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HNA/ Von Ulrike Lange-Michael

Podiumsgespräch zur Massentierhaltung: „Ende der Agrarindustrie“

Gudensberg. Wenn man künftig den Schweinen in den deutschen Mastställen wegen des EU-weiten Tierschutzgesetzes ihre Ringelschwänzchen nicht mehr abschneiden darf, dann wird das enorme Auswirkungen auf die Tierhaltung haben - und zwar zugunsten der Tiere:

Mit Schwänzen keine Stresshaltung mehr, als Folge weniger Tiere pro Stall, eine andere Haltung, damit weniger Fleisch auf dem Markt und bessere Preise.

Das prophezeite Agrarexperte Eckehard Niemann am Mittwochabend bei der Veranstaltung zur Massentierhaltung im Gudensberger Bürgerhaus. Eingeladen zu dem Podiumsgespräch hatte die Bürgerinitiative Chattengau gegen Massentierhaltung.

„Wir sind tatsächlich auf dem Weg, die Agrarindustrie mit ihren riesigen Mastställen abzuschaffen“, zeigte sich Niemann optimistisch. Voraussetzung sei, dass die Tierschutzvorgaben der EU auch durchgesetzt werden, wie das in Skandinavien der Fall sei.
Landwirte keine Gegner

„Wir haben den Kampf gegen Pharmaindustrie und Konzerne aufgenommen, die heute die Landwirtschaft weitgehend bestimmen“, sagte Andreas Grede als Einlader. Gegner seien nicht die Landwirte, sondern die Großinvestoren.
© Lange-Michael, UlrikeGeballte Kompetenz: Die Bürgerinitiative Chattengau gegen Massentierhaltung hatte zum Podiumsgespräch in Gudensberg einige Experten eingeladen, von links Martin Häusling (Europa-Abgeordneter der Grünen aus Bad Zwesten), Andreas Kampmann (Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten), Moderatorin Dr. Andreas Fink-Keßler, Mediziner Dr. Philipp Klapsing, Agrarexperte Eckehard Niemann und Landwirt Reinhard Nagel.

Auf dem Podium saßen Experten unterschiedlicher Bereiche: Dr. Philipp Klapsing als Intensivmediziner wies darauf hin, dass immer mehr multiresistente Keime (MRSA) und die teils massenhafte Gabe von Antibiotika in der Tierhaltung durchaus zusammenhängen. „85 Prozent der Landwirte und Tierärzte, die sich häufig in Mastställen aufhalten, sind MRSA-Träger“, sagte Klapsing. Sie würden in Kliniken schon als Hochrisiko-Patienten angesehen mit der Empfehlung, sie sofort zu isolieren. In Holland werde jeder Deutsche als potenzieller Keimträger angesehen und isoliert, damit er keinen ansteckt.

Eckehard Niemann wies darauf hin, dass sich bei der Hähnchenproduktion wenige Groß-Konzerne einen Verdrängungswettbewerb lieferten. Es gebe in Deutschland und Europa eine deutliche Überproduktion, da der Verbrauch inzwischen stagniere.
Nur wenig Geld für gefährliche Arbeit

Ernüchternd waren die Aussagen des Gewerkschaftsvertreters zum Thema Arbeitsplätze: Andreas Kampmann (NGG) berichtete, dass in der Gudensberger Hähnchenschlachterei die 160 festen Mitarbeiter etwa 1630 Euro brutto monatlich verdienen, die 90 Leiharbeiter noch 1470 Euro und die 80 per Werksvertrag Beschäftigten 1340 Euro - bei 40 Stunden pro Woche, für eine hochgradig gesundheitsgefährdende Arbeit.

Eine Landwirtschaft, die man 50 Jahre lang an Subventionen gewöhnt habe, könne man nicht von heute auf morgen ändern, sagte EU-Parlamentarier Martin Häusling. „Aber der Druck wird zunehmen, dass sich etwas ändert“, sagte er voraus, allein schon durch das Antibiotika-Problem. Ziel seien faire Preise für faire Produkte, betonte Häusling. Der aktuell wichtigste Kampf sei der gegen das geplante Freihandelsabkommen mit den USA: Dafür müsse man Menschen aktivieren.

Über alternative Methoden in der Landwirtschaft berichtete Reinhard Nagel. Der Milchbauer lässt seine Kühe weniger Milch, dafür mehr Kälbchen produzieren. „Die halten die Euter gesund“, sagte er, mit der Folge, dass er kaum einen Tierarzt und keine Antibiotika benötige.

Alle Referenten forderten dazu auf, lokal und überregional politischen Druck aufzubauen. Nur so könne man etwas ändern.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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