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TAZ - Die Tierzahl in Ställen soll stärker begrenzt werden, verlangt EU-Parlamentarier Martin Häusling. Die derzeitigen Regeln seien zu flexibel.

VON JOST MAURIN

BERLIN taz | Der wichtigste Europa-Parlamentarier für die Reform der EU-Öko-Verordnung, Martin Häusling, fordert neue Vorschriften gegen Massenställe in der Bio-Landwirtschaft. "Die Tierzahl muss wieder stärker an die Größe der Betriebsfläche gebunden werden, damit die Betriebe ihr Futter weit überwiegend selbst erzeugen können und die Exkrementmenge nicht zu Überdüngung führt", sagte der grüne Abgeordnete der taz. Derzeit seien die Regeln zu flexibel. "Das hat teilweise zu fast konventionellen Strukturen geführt und so die ganze Szene ein Stück weit um ihre Glaubwürdigkeit gebracht", so Häusling.

Der Hesse koordiniert als sogenannter Berichterstatter die Entscheidung des Parlaments über die Reform. Bis Ende Januar will er einen Gegenentwurf zum Vorschlag der EU-Kommission präsentieren. Bio-Landwirtschaft gilt als besonders umweltschonend, zum Beispiel weil die europaweit 190.000 Öko-Betriebe auf chemisch-synthetische Pestizide und Dünger verzichten.

"Wir müssen in der neuen Verordnung auch definieren, was ein Stall ist", ergänzte Häusling. Das bisherige Regelwerk erlaubt zwar maximal 3.000 Legehennen pro Stall. Weil es diesen Begriff aber nicht definiert, bringen Agrarindustrielle mehrere "Ställe" in einem Gebäude unter, sodass 24.000 Bio-Legehennen unter einem Dach keine Seltenheit sind. Bei solchen Größenordnungen ist es schwieriger, die Tiere so gut wie nötig zu betreuen. Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission für die neue Öko-Verordnung geht auf diese Probleme nicht ein.

Eine Absage erteilt Häusling Forderungen des deutschen Branchenverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), bei Bio-Elterntieren von Legehennen die Pflicht zu Auslauf im Grünen zu streichen. Der BÖLW begründet das damit, dass sich die Tiere im Freiland leichter mit Krankheiten infizieren könnten (taz vom 4. 11. 14). "Freilandhaltung ist ein Grundprinzip des ökologischen Landbaus", antwortet Häusling darauf. "Wenn ich anfange, Ausnahmen zu machen, dann kommt die nächste Branche: Ja, aber Enten kann man auch ohne Wasserflächen halten und so weiter."

Einig ist sich der 53-Jährige mit der Wirtschaft aber darin, was von dem sehr niedrigen Pestizidlimit zu halten ist, das die EU-Kommission vorschlägt: "Ich bin dagegen, dass man explizit für Ökoprodukte neue Grenzwerte einzieht." Denn sonst müssten Biobauern dafür bezahlen, wenn Chemie von konventionellen Nachbarfeldern herüberweht - obwohl sie dafür nicht verantwortlich sind. "Das Verursacherprinzip muss gelten", verlangt der Parlamentarier.

Häusling spricht sich auch gegen den Plan der Kommission aus, Biobetrieben Saatgut und Jungtiere aus konventioneller Produktion nur bis 2021 zu erlauben. Bislang dürfen die Ökos das, wenn es nicht genug Bio-Ware gibt. Dieselbe Frist für alle hält der Grüne aber nicht für sinnvoll, da jeder Branchenteil und jedes Land unterschiedlich gut mit Öko-Saatgut und -Jungtieren versorgt ist. "Ich will, dass jeder Mitgliedstaat einen Entwicklungsplan aufstellt, wann er sein Ziel erreicht. Dann muss Lettland das vielleicht bis 2030 schaffen, Deutschland vielleicht bis 2025."

Viel besser müsse der Verordnungsentwurf in Sachen Kontrollen werden, sagt Häusling, der selbst Biobauer ist. "Es muss ein Frühwarnsystem für Kontaminationen und Betrug geben", fordert er. In dem großen 2011 in Italien aufgedeckten Betrugsskandal, bei dem konventionelles Soja mit Biosiegel verkauft wurde, "waren die Behörden zu spät informiert und die Warnung anderer Mitgliedstaaten funktionierte nicht". Zertifizierungsstellen, die in der EU und in Drittstaaten arbeiten, sollten ihre Zulassung ebenso zu Hause verlieren, wenn sie in Drittstaaten nicht korrekt kontrollieren. "Das würde diese Zertifizierungsstellen wesentlich stärker unter Druck setzen, wirklich ernsthaft ihrer Arbeit nachzugehen."

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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