Grüne Europagruppe Grüne EFA

Deutschlandfunk / Von Jörg Münchenberg

Beim Thema Verbraucherpolitik trifft Brüssel nicht immer den Nerv der Bürger, das zeigen die Reaktionen auf Richtlinien wie die "Gurkenverordnung". Im kommenden Jahr will sich die EU zunächst auf einige große Projekte wie Datenschutz konzentrieren - zum Leidwesen der Verbraucherschützer.

Eines der wichtigsten Vorhaben im neuen Jahr aus Verbrauchersicht ist die geplante Harmonisierung und Modernisierung der Datenschutzverordnung. Die bisherige Richtlinie stammt aus dem Jahr 1995, datenschutztechnisch gesehen ist das Steinzeitalter. 2012 hat die EU-Kommission deshalb eine neue Verordnung vorgelegt, die wichtige Verbesserungen aus Verbrauchersicht enthält – etwa, welche persönliche Daten wie verarbeitet und wie sie auch leichter wieder gelöscht werden können.

Das EU-Parlament hat sich bereits positioniert, jetzt dürfte auch der Ministerrat letzte Streitpunkte beilegen, sodass dann 2015 die finalen Verhandlungen stattfinden könnten, hofft auch die Direktorin des europäischen Verbraucherschutzverbandes Beuc, Monique Goyens:

"Es ist sichergestellt, dass dem Individuum, dem Bürger die eigenen Daten gehören. Und die dann auch entscheiden, was damit geschehen soll. Das geht dann nur mit deren Zustimmung. Und ein wichtiger Punkt auch im Zusammenhang mit den globalen Märkten: das neue EU-Recht wird auch für die Firmen gelten, die nicht ihren Sitz in Europa haben. Also müssen sich etwa US-Unternehmen im Prinzip auch an die europäischen Gesetze halten, wenn die Bürger in Europa ihre Angebote nutzen."

Roaming-Gebühren sollen weiter fallen

Große Hoffnungen setzen die Verbraucherschützer auch auf das neue Jahr, wenn es um die Handynutzung im Ausland geht. Denn noch immer kassieren die Telekommunikations-Unternehmen beim sogenannten Roaming in Europa kräftig ab, obwohl die EU-Kommission seit 2007 die Roaming-Gebühren stufenweise kräftig nach unten gesenkt hat.

Im Dezember 2015 soll es dann ganz einfach werden. Telefonieren und Surfen innerhalb der EU darf dann nur noch so viel kosten wie im Inland, so hat es das EU-Parlament bereits beschlossen. Die 28 Mitgliedstaaten müssen jedoch noch zustimmen. Was jedoch als wahrscheinlich gilt. Deutlich schwieriger aber, so Goyens, dürfte die politische Einigung auf Ratsseite bei der sogenannten Netzneutralität werden, also der Gleichbehandlung von Daten im Netz:

"Es gibt Mitgliedsstaaten, die für die Netzneutralität kämpfen. Denn die hat das Internet so populär gemacht. Das ist der Grund für die vielen Innovationen und die Dynamik dort. Andere Mitgliedsstaaten sind da zurückhaltender. Sie wollen das Internet stärker reglementieren und den Firmen ermöglichen, hier die Neutralität einzuschränken. Da sind wir sehr besorgt, aber wir werden gegen diese Versuche engagiert vorgehen".


Unterschiedliche Ansichten beim Thema Klonfleisch

Ebenfalls auf der Agenda - der Umgang mit Klonfleisch. Allerdings liegen die Positionen noch weit auseinander. Zwar hat noch die alte EU-Kommission vorgeschlagen, das Klonen von Farmtieren zu verbieten. Außerdem soll der Verkauf von Fleisch und Milch geklonter Tiere in der EU untersagt werden. Doch dieser Ansatz greife zu kurz, moniert der Agrarexperte der Grünen, Martin Häusling:

"Klonen ist ja eine Technik in der Zucht. Und deshalb ist entscheidend, ob die Kommission sich dann dazu durchringen kann oder dem Parlament folgt, dass man die Tiere, die von geklonten Elterntieren stammen, also die Tiere der ersten Generation, dass man die kennzeichnet. Sodass der Verbraucher, aber auch der Landwirt weiß - das Tier, was ich da auf den Hof bekomme oder das auf dem Teller landet - dessen Eltern sind geklont. Und darum drückt sich die Kommission recht erfolgreich".

Ohnehin treibt Verbraucherschützer eine Grundsorge um. Weil sich die Kommission 2015 zunächst auf einige Prestigeprojekte konzentrieren will, könnten Maßnahmen für den Verbraucherschutz - etwa Vorgaben für Elektrogeräte beim Stromverbrauch - hinten runter fallen. Verbunden auch mit dem populären Argument, Brüssel müsse sich schließlich nicht überall einmischen.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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