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Deutschlandfunk - EU-Umweltpolitik 2015/ Von Jörg Münchenberg
 
Gentechnische Pflanzen sind wieder ein Thema für 2015

Seit 1. Januar wird bei Kaffeemaschinen die Warmhaltefunktion begrenzt, andere Probleme bleiben vorerst aber ungelöst: Die umweltpolitische Agenda der EU für 2015 ist voll und umfasst neben Gentechnik auch die Neuordnung der ökologischen Landwirtschaft. Dabei gibt es nicht nur Clinch zwischen Umweltpolitikern und der EU-Kommission.

Der erste wichtige umweltpolitische Beschluss aus europäischer Perspektive dürfte gleich im Januar erfolgen. Dann wird das EU-Parlament abschließend über einen Vorschlag der EU-Kommission entscheiden, der den Mitgliedsstaaten mehr nationale Freiräume beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen lässt, selbst wenn die EU prinzipiell für den Anbau bereits grünes Licht erteilt hat.

Bislang ist hier das vorherige Urteil der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit entscheidend. Künftig aber sollen auch umwelt- oder agrarpolitische Gründe für ein nationales Anbauverbot möglich sein. Der Agrarexperte der Grünen, Martin Häusling, sieht die geplante Gesetzesänderung trotzdem kritisch:

"Wir werden ja jetzt vielleicht mehr Gentechnik haben als vorher. Weil es gibt ja manche Länder, die das wollen. Und die werden das auch fördern. Und dann haben wir in Europa so einen Flickenteppich – das eine Land macht Gentechnik, das andere nicht. Was aber die größte Gefahr ist aus meiner Sicht, dass man jetzt in Brüssel bei den Zulassungen alles durchwinken wird. Weil man jetzt sagen wird, die Mitgliedstaaten können den Anbau jetzt zuhause ja doch verbieten. So einen richtigen Fortschritt kann ich dabei nicht erkennen."
Bereits 50 Importzulassungen für Genpflanzen

Ohnehin betrifft dies nur den Anbau von gentechnisch verändert Pflanzen in Europa. Für Importe gibt es derzeit rund 50 Zulassungen, vor allem für Futtermittel. Demnächst könnte noch ein Monsanto-Raps – eine gentechnisch veränderte Futterpflanze - dazukommen, die Entscheidung dazu liegt bei der EU-Kommission.

Offen ist dagegen, was aus der Ökoverordnung werden soll. Brüssel hatte im Frühjahr 2014 eine Reformagenda für die ökologische und biologische Produktion vorgelegt. Danach sollten Ausnahmen begrenzt, Kontrollen ausgeweitet und Grenzwerte verschärft werden. Doch die Maßnahmen sind innerhalb der EU umstritten – selbst die Bundesregierung warnte vor einer Schwächung des Ökolandbaus. Die Juncker-Kommission hat nun Mitgliedsstaaten und EU-Parlament eine sechsmonatige Frist für eine Einigung gesetzt, andernfalls soll der Vorstoß zurückgezogen werden. Diese Zeit aber, so der Grüne Häusling, solle man nutzen:

"Ich glaube, wenn sich jetzt Rat und Parlament gezielt an eine Verbesserung des Vorschlages machen, dann können wir eine Einigung erreichen. Man kann es auch nicht bestreiten, der Sektor hat ja Probleme. Die Frage der Kontrolle, die Frage, in welche Richtung geht Öko – eher in die große Produktion oder bleibt es doch eine bäuerliche Produktion. Die Fragen müssen mit so einer Verordnung auch geklärt werden."
Viel Arbeit bei der Klimapolitik

Viel Arbeit wartet auch noch bei der Klimapolitik. Die EU hat sich zwar für die große Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris bereits positioniert: Demnach soll der CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent gesenkt, der Anteil der Erneuerbaren Energien um mindestens 27 Prozent gesteigert und die Einsparungen bei der Energie ebenfalls um mindestens 27 Prozent erhöht werden. Letzteres ist jedoch kein verbindliches Ziel. Doch jetzt gehe es an die Detailarbeit, sagt der Umweltexperte im EU-Parlament, Jo Leinen, SPD:

"Wir haben ja das Paket für 2030 beschlossen mit der Reduzierung von Treibhausgasen. Das muss jetzt noch umgesetzt werden in Gesetze. Vor allem, wenn es um verbindliche Ziele für Erneuerbare Energien geht. Hoffentlich auch für Energieeffizienz – also Energieeinsparungsmöglichkeiten. Das große Thema aber wird auch sein: Können wir mehr den Entwicklungsländern helfen? Also, da geht es um die Solidarität im globalen Klimaschutz. Also, was hat Europa da noch anzubieten."

Gleichzeitig liegen die Umweltpolitiker jedoch im Clinch mit der EU-Kommission. Die hatte in ihrem Arbeitsprogramm für 2015 aus Effizienzgründen wichtige Vorhaben gestrichen – etwa geplante Richtlinien zur Ökosteuer sowie zu Recyclingzielen. Ob Juncker hier im Einzelfall doch zu Zugeständnissen bereit sein wird, ist offen.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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