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Frankfurter Rundschau - Vom wachsenden Markt profitieren Erzeuger von Massenware/ Von Stephan Börnecke

Die Bio-Branche steht unter Druck: Immer wieder belasten Betrug oder Futter-Skandale das Image der Branche. Dann wieder treibt die bisherige Förderung der Bioenergie Pacht- und Landpreise in die Höhe, so dass ökologisch wirtschaftende Höfe, die beim Bodenpreis nicht mithalten können, in die Bredouille geraten. Immerhin genießen Bio-Bauern in der Politik der Bundesländer inzwischen mehr Aufmerksamkeit – sechs Länderagrarminister der Grünen hinterlassen ihre Spuren. Die Bio-Bauern erfahren neben der politischen auch eine bessere finanzielle Rückendeckung. Zugleich steigen sogar die Umsatzerlöse der Öko-Landwirte stärker als die der konventionellen Kollegen.

Doch beim Gewinn sieht es ganz anders aus: Um die Produktivität der ökologischen Bauern ist es – im Vergleich zur konventionell arbeitenden Konkurrenz – nicht so gut bestellt. Zum Auftakt der Weltleitmesse Biofach, die am heutigen Mittwoch in Nürnberg eröffnet, hat das bundeseigene Thünen-Institut Wasser in den Wein geschüttet. Zwar nehmen, so die Überprüfung der Buchführungsergebnisse von 800 Höfen, die Gewinne der Öko-Bauern zu. Doch konventionelle Landwirte können ihr Ergebnis erheblich stärker steigern. Hauptgrund: Bei den Bio-Bauern schlagen die im Vergleich höheren Personalkosten mehr durch.

Oder, wie es der Europaabgeordnete der Grünen, Martin Häusling, ausdrückt: „Konventionell arbeitende Bauern haben in der Vergangenheit ihre Betriebe viel stärker durchrationalisiert“ und dadurch die Kosten gesenkt. Bio-Bauern hinken nicht zuletzt deshalb mit ihrer Produktivität hinterher.

Tatsächlich verdient ein durchschnittlicher Bio-Landwirt zehn Prozent weniger als sein konventioneller Kollege. Mehr noch: Der Anteil jener Öko-Höfe, deren Gewinn maximal halb so hoch wie der durchschnittlicher konventioneller Vergleichsbetriebe liegt, stieg im vergangenen Wirtschaftsjahr 2013/14 von 22 auf 25 Prozent. Umgekehrt ging der Anteil besonders erfolgreicher Bio-Bauern zurück, und zwar von 18 auf 16 Prozent. Diese auseinanderlaufende Entwicklung, so meinen Branchenkenner, könnte den Zuwachs bei den Bio-Bauern begrenzen, da die Attraktivität schwindet, auf Bio umzustellen.

An Kunden mangelt es derweil nicht. Auch 2014 legte der Absatz wieder zu, und zwar um 4,8 Prozent – nach zuletzt Zuwachsraten um die sechs bis sieben Prozent in den vergangenen Jahren. Damit liegt der Bio-Anteil am Gesamtkuchen allerdings bei immer noch bescheidenen vier Prozent. Die einzelnen Absatzkanäle profitierten vom Zuwachs unterschiedlich: Der Naturkostfachhandel inklusive der Bio-Supermärkte erzielte ein Plus von 9 Prozent, der herkömmliche Supermarkt steigerte den Öko-Absatz um nur 3,6 Prozent. Discounter gar gaben Kunden ab. Der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft BÖLW ist zufrieden: „Das Potenzial am Bio-Markt ist längst noch nicht ausgeschöpft“, so Geschäftsführer Peter Röhrig.

Der Aufwärtstrend zeigt sich auch bei der Zahl der Bio-Märkte: Nachdem sich Neueröffnungen und Schließungen in den vergangenen Jahren eher die Waage gehalten hatten, standen 2014 nach Angaben des Fachorgans Bio-Handel 52 Schließungen 101 Neueröffnungen gegenüber – ein Plus von 49 neuen Geschäften. Dahinter verbergen sich meistens Bio-Supermärkte.

Doch mit der Zunahme der Bio-Supermärkte ist eine Landflucht entstanden: Kleine Geschäfte in ländlichen Gegenden machen dicht, größere Geschäfte in den größeren Städten werden eröffnet. Die Städter profitieren, die Landbewohner haben das Nachsehen, das Stadt-Land-Gefälle nimmt zu.

Dem Wachstum beim Bio-Absatz hinkt weiterhin das dringend benötigte Wachstum bei den Bauern hinterher: Die Bio-Fläche wächst mit 2,7 Prozent weit geringer als die Nachfrage. Bio-Bauern bewirtschaften nun 6,5 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. Das Gros des Wachstums aber betrifft Betriebe, die sich keinem der Bio-Verbände anschließen, sondern nach den ungleich schwächeren EU-Bio-Vorschriften arbeiten.

Dahinter, ahnt der Europa-Abgeordnete Häusling, verbergen sich nicht nur extensiv wirtschaftende Landwirte, die die Öko-Prämie als Mitnahmeeffekt einstreichen, sondern es tummeln sich auf diesem Terrain auch Erzeuger von Bio-Massenware wie Getreide oder Eiern. Diese Landwirte stellen zwar den Hof ganz oder teilweise Bio um, wollen sich aber den strengeren Verbandskriterien nicht unterwerfen und geben sich mit dem schwächeren Bio-Siegel zufrieden.

Dabei hat es durchaus Sinn, besondere Bio-Qualitäten herauszustreichen, wie eine neue Studie der Universität Kassel zeigt. Danach kaufen Konsumenten, denen Bio-Lebensmittel wichtig sind, bevorzugt Produkte, die aus der Region oder aus Deutschland kommen. Oder deutlicher: Im Zweifel greifen die Kunden sogar lieber zu regional erzeugten Produkten und lassen anonyme Öko-Qualität liegen. Nach Ansicht des BÖLW sei es wichtig, „möglichst viele Öko-Produkte aus der Region anzubieten, auch wenn deren Preise deutlich höher sind als für Produkte aus dem Ausland“.

Nach Ansicht von Häusling, selbst Bio-Bauer, wurde gerade dieser Aspekt in der Vergangenheit von der Branche vernachlässigt. Sie habe sich zu wenig von oft ausländischer Massenware in Discounter und Supermarkt abgegrenzt und damit auch dem Preisdiktat der Marktführer unterworfen, kritisiert der Grünen-Politiker: „Die Preise werden insgesamt nach unten gezogen, und der Verbraucher erwartet mehr und mehr, dass nun auch Bio billig sein muss.“ Die Bio-Vermarkter hätten nicht ausreichend darauf geachtet, „dem Kunden die Geschichte von Bio zu erzählen“. Denn man müsse plausibel machen, warum heimisches Bio einfach teurer sein muss.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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