Grüne Europagruppe Grüne EFA

 EURACTIV.de  Von: Ama Lorenz

Der Umsatz von Bioprodukten in Europa boomt. Allein in 2015 ist ihr Umsatz um 13% gestiegen. Kein Wunder, dass sich die Branche schwertut, den von EU-Kommission und Parlament eingebrachten Reformvorschlag zur EU-Öko-Verordnung zuzustimmen. Mehr Regulierung, wenig Kontrollsicherheit und im Prinzip keine wirklichen Verbesserungen lauten die Vorwürfe der Bio-Verbände.

EURACTIV sprach mit Martin Häusling, Verhandlungsführer des EU-Parlaments und agrar- und umweltpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament über die Ziele einer neuen Verordnung und die Widerstände dagegen.

EURACTIV: Seit 25 Jahren regelt die EU mit der Öko-Verordnung, wie Bio-Produkte erzeugt, verarbeitet und gekennzeichnet werden. Seit drei Jahren steht die Reformierung dieses Rechtsrahmens für Bio-Lebensmittel in der Diskussion. Gestern ist der Trilog dazu erst einmal gescheitert. Woran lag es?

Martin Häusling: Die Maltesische Ratspräsidentschaft hat einen Tag vor dem angesetzten Termin den Trilog abgesagt. Begründung: Es gibt keine Einigung im Rat. Wir wussten ja, dass es Schwierigkeiten gibt, aber, dass wir gar nicht zusammenkommen und dass es auch keine weiteren Erklärungen gab, ist schon ungewöhnlich. Wir haben einen, von allen Fraktionen mitgetragenen Brief geschrieben und darin die Rückkehr an den Verhandlungstisch gefordert.

Was am Entwurf hat denn zu den größten Widerständen geführt?

Leider gibt es nicht nur den einen Grund, sondern 17 verschiedene. Die nordischen Länder wollen mehr Ausnahmeregelungen bei der Gewächshausproduktion, die südlichen Länder wollen eine schnellere Umsetzung einheitlicher Standards und die osteuropäischen Länder wollen keine Datenbanken. Es ist im Sinne einer europäischen Regelung fatal, wenn sich die Länder weder darauf einigen können, nationale Interessen zurückzustellen, noch eine größere Flexibilität zu zeigen.

Hätte man die Bedenken der einzelnen Mitgliedsstaaten während der dreijährigen Verhandlungen nicht besser berücksichtigen können?

Das Hauptproblem war – das muss man auch sehr deutlich sagen – die Kommission hatte einen schlechten Entwurf vorgelegt, dem Rat und Parlament so nicht akzeptieren konnten. Wir Parlamentarier haben uns dann gemeinsam mit dem Rat eine eigene, sehr umfassende Vorlage für ein neues Regelwerk erarbeitet. Währenddessen sind die Interessen an der Öko-Verordnung in Europa ziemlich auseinandergelaufen. Wir haben zwar eine gemeinsame Verordnung, aber die 28 Mitgliedstaaten setzen diese sehr unterschiedlich um. Das wollten wir mit der neuen Verordnung eigentlich ändern. Aber wenn sich Regeln erst einmal etabliert haben, dann reagieren Staaten und Interessenverbände sehr sensibel, wenn es darum geht, nationale Gewohnheiten durch europäische Verordnungen aufzugeben.


Auch die Interessenverbände der deutschen Bio-Branche sind gegen neue Auflagen und Beschränkungen durch die EU. Die darin enthaltenen Vorschriften wären nicht kontrollierbar, lautet eine der Kritiken. Warum teilen sie diese Bedenken nicht?

Die deutschen Verbände waren eigentlich von Anfang an gegen eine neue Verordnung. Die Gründe dafür ändern sich laufend. Vor einem halben Jahr waren es die „Cocktails“ (Anm. der Red.: Der Kommissionsvorschlag sah vor, dass Bioware das Ökosiegel verliert, wenn in ihr ein Pestizid-Cocktail von mindestens 3 Pestiziden gefunden wird). Dieses Problem haben wir jetzt bereinigt. Jetzt steht die Umsetzung der im Vorschlag enthaltenen Kontrollen in der Kritik. Meiner Meinung nach und nach der des Parlamentes, ist das zwar nicht die optimale Lösung, aber auch nichts Anderes, als was im Moment schon gefordert ist. Die Unkontrollierbarkeit ist zurzeit reine Spekulation.

Aber halten Sie denn den aktuellen Vorschlag wirklich schon für ausgereift?

Natürlich gibt es auch für uns viele Punkte, mit denen wir als Parlament nicht zufrieden sind.

Welche?

Bei dem Thema Pestiziden hätten wir uns eine weitergehende Regelung gewünscht, als es der nun vorliegende Kompromiss vorsieht. Wir wollten nicht fünf Jahre warten wollen, bis der Bericht vorliegt, sondern hätten uns die klare Ansage gewünscht, dass man den konventionellen Sektor in die Verpflichtung nimmt und die Bio-Betriebe vor den Auswirkungen von Pestiziden schützt.

Der Bio-Markt lebt von der Verbrauchernachfrage und deren Vertrauen in die Bio-Qualität. Handeln die Bio-Verbände mit ihrem Widerstand gegen die neue Verordnung gegen die Interessen der Verbraucher?

Das würde mir zu weit gehen. Ich denke, man hat sich mit der alten Verordnung gut eingerichtet, die Geschäfte laufen gut und man ist in den letzten Jahren von Skandalen relativ verschont worden. Es gibt also seitens der deutschen Bio-Branche keinen großen Druck auf Veränderung. Zudem haben die Verbände in Deutschland die Regeln auch ständig weiterentwickelt.

Aber wir haben eben nach wie vor das Problem einheitlicher europäischer Standards. Und da ist die EU gefragt. Das wird am Problem der Importe ganz deutlich. Da haben wir 64 verschiedene Bio-Standards in Europa. Natürlich wird eine Harmonisierung Zeit und Geld kosten und vielleicht auch zu mehr Kontrollen führen. Aber ich finde gerade bei dem steigenden Importdruck in die EU wäre es angemessen, wenn wir einheitliche Wettbewerbsregeln hätten.

Klingt, als will sich das Parlament ein Hintertürchen für die Importe aus Drittstaaten sichern, die demnächst aufgrund umstrittener Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP nach Europa kommen könnten.

In der Einhaltung europäischer Standards für Importe waren wir uns ja mit den Verbänden eigentlich immer einig, gerade bei TTIP und CETA. Jetzt sagen einige von ihnen, das sei nicht so wichtig. Aber man muss auch gar nicht bis nach Kanada oder in die USA schauen. Zurzeit kommt ganz viel Getreide aus Ländern wie der Ukraine oder Kasachstan zum halben Preis auf den europäischen Märkt. Ganz klar, dass dort nicht die europäischen Standards eingehalten werden. Europäische Biobauern werden stark kontrolliert und müssen Auflagen einhalten. Das funktioniert bei einem rumänischen Bauern, aber eben nicht bei dem Bauern auf dem ukrainischen Feld nebenan. Da muss es einfach einheitliche Importregeln für Bio-Produkte gebe, um diese Wettbewerbsverzerrung zu beenden.

Die Umsetzung dieser Forderung dürfte sich allerdings als recht schwierig gestalten. Gibt es denn in der Reform Vorschläge, die Sie als praktikabel und konsensfähig halten?

Ganz eindeutig bei der Frage, wie können wir Saatgut und Sorten aus dem konventionellen Bereich, ökologisch zertifizieren. Wir haben uns einigen können, dass hydrogenes Material aus biologischen Erzeugnissen nicht mehr einer konventionellen Kontrolle durchlaufen und auf Ertragssteigerung getrimmt werden muss. Also, dass der Widerstand gegen Schädlinge zum Beispiel, höher bei der Zertifizierung angerechnet wird als der Ertrag. So können wir neben dem konventionellen Bereich auch einen Bio-Bereich für Saatgut entwickeln. Das ist wichtig, wenn wir in der Zukunft wollen, dass alle Bauern in Europa Bio-Saatgut verwenden. Dazu braucht es einen Markt. Der österreichische Minister für Landwirtschaft hat innerhalb weniger Tage eine Forderung mit 20.000 Unterschriften von Verbänden erhalten, die unseren Parlamentsvorschlag zum Saatgut unterstützen. In Deutschland wird dieser Erfolg von den Verbänden eher weniger gewürdigt.

Wie geht es denn nun weiter?

Kommissar Hogan hat die Initiative ergriffen, auf dem nächsten Treffen der Agrarminister am 12. Juni, eine Aussprache mit den Ministern zu halten. Das Parlament sieht nur noch den begrenzten Zeitraum der gegenwärtigen Ratspräsidentschaft, in dem wir entweder die Verordnung verabschieden oder ganz darauf verzichten.

Also ohne eine Einigung bis Ende Juni ist die Reformierung der Öko-Verordnung endgültig vom Tisch?

Das wäre das schlechteste Ergebnis und es würde bei der alten Verordnung mit all ihren Schwächen bleiben. Einen komplett neuen Vorschlag, wie es einige Verbände fordern, wird es nicht geben. Als Parlamentarier haben wir durch alle Fraktionen den Konsens, dass wir die Verordnung zum Abschluss bringen wollen. Deshalb hoffen wir, vor der Sommerpause zusammenzukommen, um die noch offenen Punkte des vorliegenden Vorschlags – wie die von den deutschen Verbänden kritisierten Kontrollmechanismen –  in einem Trilog zu verhandeln.

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