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161104 Grüner Salon3Wie moralisch ist Essen? Und wie politisch ist die neue Ernährungsbewegung? Über diese Fragen habe ich beim Grünen Salon „ESSEN.MACHT.POLITIK.“ mit der  Köchin und Autorin Sarah Wiener sowie mit Robert Habeck, dem grünen Agrar- und Umweltminister aus Schleswig-Holstein, am 4. November 2016 in der Berliner Markthalle Neun diskutiert. Um es vorweg zu sagen: Diesem stark besuchten Salon, den ich gerne moderiert habe, werden weitere folgen.


Doch zunächst einmal gilt mein Dank unseren Gästen, die mit ihren Fragen und Kommentaren trefflichen Gesprächsstoff servierten und die Diskussion befeuerten. Dabei kam alles auf den Tisch, was Menschen beim Essen bewegt: Um Fragen der Haltung von Tieren ging es, um die eigenen Einkaufs- und Verzehrsgewohnheiten, um den  Weg von Masse zu Klasse und um die Rolle, die Erzeugern, Verarbeitern und Verbrauchern dabei zukommt. „Geht richtig im falschen System?“, fragte Sarah Wiener, die mit ihren eigenen Unternehmungen auf Konsequenz in der gesamten Kette von der Erzeugung bis zum Teller setzt.
Fleischverzicht ist für Sarah Wiener nicht für das Mittel der Wahl gegen Massentierhaltung. Stattdessen würden politische Veränderungen benötigt. Denn kein einziger Stall werde wegen sinkenden Fleischkonsums in Deutschland geschlossen. Das geschehe nur, wenn das System der EU-Billig-Fleisch-Exporte politisch unter Druck gerät. Nichtsdestotrotz brauche es gerade deshalb eine neue Ernährungskultur, die Lebensmittel gebührend wertschätzt. Dazu gehört ein bewusster und konsequenter Konsum, der nur bedingt vom persönlichen Geldbeutel abhänge. Der bewusste Umgang mit dem Lebensmittel müsse erlernt werden, und zwar von Kindesbeinen an. Deshalb sei Kochen für und mit Kindern für sie eine Herzensangelegenheit, die sie weiter ausbauen wolle.
Der Veggie-Day sei nicht an zu viel, sondern zu wenig Mut der Grünen gescheitert, konstatierte Robert Habeck. Die Gesellschaft sei schon viel weiter, der fleischlose Kantinentag auch keine Überforderung, sondern vielerorts für viele Menschen eine längst gelebte Praxis. Die Überforderung resultiere viel mehr aus der empfundenen Machtlosigkeit gegenüber einem System, das die Wertschätzung für Lebensmittel vermissen lasse.
Eine Machtlosigkeit, die sich auch im Umgang mit den Erzeugern zeige. Auch hier brauche es einen anderes Bewusstsein und mehr Verständnis. „Die Landwirte haben uns, die wir in den letzten Jahren immer weniger für Lebensmittel ausgegeben haben, reich gemacht.“
Mit einer Lesung aus seinem Buch „Wer wagt, beginnt“ bot er dem Publikum anschließend einen Einblick über die Herausforderungen, die Politik zu bestehen hat, wenn sie die „Fehler im System“, zum Beispiel in der Schlachtung und Verarbeitung, zu Tage bringt. Es brauche Kraft und die Unterstützung der Gesellschaft, um das zu ändern.
Gutes Essen geht durch den Magen. Dass man Qualität schmecken kann, haben die leeren Verkostungsteller mit hofeigenem Käse von meinem, dem nordhessischen Kellerwaldhof, und Wurstsorten vom Gut Kerkow Sarah Wieners auch an diesem Abend bewiesen.
Höchste Zeit, dem Brechtschen Gassenhauer, „erst kommt das Essen, dann kommt die Moral“, einen neuen Zeitgeist einzuhauchen.
Ich freue mich schon auf den nächsten Salon – mit Ihnen und meinen Gesprächsteilnehmern.