Grüne Europagruppe Grüne EFA

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Seit Jahren haben sich Gegner und Befürworter bei der Zulassung neuer gentechnisch veränderter Pflanzen, Futtermittel und Lebensmittel im EU-Ministerrat gegenseitig blockiert und das Verfahren so um Jahre verzögert. Nun zeichnet sich eine Lösung für den Dauerstreit ab: Die Mitgliedstaaten sollen künftig weitgehend frei darüber entscheiden können, ob sie den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Gebiet erlauben. Die Umweltminister der 28 EU-Staaten haben sich am Donnerstag in Luxemburg dafür ausgesprochen, Verbote aus einer Vielzahl relativ vager Gründe - von sozioökonomischen über die Landschaftsplanung bis hin zu speziellen Umweltpolitikzielen - zu erlauben. An dem umstrittenen Zulassungsverfahren selbst soll sich nichts ändern. Die Gentechnik-Befürworter wie Spanien erhoffen sich aber, dass die Zulassung künftig schneller erteilt werden kann.
Angestoßen hat die Reform die EU-Kommission. Sie hatte schon 2010 vorgeschlagen, den Staaten in der Frage des Anbaus von Genpflanzen mehr Spielraum zu verschaffen. Bisher gilt die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Produkten stets für die gesamte EU. Die Staaten können den Anbau solcher Pflanzen auf ihrem Gebiet nur verbieten, wenn es neue wissenschaftliche Belege für Gesundheits- oder Umweltrisiken gibt. Das zu den Gentechnik-Kritikern zählende Deutschland hat das wie auch Frankreich, Österreich oder Griechenland für die Maissorte "Mon 810" auch getan. Tatsächlich stehen diese Verbote aber auf rechtlich wackeliger Grundlage, da die Pflanzen vor ihrer Zulassung umfassend geprüft werden. Nach Ansicht der Kommission hat zumindest bisher noch kein Mitgliedstaat tatsächlich glaubhaft neue wissenschaftlich fundierte Bedenken vorweisen können.
Momentan wird in der EU nur der schon 1998 zugelassene Mais "Mon 810" von Monsanto im großen Stil angebaut, insbesondere in Spanien. Die BASF hatte zwar nach jahrelangem Stillstand 2010 die Zulassung für die gentechnisch veränderte Amflora-Kartoffel erhalten. Der Konzern hatte den Anbau aber schon 2012 wieder eingestellt. Das von den Mitgliedstaaten angenommene Verfahren für nationale Anbauverbote sieht zwei Phasen vor. Zunächst sollen die Staaten die Hersteller gentechnisch veränderter Pflanzen dazu offiziell auffordern können, ihr Gebiet bei der Zulassung auszuklammern. Folgen diese dem nicht, kann der Mitgliedstaat den Anbau einseitig auf Basis der genannten Gründe verbieten. Das Verfahren ist damit komplizierter als das von der Kommission vorgeschlagene. Diese wollte den Staaten sofort ermöglichen, Anbauverbote auszusprechen. Ähnlich hatte sich das EU-Parlament positioniert. Grund für das Zwei-Phasen-Verfahren ist offenbar, dass es im Ministerrat Zweifel gibt, ob die Anbauverbote mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar sind. Die erlaubt Verbote nur aus wissenschaftlichen Gründen. Wenn die Hersteller - in der ersten Phase des neuen Verfahrens - auf den Anbau in einem Land verzichten, bleibt die WTO jedoch außen vor.
Die Bundesregierung begrüßte den Beschluss. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte: "Jetzt erstmals ist es völlig eindeutig, dass wir auf gesicherter rechtlicher Grundlage gentechnisch veränderte Organismen nicht zulassen werden in Deutschland." Die deutsche Regierung hatte sich ebenso wie andere Staaten lange gegen die Reform gesperrt, weil sie die nationalen Verbote - trotz des eigenen Anbauverbots für "Mon 810" - für nicht vereinbar mit dem Binnenmarkt hielt. Seit dem Streit um die Zulassung der neuen gentechnisch veränderten Maissorte 1507 im Februar war aber Bewegung in die Debatte im Ministerrat gekommen. Damit die Staaten auch den Anbau von Mais 1507 verbieten können, wenn die Zulassung vor der endgültigen Verabschiedung der Neuregelung erteilt ist, soll sie auch rückwirkend gelten. Tatsächlich dürfte bis zur endgültigen Verabschiedung noch einige Zeit vergehen, weil sich die Staaten mit dem Europaparlament auf eine gemeinsame Linie einigen müssen.
Kritik an dem Beschluss der Minister übten Grüne, Sozialdemokraten und Umweltgruppen. Es bestehe nach wie vor die Gefahr, dass die Biotechnik-Branche rechtliche Schritte gegen Länder ergreife, die Gentechnik-Anbauverbote verhängten, teilte Greenpeace mit. Der Grüne Martin Häusling kritisierte, Europa bekomme einen Flickenteppich mit ungeahnten Folgen für Ökonomie und Ökologie, wenn sich einzelne Staaten gegen, andere aber für Gentechnik aussprächen.

Schlagwörter:

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen