Agrarpolitik in Europa betrieben wurde, ist über weite Strecken jammervoll. In den Anfängen als Garant für die ausreichende Ernährung der Bevölkerung angesehen, muss endlich klar sein, dass wir mit dem jetzigen Regelwerk angesichts der immensen Herausforderungen im Klima- und Artenschutz sowie der weltweiten Ernährungskrise nicht länger klarkommen. Wir brauchen eine radikale Wende, mit bloßen Ankündigungen wie dem gut gemeinten, aber nicht umgesetzten Green Deal der Kommission ist es bei weitem nicht getan.

Mehr als einmal hat die EU ihre selbst verordneten Biodiversitätsziele verschoben, und immer noch geschieht viel zu wenig, um die Artenvielfalt wenigstens auf dem heutigen Stand zu bewahren. Wir müssen endlich entschlossen handeln, statt mit weichgespülten Programmen zu agieren. Denn die Lage wird immer schlimmer: Es droht ein Roll-back, wenn eilfertige konservative Politiker, die Agrarindustrie und unbelehrbare Bauernfunktionäre unter dem Vorwand, mehr Getreide erzeugen zu müssen, die Aufhebung selbst minimaler Artenschutzstandards verlangen.

Landwirten muss zugleich klar sein, dass es ein Weiter-so nicht mehr geben kann, aber es muss ihnen auch ein fairer finanzieller Ausgleich zustehen für die Forderungen der Gesellschaft. Was wir brauchen, ist ein System, in dem es Subventionen nur noch mit konkreten, an Klima, Tier- und Artenschutz orientierten Zielen gibt. Die jüngste Agrarreform hat diese Ziele leider weichgespült.“

Fazit zur GAP 2020 von Martin Häusling

01.06.2022

Fast 60 Milliarden Euro aus der Agrarförderung zu Unrecht dem Klimaschutz angerechnet – 20%-Ziel klar verfehlt

Am Montag hat der Europäische Rechnungshof einen Bericht zu den Klimaschutzausgaben der EU veröffentlicht. Daraus geht klar hervor, dass das selbstgesteckte Ziel, 20% der zur Verfügung stehenden Gelder für den Klimaschutz auszugeben, verfehlt wurde. Im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ging die Rechnung am wenigsten auf. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, kommentiert:

„Das Ziel der EU, ein Fünftel des Budgets für den Klimaschutz auszugeben, wurde klar verfehlt. Besonders im Bereich Landwirtschaft wurde fehlerhaft gerechnet. Die Hälfte der von der EU gemeldeten Klimaausgaben entfällt auf den Bereich Landwirtschaft. Der Haken: Viel Geld, welches hier für das Erreichen von Klimaschutzzielen verbucht wurde, hat gar keinen Effekt. Dadurch wurden im Bereich der Agrarförderung fast 60 Milliarden Euro zu Unrecht als klimaschutzdienlich verbucht – so viel wie in keinem anderen Bereich. Ein Beispiel dafür, wie es zu dieser dramatischen Abweichung kommen konnte, ist das Greening. Die Greening-Bezüge werden von der EU-Kommission komplett als klimarelevant verbucht. Eine Evaluierungsstudie der Kommission bewertet die Auswirkungen des Greenings auf den Klimaschutz allerdings als "höchst unsicher und wahrscheinlich gering". Dazu kommt, dass laut dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs der endgültige Beitrag von Maßnahmen zu den EU-Klimazielen nicht bewertet werde und es auch kein System zur Überwachung der Ergebnisse für den Klimaschutz gebe.
Und als wären das nicht genug schlechte Nachrichten für den europäischen Klimaschutz: Modellstudien legen nahe, dass die derzeitige GAP die Klima-Emissionen der Landwirtschaft auf konstant hohem Niveau hält, denn laut Berechnungen wären die Emissionen der EU-Landwirtschaft ohne GAP-Direktzahlungen um 2,5 bis 4,2 % niedriger. Der Sonderbericht stellt jedoch fest, dass die Treibhausgasemissionen der EU-Landwirtschaft seit 2018 nicht zurückgegangen sind.
Der Bericht des Europäischen Rechnungshofs beweist also einmal mehr, was wir Grüne im Europäischen Parlament seit langem beklagen: Die bestehende GAP trägt nicht zum Klimaschutz bei, im Gegenteil, sie verschärft die Klimakrise weiter. Und auch der Blick in die Zukunft lässt nicht aufatmen, denn die GAP ab 2023 wird das Ruder bei der Agrarförderung nicht Richtung Klimaschutz herumreißen können, ist sie doch eher eine Verschlimmbesserung der bisherigen Förderpolitik.“

Weitere Informationen:
PM des Europäischen Rechnungshofs:
https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/INSR22_09/INSR_Climate-mainstreaming_DE.pdf
Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs „Climate spending in the 2014-2020 EU budget - Not as high as reported“ (englisch): https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR22_09/SR_Climate-mainstreaming_EN.pdf

 

23.11.2021

Briefing zu den Abstimmungen über die GAP-Strategiepläne

GAPAm 23.11. 2021 stimmte das EU-Parlament über den Bericht zu den "Vorschriften für die Unterstützung der... zu finanzierenden Strategiepläne (GAP-Strategiepläne)" ab.

Das verlinkte Briefingist eine Kurzbewertung der Ergebnisse.

23.11.2021

Zur heutigen Abstimmung der Agrarreform im EU-Parlament: Nebelkerze statt Reform!

Zur heutigen Abstimmung über die Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP), erklärt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss in der heutigen Pressekonferenz:

„Diese Reform hat ihren Namen nicht verdient. Verschlimmbesserung trifft es eher. Die EU-Kommission, der EU-Rat der Mitgliedstaaten und der Mitte-Rechts-Block des Europäischen Parlaments behaupten bei jeder Gelegenheit, dass dies eine geeignete GAP-Reform und ein „Systemwechsel“ sei. Doch der Rat hat sich bei jedem Schritt den Forderungen der Bürger nach mehr Nachhaltigkeit oder grundlegenden Schutzmaßnahmen von Boden, Wasser, Klima und Biodiversität widersetzt. Der Berichterstatter der EVP und der Mitte-Rechts-Block der Europaabgeordneten haben die wenigen progressiven Forderungen in der EP-Position während der Verhandlungen aufgegeben und beide Blöcke haben den ohnehin schwachen Ansatz der Kommission noch weiter verwässert. Eine mächtige, etablierte Lobby der industriellen Landwirtschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten, haben alles getan, um den Status quo zu bewahren und leichte Ansätze von Nachhaltigkeit zum Erhalt der Direktzahlungen mit Ausnahmen bis zur Ineffizienz verwässert. Sie haben diese "letzte Chance" für eine GAP-Reform vertan und einen sinnvollen Wandel für das Klima, die biologische Vielfalt und die Kleinbauern verhindert.
Die schon im Vorschlag der Kommission von 2018 enthaltene erhöhte Flexibilität für die Mitgliedstaaten hat aus der gemeinsamen Agrarpolitik einen Flickenteppich sich unterbietender Ambitionen gemacht. Ohne eine zwingende Überprüfung der Vereinbarkeit mit dem Green Deal wird das Ergebnis sein, dass die künftige GAP noch schlechter abschneidet als heute.
In den letzten Berichten des EU-Rechnungshofs über die Umwelt- und Klimaleistung wurde die GAP mit "nicht bestanden" bewertet; wir Grüne sagen das Gleiche für diese Reform voraus und haben uns daher entschlossen, dieser Nebelkerze nicht zuzustimmen.
Es wird jetzt darauf ankommen, dass eine wache und kritische Zivilgesellschaft die Gestaltung und Umsetzung der Agrarpolitik in den Mitgliedstaaten möglichst laut kommentiert und, dass einzelne Regierungen doch vielleicht noch auf die Empfehlungen von Wissenschaftlern hören, die für unser Ernährungssystem seit Jahren einen besseren Klima-, Ressourcen- und Gesundheitsschutz fordern.“

Auf ARC2020 wird die Gestaltung der Strategiepläne kritisch verfolgt – dranbleiben!

Studie von Matteo Metta (Arc2020) und Prof. Sebastian Lakner im Auftrag von Martin Häusling und Greens/EFA: Post-2022 GAP in den Trilog-Verhandlungen: Überlegungen und Ausblick für die GAP-Strategiepläne.

19.11.2021

Endabstimmung zur gemeinsamen EU-Agrarpolitik im Europaparlament: Der Kaiser hat nichts an!

Zur endgültigen Abstimmung über die Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP), am kommenden Dienstag in Straßburg sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss in der heutigen Pressekonferenz:

„Der GAP-Kaiser hat keine Kleider an! Die Kommission, der Rat der Mitgliedstaaten und der Mitte-Rechts-Block des Europäischen Parlaments behaupten bei jeder Gelegenheit, dass dies eine geeignete GAP-Reform und ein „Systemwechsel“ sei. Doch der Rat hat sich bei jedem Schritt den Forderungen der Bürger nach mehr Nachhaltigkeit oder grundlegenden Schutzmaßnahmen von Boden, Wasser, Klima und Biodiversität widersetzt. Der Berichterstatter der EVP und der Mitte-Rechts-Block der Europaabgeordneten haben die wenigen progressiven Forderungen in der EP-Position während der Triloge aufgegeben; beide Blöcke haben den ohnehin schwachen Ansatz der Kommission noch weiter verwässert. Eine mächtige, etablierte Lobby der industriellen Landwirtschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten, haben alles getan, um den Status quo zu bewahren und leichte Ansätze von Nachhaltigkeit in der Konditionalität zum Erhalt der Direktzahlungen mit Ausnahmen bis zur Ineffizienz verwässert. Sie haben diese "letzte Chance" für eine GAP-Reform vertan und einen sinnvollen Wandel für das Klima, die biologische Vielfalt und die Kleinbauern verhindert.
Die erhöhte Flexibilität für die Mitgliedstaaten ohne Garantien für die Einhaltung bestehender EU-Rechtsvorschriften und internationaler Verpflichtungen oder ohne Überprüfung der Vereinbarkeit mit dem Green Deal hält die ökologischen und sozialen Ambitionen niedrig und ermöglicht es, dass die künftige GAP noch schlechter abschneidet als heute – im Gegenteil, wir sehen uns einem noch größeren Bürokratiemonster gegenüber. In den letzten Berichten des EU-Rechnungshofs über die Umwelt- und Klimaleistung wurde die GAP mit "nicht bestanden" bewertet; wir sagen das Gleiche für das Ende dieses Programmplanungszeitraums voraus.
Wir Grüne haben uns daher entschlossen, dieser Nebelkerze, die den Namen Reform nicht verdient, nicht zuzustimmen.
Jahrzehnte nach dem Vertrag von Lissabon hat der Rat immer noch kein Verständnis für die Mitentscheidung des Co-Gesetzgebers EU-Parlament in der Agrarpolitik gezeigt. Mehr noch, der Rat verweigert jetzt auch noch jede konstruktive Mitarbeit, die GAP-Strategiepläne an die fortschrittlichen Ziele des Green Deal anzupassen. Es wird jetzt darauf ankommen, dass eine wache und kritische Zivilgesellschaft die Gestaltung und Umsetzung der Agrarpolitik in den Mitgliedstaaten möglichst laut kommentiert und, dass einzelne Regierungen doch vielleicht noch auf die Empfehlungen von Wissenschaftlern hören, die in unserem Ernährungssystem seit Jahren einen besseren Klima-, Ressourcen- und Gesundheitsschutz fordern.

Auf ARC2020 wird die Gestaltung der Strategiepläne kritisch verfolgt – dranbleiben!

Studie von Matteo Metta (Arc2020) und Prof. Sebastian Lakner im Auftrag von Martin Häusling und Greens/EFA: Post-2022 GAP in den Trilog-Verhandlungen: Überlegungen und Ausblick für die GAP-Strategiepläne.

09.09.2021

GAP-Reform: Keine Spur vom Klima- und Artenschutz

Die heutige finale Abstimmung zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im EU-Agrarausschuss kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Mit der heute beschlossenen GAP-Reform wird der Stillstand zementiert. In einer Zeit, in der enorme Herausforderungen an Klima- und Artenschutz gerade auch in der Landwirtschaft bestehen, beschließt die konservative Mehrheit der Europa-Parlamentarier eine Reform, die ihren Namen nicht verdient. Alter Wein in neuen Schläuchen, mehr ist es nicht.
Wenn überhaupt. Denn wie sonst soll man erklären, wenn das bestehende Greening, das mit seinen Umweltauflagen für 30 Prozent der Zahlungen gilt, nun durch ein hochtrabend Eco-Schemes genanntes System ersetzt wird, das sich aber nur auf ein Viertel der Gelder bezieht und für die Bauern freiwillig ist. Wie kann es sein, dass eine Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) darin einen „Meilenstein“ sieht, wenn es sich doch tatsächlich um einen eklatanten Rückschritt handelt? Verschlimmert wird dieses Manko, weil wir von etlichen Mitgliedsstaaten erwarten, dass die dazu gehörigen Strategiepläne alles andere als ambitioniert ausfallen werden.
Dieser Rückschritt müsste nicht sein, denn am selben Tag entscheiden wir Parlamentarier zugleich über die Farm-to-Fork-Strategie. Und die ist in der Tat ein mehr oder weniger fortschrittliches, den Anforderungen der Zeit gerecht werdendes Programm.
Warum aber verweigerte die EU-Kommission, das Herzstück des so überschwänglich verkündeten Green-Deals in die aktuelle Agrarreform einzubauen? Offenbar nimmt die Kommission ihre eigenen Ziele nicht ernst und schont die Landwirtschaft. Wie sollen bei einer derart halbherzigen Politik Klimawandel und Artenschwund jemals ernsthaft bekämpft werden können?
So bleibt es dabei, dass drei Viertel der Milliarden an Direktzahlung über die Fläche ohne nennenswerte Auflagen verteilt werden und damit Flächenbesitz belohnt wird, nicht aber Leistung für die Umwelt. Der dringend erforderliche Schutz der Artenvielfalt wird damit keinesfalls möglich. Den Klimawandel werden wir ebenfalls nicht aufhalten können, wenn diese Agrarpolitik auch in den nun folgenden sieben Jahren weiter auf Export setzt und dafür unter extrem fragwürdigen Bedingungen erzeugte Futtermittel aus Übersee importiert werden. EU-Kommission, EU-Mitgliedsstaaten und die konservative Parlamentsmehrheit verspielen mit dieser rückwärtsgewandten Politik unsere Zukunft.“

Briefing zum Ergebnis der GAP-Verhandlungen vom 01.07.21

 

06.07.2021

Ergebnisse der Zukunftskommission hätten Rückenwind sein können!

Den heute vorgestellten Bericht der Zukunftskommission kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Es ist sicher ein Fortschritt, wenn das Ergebnis einer fast einjährigen Diskussion der heterogen zusammengesetzten Zukunftskommission NICHT heißt: ‚Weiter so!‘, sondern: ‚Wir brauchen einen Systemwechsel in der Landwirtschaft!‘. Auch die verfassten Leitlinien sind durchaus begrüßenswert. Allein: Papier ist geduldig.
Überdies kam der Bericht viel zu spät, um noch irgendeine Wirkung auf die Verhandlungen zur EU-Agrarpolitik nehmen zu können. Daran ist vor allem Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner schuld. Sie hätte eine derartige Kommission schon vor Jahren einsetzen können. Dann hätte sie den angeblichen „Rückenwind“ bei den Verhandlungen auf EU-Ebene gehabt. Doch einen so gearteten Rückenwind mit dem Auftrag ‚Ändert endlich etwas!‘ hätte sie sich mit Sicherheit gar nicht gewünscht.
Wenn die CDU-Ministerin wirkliche Veränderungen gewollt hätte, dann hätte sie auf die zahlreichen aktuellen und fundierten Äußerungen von Wissenschaftlern während ihrer Amtszeit als Rückenwind zurückgreifen können. Das aber vermied sie ganz bewusst. Klöckner bremste statt zu beschleunigen. Von daher weht ihr der Wind ins Gesicht. Im Umdeuten von Fakten brilliert Frau Klöckner seit jeher. Auch den von ihr behaupteten „Systemwechsel in der Agrarpolitik“ auf EU-Ebene haben Wissenschaftler inzwischen widerlegt[1].
So bleibt nur ein kleiner Fortschritt nach 16 Jahren intensiven Bremsens seitens aller CDU/CSU Agrarminister. Sämtliche Gutachten, die in dieser Zeit von den deutschen regierungsberatenden Gremien im Bereich Agrarpolitik - und auf EU-Ebene - angefertigt wurden, haben mit zunehmender Dringlichkeit bestätigt, dass es so nicht weitergeht. Doch bei CDU/CSU Agrarministern ist es üblich, Menschen, die auf die Inhalte dieser Gutachten hinweisen, als „Ideologen“ hinzustellen. Christdemokaten warten eben lieber ab, bis Deutschland von Brüssel verklagt wird. Ganz wie bei der Nitratrichtlinie, die Jahrzehnte nicht umgesetzt wurde.
Es bleibt zu hoffen, dass der Apell der Zukunftskommission, etwas zu ändern auch ernst genommen wird. Frau Klöckner wird den Bericht in den voraussichtlich letzten Wochen ihrer Amtszeit wohl eher zum Aufhübschen ihrer Bilanz verwenden. Auf ansatzweise Umsetzungsschritte braucht man mit dieser Agrarministerin jedenfalls nicht zu hoffen.“

[1] https://slakner.wordpress.com/2020/10/21/kommentar-zu-den-gap-beschlussen-kein-systemwechsel-erkennbar/ 
https://pl.boell.org/en/2021/01/18/cap-reform-post-2020-lost-ambition
https://martin-haeusling.eu/images/ARC_Post-2022_CAP_in_Trilogue_Negotiations_DE-v4_2_compressed.pdf

01.07.2021

Briefing zum Ergebnis der GAP-Verhandlungen

GAPAm Freitag 25. juni 2021 kam es nach 3-jährigen Verhandlungen zu einer Einigung im bei den GAP-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission.

Mit dem folgenden Briefing will ich in aller Kürze darstellen, warum diese Einigung alles andere als einen Systemwechsel darstellt.

Die Klima- und Biodiversitätskrise sowie das Höfesterben werden mit dieser Reform nicht ausreichend angegangen werden können.

Briefing zum Ergebnis der GAP-Verhandlungen vom 01.07.21

25.06.2021

GAP-Trilog: Agrarwende bleibt aus - Schöne Überschriften, wenig Inhalt

Die Verhandlungen über die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2023 bis 2027 werden heute in Kürze abgeschlossen. Die Einigung von Vertreterinnen und Vertretern des Europäischen Parlaments, des EU-Rats und der Europäischen Kommission bleibt weit hinter den Ankündigungen des Grünen Deals zurück, weniger Pestizide einzusetzen, Umwelt, Klima und Biodiversität zu schützen und ökologischen Landbau zu fördern. Die Einigung ist nicht geeignet, die Klimawende einzuleiten. Erst diese Woche hatte der Europäische Rechnungshof bemängelt, dass die europäischen Agrarsubventionen die Klimakrise weiter befeuern. Die Grünen/EFA werden diese Einigung so nicht akzeptieren.
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion und Schattenberichterstatter für die nationalen Strategiepläne, Mitglied im Umweltausschuss, kritisiert, dass die Einigung die Ziele des Grünen Deal verfehlt und die Agrarwende ausbleibt:

„Die Einigung verfehlt die Ziele des Green Deals, die Agrarwende bleibt aus. Der Kompromiss rückt nicht einmal in die Nähe einer Neuausrichtung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik zum Nutzen von Umwelt, Klima, Artenvielfalt, Böden, Landwirtinnen und Landwirten. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) sollte der große Baustein des Grünen Deal werden. Von der Ankündigung übriggeblieben ist eine Reihe wolkiger Überschriften, unter denen das allermeiste beim Alten bleiben wird.
Das Verhandlungsergebnis wird der Dramatik der Lage nicht gerecht, Arten verschwinden weiter von Äckern und Feldern und Pestizide, Antibiotika und synthetische Düngemittel belasten die Gewässer. Die Einigung ist ein grün verpacktes Geschenk an die Agrarindustrie.
Bei sozialer Gerechtigkeit herrscht Fehlanzeige. Mit dem Rat waren weder eine Deckelung der Zahlungen an Großbetriebe, noch eine effektive Verteilung an kleinere landwirtschaftliche Betriebe zu machen. Damit wird das Höfesterben nicht gestoppt und weiterhin fließt das meiste Geld an die Großbetriebe. 75 Prozent der Zahlungen gehen nach wie vor in Flächenzahlungen und sind an wenige Bedingungen geknüpft. Kosmetische Änderungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Schutz von Klima, Umwelt, Artenvielfalt und kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe zu kurz kommt. Die vielen Ausnahmen von den Umweltmaßnahmen lassen deren Nutzen auf ein Minimum schrumpfen.
Die EU-Regierungen haben mit Unterstützung der Bundesagrarministerin Julia Klöckner Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit blockiert und den ohnehin schwachen Ansatz der EU-Kommission weiter verwässert. Die Lobby der Agrarindustrie und die EU-Regierungen klammern sich fest an den Status quo und lassen die Chance verstreichen, mit kürzeren Lieferketten und angemessener Bezahlung Arbeitsplätze zu sichern und die Europäische Agrarpolitik zum Vorbild zu machen für Klimaschutz, Artenschutz und lokal erzeugte und vermarktete Produkte.“

Hintergrund
Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) macht mit knapp 387 Milliarden Euro knapp ein Drittel des Mehrjährigen Finanzrahmens der Europäischen Union für den Zeitraum 2021 bis 2027 aus. Rund 70 Prozent des GAP-Haushalts unterstützen das Einkommen von sechs bis sieben Millionen landwirtschaftlichen Betrieben in der EU.
Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik ist ein Paket bestehend aus der Verordnung über die nationalen Strategiepläne, der Verordnung über die einheitliche gemeinsame Marktorganisation und der Verordnung über die Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der GAP. Die GAP soll nach einer zweijährigen Übergangsverordnung ab dem Jahr 2023 in Kraft treten.
Am heftigsten umstritten war die Verordnung über die nationalen Strategiepläne. Durchschnittlich 24 Prozent der Direktzahlungen der Subventionen in Höhe von rund 270 Milliarden sollen an so genannte „eco schemes" gebunden werden, also Umweltmaßnahmen, die ursprünglich auf den Schutz des Klimas, der Umwelt, der Biodiversität abzielten, zu denen noch Tierschutz und der reduzierte Einsatz von Antibiotika hinzukamen. Die Vereinbarung lässt den EU-Mitgliedsstaaten nahezu freie Hand bei der Umsetzung. Es soll keine Deckelung der Direktzahlungen geben, die Betriebe mit den größten Flächen erhalten weiterhin die höchsten Zahlungen.

 25.06.2021  15:08 Uhr

Briefing zum GAP-Ergbnis vom 02.07.2021

21.06.2021

Sonderbericht des EU-Rechnungshofes: So wird das nichts mit den Klimazielen in der Landwirtschaft!

Zum Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes (EURH) zu Klimaschutzleistungen der GAP-Zahlungen, kommentiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Die Klimapolitik der EU fordert, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Mit der Verabschiedung der Verordnung zur Anrechnung der Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) 2017 sollten diese Sektoren in den neuen Rahmen für die Energie- und Klimapolitik der EU für den Zeitraum 2012-2030 einbezogen werden. Dass die Maßnahmen der letzten GAP-Periode hier offensichtlich nichts bewirkt haben, zeigt der heute veröffentlichte Bericht des EURH ganz klar, obwohl von 2014 bis 2020 über ein Viertel aller EU-Agrarausgaben – mehr als 100 Milliarden Euro – in Maßnahmen mit dem Label „Klimaschutz“ geflossen sind. Auch ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Europäischen Kommission hatte aufgezeigt, dass die Kohlenstoffemissionen des Agrarsektors seit 2010 stagnieren.

Der immer wieder betonte Rückgang seit 1990 lässt sich vor allem auf die Unterbrechungen der landwirtschaftlichen Produktion in den neueren EU-Mitgliedstaaten nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 und dem komplexen Übergang zur Marktwirtschaft in diesen Ländern sowie auf die Einführung der Nitratrichtlinie im Jahr 1991 zurückführen, und kann daher nicht aus Klimaschutzmaßnahmen stammen. Nach einer Berechnung der Europäischen Umweltagentur (EEA) nahmen die Emissionen zwischen 2010 und 2017 sogar wieder um 4 % zu.

Solange die Maßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) keine konsequenten Vorschläge zum Abbau der Tierzahlen mit ihren enormen Soja-CO2-Emissionsimporten, zum Moor und Grünlandschutz und zur Besserstellung der Weidehaltung beinhalten, werden die größten Emissionsquellen auch nicht verringert. Und wenn der größte Anteil an landwirtschaftlichen Emissionen, der durch die Herstellung und Anwendung von Mineraldünger entsteht[1], einfach unthematisiert bleibt, weil die Herstellung der Industrie zugerechnet wird, - solange wird sich auch an einer ehrlichen Klimabilanz der europäischen Landwirtschaft nichts ändern.

Moore und Grünland müssen geschützt werden. Und der Humusabbau bei Ackerböden muss beendet werden - 75 % der Anbauflächen in der EU zeigen einen organischen Kohlenstoffgehalt von unter 2%! Das sind neben einer Besteuerung von Mineraldünger die Stellschrauben an denen massiv gedreht werden muss. Dabei geht es aber nicht um sogenannte CO2-Zertifikate, mit denen C im Boden verbuddelt werden soll und die weniger halten, als sie versprechen. Dabei geht es um eine Landwirtschaft, die Ressourcen schont, mit Nährstoffen effizient umgeht, Stickstoff über Eiweißpflanzen bindet und klimastabile Anbausysteme wie Ökolandbau, Agroforstsysteme und Permakultur fördert. Denn das sind in der Regel auch die klimafreundlichsten, die am emissionsärmsten sind. Dass der Rechnungshof der sogenannten Präzisionslandwirtschaft - ohne jeglichen Nachweis - eine höhere Wirkung bescheinigt als diesen klimaangepassten Anbaumethoden ist allerdings definitiv lächerlich. Da sind offensichtlich ein paar Studien nicht gelesen worden.“

 

Weitere Infos:

Martin Häusling: Positionspapier zu CO2-Zertifikaten

Martin Häusling: Hintergrundpapier zu LULUCF

Allan Mathews: Climate measures in agriculture

Studie: „Vom Mythos der klimasmarten Landwirtschaft…..“

ARC2020: Precision Farming – or “The Emperor’s New Clothes”?

 

[1] Sutton, M., Howard, C. et al. (Eds.) (2011): The European Nitrogen Assessment: Sources, Effects and Policy Perspectives. Cambridge University Press.

15.06.2021

GAP-Verhandlungen: Agrarministerin Klöckner wirft mit Nebelkerzen

Die Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zwischen EU-Rat, EU-Parlament (EP) und EU-Kommission werden kommende Woche entweder abgeschlossen werden oder scheitern. Der EU-Agrarministerrat, der zurzeit in Lissabon verhandelt, nimmt dabei eine entscheidende - aber bislang sehr unrühmliche - Rolle ein. Anstelle Kompromisse auszutarieren, scheinen die Agrarminister lieber eine Betonwand hochzufahren. Als Ablenkungsmanöver wird nun die EU-Kommission angegriffen. Dazu erklärt Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischem Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:
„Beim Agrar-Ministerratstreffen scheinen weitere Annäherungen an das EP und die Kommission eher eine untergeordnete Rolle zu spielen und Überlegungen gehen dahin zu sondieren, wo die Vereinbarungen zu Umweltleistungen das „business as usal“ stören. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat nur den Verhandlungsspielraum, den ihr der Ministerrat zugesteht. Soweit man hören kann, wird der immer weiter zurückgefahren.
Dass nun ausgerechnet Agrarministerin Julia Klöckner der EU-Kommission vorwirft, sie wäre an einem möglichen Scheitern der Verhandlungen schuld, ist ein Possenstreich. Julia Klöckner hat ihre portugiesische Kollegin, Maria do Céu Antunes, nicht unterstützt seitdem das Kompromissangebot des EP auf dem Tisch liegt, denn die portugiesische Ministerin stellte noch beim Scheitern der letzten Verhandlungsrunde fest, dass kein Mitgliedstaat auch nur einen Kompromissvorschlag des EPs akzeptieren würde.
Insbesondere mit Blick nach Deutschland, ist diese ablehnende Haltung von Agrarministerin Klöckner nicht nachvollziehbar. Beispielsweise wäre es ihr bei den Programmen zu Umweltleistungen (Eco-Schemes) ein Leichtes gewesen, für den EP-Vorschlag zu werben, denn der Strategieplan für Deutschland sieht genau die gleiche Summe vor, für die die Ministerin nicht bereit ist in die Bresche zu springen.
Der Kommission nun eine Blockadehaltung vorzuwerfen ist nicht nur völlig aus der Luft gegriffen, sondern eine durchsichtige Verschleierungstaktik der eigenen Inflexibilität.
Zentrales Bestreben des Rates scheint zu sein, die Einigungen im Umweltbereich wieder zu kippen. Gerade bei den Zahlungen für die Eco-Schemes, d.h. die Programme für Umweltleistungen: Das EP war bereit, von seiner ursprünglich geforderten Mittelbindung von 30% auf 25% der Direktzahlungen herunterzugehen. Somit hätten sich Rat und EP in der Mitte treffen können. Alleine dieses Zugeständnis des Parlaments scheint den Rat zu einem weiteren Tiefflug zu beflügeln. Angefeuert von den europäischen Bauernverbandsfunktionären, die bei jedem Agrarministertreffen gehört werden, sah das magere Ratsangebot vom Mai noch vor, für zwei Jahre ein schmales Budget von 20% der Direktzahlungen vorzuhalten und dann auf 25% zu steigern - so möchte der Rat nun doch nur noch 18% seines Budgets für Umweltprogramme zur Verfügung stellen.
Auch ist keine Bewegung zu sehen, wenn es um die Bindung von Agrarzahlung an gesetzlich vorgeschriebene Sozialstandards geht. Die Kommission hatte einen Text vorgeschlagen, der aus Sicht des EP zumindest noch die Saisonarbeiter abdecken müsste, aber ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung wäre. Aber auch diese Möglichkeit einer gerechteren Landwirtschaftspolitik geht dem EU-Agrarrat zu weit.“

 

 

 

09.06.2021

Verabschiedung der EU-Biodiversitätsstrategie: Der Stopp des Artenschwunds muss nun Teil der GAP-Reform werden

Das einhellige Votum des EU-Parlaments für eine weitgehend verbindliche Biodiversitätsstrategie ist ein vernünftiger Schritt in die richtige Richtung, meint Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss:

„Wir Grüne sind erleichtert, dass trotz immensen Lobbydrucks aus Land- und Forstwirtschaft mit der Verabschiedung der Biodiversitätsstrategie im EU-Parlament die Grundlage für einen erfolgreichen Stopp des Artenschwunds in Europa gelegt wurde. Der verbindliche, strenge Schutz von zehn Prozent der Land- und Wasserflächen und einen immer noch weitreichenden Schutz für 30 Prozent der europäischen Fläche, dazu die nun verankerte Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 und die Steigerung des Ökolandbaus auf 25 Prozent der Fläche sind Ecksteine, an denen sich nun auch die nationale Politik der Mitgliedsstaaten zu orientieren hat. Sie darf keinesfalls als netter Appell verstanden werden, sondern als verpflichtendes Element bei allen politischen Entscheidungen.
Das muss sie auch: Denn der Schutz der Biodiversität mag für viele Menschen abstrakt und nur wenig nachvollziehbar sein. Doch tatsächlich stellt die Wissenschaft die Bedrohung der Artenvielfalt gleichrangig mit dem Klimawandel auf eine Stufe. Der menschengemachte Artenschwund gefährdet unser Leben auf diesem Planeten genauso wie der Treibhauseffekt. Dieser Prozess des Artenschwunds ist schleichend, kaum jemand bemerkt, dass erst hier und dann dort mal eine Käfer- oder Vogelart verschwinden. Tatsächlich aber können ganz wie beim Klimawandel auch bald ganze ökologische Systeme kollabieren, wenn wir nicht rechtzeitig, also heute auf diese Gefahr reagieren.
Es kommt deshalb jetzt darauf an, die Biodiversitätsstrategie in alle Elemente der Politik einzuflechten. Das gilt zu allererst natürlich für die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), für die die Strategie eine gute Grundlage darstellt. Ob es um Landwirtschaft, um Wasser oder Wälder geht: Auch die nationale deutsche Politik ist nun verpflichtet, sich die Vorgaben der Biodiversitätsstrategie zu eigen zu machen. Daran hat es zuletzt immer wieder gehapert.“

 

08.06.2021

Heißes Finish: EU-Parlament positioniert sich zur Biodiversitätsstrategie

Das Europäische Parlament stimmt heute seine Position zur ‚EU-Biodiversitätsstrategie für 2030‘ ab. Seit der Abstimmung im Umweltausschuss vor zwei Wochen sind noch zahlreiche Änderungsanträge konservativer und liberaler Abgeordneter eingegangen, die die Position erheblich abzuschwächen drohen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied des Umweltausschusses, kommentiert:

„Biodiversität ist Leben. Über eine 1 Million Arten sind aktuell vom Aussterben bedroht, das bedroht ganz klar auch unser Überleben hier auf der Erde. Handeln ist dringend angesagt. Die Europäische Kommission hat mit ihrer Biodiversitätsstrategie einen guten Vorschlag auf den Tisch gelegt, wie die drängenden Herausforderungen angegangen werden können. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat sich konstruktiv mit der Vorlage der EU-Kommission auseinandergesetzt und diesen in einigen Bereichen zielführend erweitert[1].

Nun, bei der Plenarabstimmung, zeigt sich, dass gerade die Abgeordneten der Konservativen und Liberalen es nicht wirklich ernst meinen mit dem Schutz unserer Lebensgrundlagen. Sie haben Änderungsanträge eingereicht, die - sollten sie eine Mehrheit finden - die Anstrengungen unsere Ökosysteme wieder zu regenerieren und Arten zu schützen, regelrecht torpedieren.

Das zeigt genau die gleiche Haltung, wie schon bei der unseligen Verwässerung der Reformpläne zur Agrarpolitik. Nichts dazu gelernt und den Gong nicht gehört! Wie man derart gegen sämtliche Gutachten der letzten Jahre zur Bedrohung unserer Ressourcen handeln kann, ist mir unbegreiflich.

Die konservativen und liberalen Parteien haben, insbesondere in Bezug auf die Waldnutzung, offensichtlich sehr eigene, nicht gerade wissenschaftlich untermauerte Vorstellungen von Nachhaltigkeit: Den ökonomischen Nutzen der Wälder wollen sie gefördert sehen, dafür machen sie auch kurzerhand Holz zu einem CO2-neutralen Rohstoff – was Unsinn ist!

Als regelrechte Heilsbringer sehen sie dagegen die digitale Landwirtschaft. Dabei finden sie freiwillige Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz völlig ausreichend. Doch gerade die fehlenden - genauen, messbaren und verpflichtenden - Zielvorgaben haben uns ja zu dem aktuellen Artenschwund geführt, das ist vielfach wissenschaftlich belegt.

Sollte das Europäische Parlament heute aufgrund der politischen Mehrheit der Konservativen und Liberalen eine schwache Position in Bezug auf den Schutz der Biodiversität verabschieden, so wäre das ein unverzeihliches Armutszeugnis und verantwortungslos gegenüber kommenden Generationen. Ich appelliere dringend an die Kolleginnen und Kollegen von EVP, ECR und ReNew heute die richtige Wahl zu treffen.“

 

Weiterführende Links:

Bericht des Europäischen Parlaments zur Biodiversitätsstrategie: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2021-0179_EN.pdf

Änderungsanträge von Konservativen und Liberalen: https://www.europarl.europa.eu/plenary/en/report-details.html?reference=A9-0179-2021

PM Martin Häusling vom Mai 2020 zur Biodiversitätsstrategie: https://martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2537-1-einschaetzung-zur-eu-biodiversitaetsstrategie-und-farm-to-fork-strategie-es-geht-um-die-sicherung-unserer-lebensgrundlagen.html

 

[1] Der Umweltausschuss spricht sich so dafür aus, mit Hilfe eines EU-Biodiversitätsgesetzes die gesetzlichen Grundlagen bis 2050 zum Schutz der Artenvielfalt festzulegen. Dazu gehören auch verbindliche Zielvorgaben bis 2030.Bis 2050 sollen die Ökosysteme der Welt wiederhergestellt, resilient und ausreichend geschützt sein. Alle Register müssen gezogen werden damit der verheerende Artenschwund gestoppt und - wo möglich – rückgängig gemacht wird.

30 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU sollen dafür unter Schutz gestellt werden. Mindestens ein Drittel davon sollen komplett ungestört bleiben von menschlichen Einflüssen – zu diesen Gebieten werden auch die verbleibenden Primärwälder der EU gezählt.

Die Bestände aller geschützter Arten und Habitate sollen in einen günstigen Erhaltungszustand gebracht werden. Bienen und andere Bestäuber müssen besser geschützt werden, der Umweltausschuss sprach sich auch deshalb gegen die Wiederzulassung von Glyphosat aus und für eine Überarbeitung der EU-Bestäuber Initiative.

28.05.2021

Abbruch GAP-Verhandlungen: Mit Politik von gestern kann man in Zukunft nicht bestehen

Mit einer rückwärts gerichteten, aus der Zeit gefallenen und zu keinem Kompromiss fähigen Haltung haben die Mitgliedsstaaten die Verhandlungen für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik mindestens vorerst scheitern lassen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, kommentiert:

„Mit der starren Position der Mitgliedsstaaten unter der portugiesischen Ratspräsidentschaft droht nun, dass die Reform der GAP völlig scheitert. So, wie sich der Rat in den nächtlichen Verhandlungen aufführte, kann ich nur den Eindruck gewinnen, dass einige Länder auch nach zweieinhalb Jahren überhaupt keine Einigung wollen. Einige von ihnen scheinen nach der Devise zu verfahren, weiter ihren Landwirten möglichst viel Geld zuschustern zu wollen, ohne dass sie irgendwelche nennenswerten Auflagen zu erfüllen hätten.