Haltung der EU-Kommission zu Biokraftstoffen unverständlich
Kurswechsel verunsichert Branche - Investitionen zum Stillstand gekommen - Zeit bis 2020 drängt - Anbaubiomasse schafft neue Einkommensmöglichkeiten der Landwirte - Verarbeitungsindustrie hat große Kapazitäten aufgebaut - Rolle der Landwirtschaft beim Klimaschutz klären
BERLIN. Mit Verwunderung und Unverständnis reagieren die
Landwirtschafts- und Biokraftstoffverbände weiterhin auf die nun ablehnende Haltung der EU-Kommission zu Biokraftstoffen. Auf dem Fachkongress „Kraftstoffe der Zukunft“ im Rahmen der Internationalen Grünen Woche (IGW) erklärte der Generalsekretär der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA), Pekka P e s o n e n , der Anbau von Anbaubiomasse habe neue Geschäftsmöglichkeiten für die Landwirte geschaffen und ihre Position verbessert. Dazu arbeiteten die europäischen Betriebe nachhaltiger und effizienter als in vielen anderen Regionen der Welt; das würden selbst Nichtregierungsorganisationen (NGO) einräumen. Umso unverständlicher sei, warum sich die Landwirte beschneiden und den Anbau beenden sollten. Der Generalsekretär der Europäischen Bioethanolvereinigung (ePure), Rob V i e r h o u t , verglich die EU-Kommission überspitzend mit einem „betrunkenem Autofahrer“ der hin und her schlenkere und dem man die Fahrerlaubnis entziehen müsse. Das Hin- und Herschwanken schade aber allen Beteiligten. Investitionen seien gestoppt worden.
Die Gründe für den Kurswechsel blieben hingegen im Dunkeln. Ermutigend für die Branche sei bislang lediglich, dass bisher kein Gesetzesvorschlag die Kommission so verlassen habe, wie er reingegangen sei.
Branche will vorankommen
„Gefährlich“ nannte der Präsident des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), Dr. Robert F i g g e n e r , den derzeitigen Stillstand. Bis 2020 vergingen nur noch sechs Jahre. Die Zukunft der Biokraftstoffe danach sei ungewiss. Die Branche wolle vorankommen, habe aber stattdessen reihenweise Insolvenzen hinter sich. Nach den ersten politischen Signale und Anregungen habe man große Produktionskapazitäten aufgebaut. Derzeit könne man 5 Mio t Biodiesel jährlich produzieren, man benötige aber weniger als die Hälfte, um die nun vorgegebene Quote zu erfüllen. Figgener plädierte dafür, die „wirklichen Effekte“ des Biomasseanbaus zu betrachten und mit anderen Möglichkeiten zu vergleichen. Es sei denkbar, dass sich herausstelle, dass Biokraftstoffe doch die bessere Alternative sei.
Die christdemokratische EU-Parlamentarierin Christa K l a ß sprach sich für einen kombinierten Ansatz von Biokraftstoffen der sogenannten ersten, zweiten und dritten Generation aus. Hierfür sei unter anderem eine langfristige Innovationsförderung nötig. Klaß bekräftigte außerdem ihre ablehnende Haltung zu Abschlägen beim Treibhausgasminderungspotential europäischer Biokraftstoffe durch indirekte Landnutzungsänderungen (iLUC) in Drittstaaten. Warum übernehme man hier die totale Verantwortung für andere Länder, die für sich agierten, fragte die Abgeordnete. Unabhängig davon könnte der Anbau von Energiepflanzen für den Außenhandel in den Entwicklungsländern auch wirtschaftliche Anreize geben und die Wertschätzung des landwirtschaftlichen Sektors in den Regionen erhöhen.
Häusling: Nicht für die Masse
Generalkritik kam dagegen vom Europaabgeordneten der Grünen, Martin H ä u s l i n g . Er betonte, die Zeiten hätten sich geändert und das viel beschworene große Potential an Fläche sei nicht mehr vorhanden.
Er ist überzeugt, dass bei den erneuerbaren Energien Wind- und Solarstrom „das Rennen machten“. Bioenergie werde dagegen keinen nennenswerten Beitrag leisten. Auf diese Weise Energie zu verbrennen, sei die uneffektivste Art. Einen viel größeren Effekt hätten Einsparung und Effizienzerhöhung bei den Autos. Die Bioenergie werde bis zu einem gewissen Grad benötigt, räumte Häusling ein, aber nicht für die Massenmobilität. Die Doppelnutzung von Raps sei möglich, werde aber nicht für alle ausreichen. Statt Einspeisung und Quotenregelung will der Grünen-Politiker lieber auf reines Pflanzenöl setzen. Prof.
Uwe L a h l von der Technischen Universität Darmstadt verwies auf größere Zusammenhänge. Es gehe nicht nur um die Biokraftstoffe, sondern um die Rolle der Landwirtschaft beim Klimaschutz. Unter diesem Gesichtspunkt sei der Anbau von Biomasse sogar ein wichtiger Faktor für den Klimaschutz. Außerdem erklärte der Wissenschaftler, dass auch der Fokus auf Biokraftstoffe der zweiten Generation das Problem nicht lösen werde. Hier erwartet er dieselben Zielkonflikte. AgE
Jahrgang: 55 Nummer: 5 Erscheinungsdatum: 27. Januar 2014
Rubrik: Europa-Nachrichten