Grüne Europagruppe Grüne EFA

Auch das geplante Freihandelsabkommen TTIP könnte Gentechnik erleichtern

neues-deutschland.de / 12.06.2014 / Von Haidy Damm
Die EU will den Anbau verbieten und erleichtert damit wohl die Zulassung von Gentechnik - so die Befürchtung von Kritikern. Dabei steht eine schnellere Zulassung auch auf der Wunschliste für das TTIP.
 
Seit Jahren beschweren sich Saatgutkonzerne wie BASF, Monsanto oder Pioneer über die langsam mahlenden Mühlen in Brüssel. Jetzt könnte ausgerechnet die Idee eines nationalen Anbauverbotes den Unternehmen den lang ersehnten Fuß in der Tür ermöglichen. Doch die Konzerne setzen längst nicht mehr allein auf diesen doch sehr langsamen Türöffner.

 Im momentan verhandelten Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und Europa versuchen Unternehmensverbände und andere Lobbygruppen, den europäischen Markt für gentechnisch veränderte Lebensmittel durchlässig zu machen.
Mehr zum Thema
   
 Die Lobbystrategien der Genmultis

 Während in der EU die Gentechnik auf der Tagesordnung steht, ist es auffällig still auf Seiten der Konzerne. Ein internes Papier zeigt: auch wenn ihnen die Schritte nicht reichen, die Entwicklung ist in ihrem Sinne. Mehr
 Heike Moldenhauer über die Gefahren durch die neue EU-Richtlinie

 Denn in den USA gibt es weder eine Kennzeichnungspflicht noch ein Anbauverbot. Dementsprechend gebe es auch keine Kontrollsysteme, erklärt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament. »Für die USA ist unsere Kennzeichnungsnorm für gentechnisch veränderte Produkte nicht akzeptabel«, sagt er und befürchtet, dass es für gentechnikfreie Produkte in Europa eng werden könnte.

 Dabei wird im TTIP nicht direkt über Gentechnik verhandelt. Stattdessen könnten die bisherigen EU-Verbote von genetisch veränderten Nahrungsmitteln unterlaufen werden, weil sie in den USA - ähnlich wie Zölle - als wettbewerbswidrige »technische Handelsschranken« gesehen werden. »Die Industrie versucht, über TTIP Gesundheits- und Sicherheitsregeln loszuwerden, die sie auf nationalem Level nie abbauen könnte«, sagt Ed Mierzwinski vom Transatlantischen Konsumentendialog, einem Verbund von Nichtregierungsorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks gegenüber der »Zeit«.

 Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein unterschiedliches Prinzip im Verbraucherschutz. In der EU basieren die Vorschriften für die Sicherheit von Nahrungsmitteln auf dem Vorsorgeprinzip. Damit ermöglicht sich die EU, alle Einfuhren, die ein potenzielles Risiko für Mensch oder Umwelt darstellen, so lange zu beschränken bis gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen.

 Die USA gehen den umgekehrten Weg: Exportiert werden darf alles, was nicht nachweisbar gefährlich ist. »Derartige Entscheidungen erfolgen mittels einer Kosten-Nutzen-Analyse der Risiken und mit Daten, die als ›belastbare wissenschaftliche Fakten‹ gelten - und die etwa im Fall der Unbedenklichkeitserklärung für gentechnisch modifizierte Organismen direkt von der Industrie kamen«, erklärt die US-amerikanische Agrarwissenschaftlerin Karen Hansen-Kuhn.

 Auch Verbraucherschützer in den USA fordern seit längerem eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte. Zwei Staaten haben bereits entsprechende Gesetze verabschiedet, auch wenn sie diese nicht umsetzen werden, solange keine weiteren Staaten hinzukommen. »Diese Kampagnen werden durch das Abkommen untergraben«, sagt Hansen-Kuhn.

 Welche Auswirkungen das Freihandelsabkommen auf die neue EU-Gentechnikrichtlinie haben wird, ist noch umstritten. Beide jedoch stärken die Rolle der multinationalen Unternehmen. Und diese könnten zukünftig über Klagen - sei es vor der WTO oder dem Europäischen Gerichtshof - ihren Druck auf die Mitgliedstaaten erhöhen. Auf der Wunschliste der Unternehmen stehen auf jeden Fall beschleunigte Zulassungsverfahren, die neue EU-Gentechnikrichtlinie könnte genau das zur Folge haben. Trotz nationaler Anbauverbote.

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/935601.gentechnikfreie-zonen-broeckeln.html

Schlagwörter:

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen