Brüssel will EU-Staaten mehr Eigenverantwortung zu GMO einräumen
07.11.2013 von Redaktion EU-Infothek Brüssel (dpa Insight)
Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten bei Anbauzulassungen von genetisch modifizierten Organismen (GMO) mehr Eigenverantwortung einräumen. In einer Mitteilung vom Mittwoch forderte EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg die EU-Staaten auf, einem Richtlinienvorschlag der EU-Exekutive von 2010 endlich zuzustimmen. Laut Richtlinie könnten die Staaten GMO-Anbau verbieten, wenn sie eine Gefahr für die Umwelt oder die Gesundheit befürchten.
Deutschland, Großbritannien und Frankreich lehnten die Pläne aber ab. Die Bundesregierung fürchtete unter anderem Scherereien mit der Welthandelsorganisation WTO. Zudem sei eine solche Regelung nicht mit dem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt zu vereinbaren.
Anlass: Altantrag auf Genmais
Der Anlass zum neuerlichen Vorstoß der Kommission geht auf das Jahr 2001 zurück: Die Kommission leitete am Dienstag einen aus 2001 stammenden, aber noch immer nicht entschiedenen Zulassungsantrag für «Mais 1507» der damaligen Firma Pioneer HiBreed & Dow AgroSciences (heute: DuPont Pioneer) an den EU-Ministerrat weiter. Dieser Gen-Mais produziert ein Insektengift, das gegen Maisschädlinge wie den Maiszünsler wirken soll, aber Umweltschützern zufolge auch Schmetterlinge schädigen kann. Ferner ist der Mais resistent gegen ein bestimmtes kommerzielles Unkrautgift (Glufosinat).
Der Weiterleitung ging eine Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union (EuGH) vom 26. September 2013 voraus. Der EuGH warf der EU-Kommission vor, bei der Behandlung des GMO-Antrags untätig geblieben zu sein. Zwar hatte die Efsa den Gen-Mais mehrfach (2005, 2006, 2008, 2011 und 2012) auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken getestet und keine Einwände erhoben. Die Kommission unterließ dennoch eine Entscheidung in dieser Frage und riskierte eine Schadensersatzklage.
Da der Antrag bereits 2001 gestellt wurde, hat nach altem Verfahren nun der Ministerrat das letzte Wort - mit qualifizierter Mehrheit. Nach Einschätzung von EU-Politikern wird es im Ministerrat «keine Mehrheit gegen den Gen-Mais» geben, so dass dieser von der Kommission zugelassen werden dürfte.
DuPont Pioneer «zuversichtlich»
Der Konzern DuPont Pioneer begrüßte die Entscheidung der Kommission auf der Grundlage der damaligen Richtlinie 2001/18/EC. Ein Sprecher teilte mit, er sei «zuversichtlich, dass der Ministerrat innerhalb der vorgegebenen Frist abstimme». Der Gen-Mais erfülle «alle EU-Regulierungsanforderungen» und solle «für den Anbau ohne weiteren Verzug zugelassen werden». Nach der Zulassung werde DuPont Pioneer eine «strategische Entscheidung über die Vermarktung» treffen.
EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg sagte am Dienstag, der Gerichtsbeschluss habe die Dringlichkeit für eine zugleich strenge und vorhersehbare europäische Zulassungsregeln für GMO bestätigt. Er betonte dabei auch, das Gericht habe auf eine «angemessene Berücksichtigung der nationalen Zusammenhänge» hingewiesen. Daraus leitet die Kommission ihren erneuten Subsidiaritätsvorstoß ab, um die Verantwortung auf die Ebene der Mitgliedstaaten zu verlagern.
Grüne im Europaparlament: «Durchpeitschen» von GMO
Postwendend Kritik kam vom agrarpolitischen Sprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling. Er erkennt in den inzwischen gehäuften GMO-Entscheidungen der Kommission ein «Durchpeitschen». Die EU-Kommission habe dem Ministerrat nicht nur den Gen-Mais 1507 zum Anbau empfohlen, sondern inzwischen auch den Import des «Super-Gen-Mais Smartstax» von Monsanto als Lebens- und Futtermittel genehmigt. Ferner habe die Kommission Pollen, der mit dem Gen-Mais «Mon 810» kontaminiert ist, als zulässigen Bestandteil in Lebensmitteln gestattet.
Die «geballte Entscheidung, gleich drei äußerst umstrittene Gentechnik-Konstrukte zuzulassen» oder zu empfehlen, lasse jede Sensibilität vermissen: «Das ist ein klares Zeichen gegen den Willen der Bevölkerung und eine Absage an den vorsorgenden Verbraucherschutz», sagte Häusling. Just vor den Europawahlen sei eine solche Entscheidung «erschreckend» und widerspreche dem Demokratieverständnis.
Kritische Fragen der CDU/EVP zu Monsanto
Die EU-Kommission hatte am 31. Oktober 2013 auf eine schriftliche Anfrage des EU-Abgeordneten Horst Schnellhardt (CDU/EVP) bestätigt, dass der Import von SmartStax-Mais von Monsanto demnächst genehmigt werde. Schnellhardt wandte dagegen ein, dass der Gen-Mais sechs Insektengifte produziere, die bisher nur einzeln, nicht aber in ihrer Gesamtwirkung getestet worden seien. Schnellhardt verwies dabei auf Studie der Caen-Universität in Frankreich, wonach dort in zweijährigen Tests an Ratten, die mit dem Gen-Mais gefüttert worden waren, Krebs und Unfruchtbarkeit festgestellt worden seien. Australische Forscher hätten zudem Entzündungen im Verdauungstrakt von Schweinen gemeldet, die mit dem Mais gefüttert worden waren.
Verbraucherschutz-Kommissar teilte Schnellhardt indes mit, die Efsa habe die Studie in Australien geprüft und verworfen, weil sie «nicht im Einklang» mit EU-Prüfungsmethoden gestanden habe.
Österreich bleibt beim Nein zu GMO
Der österreichische ÖVP-Europaabgeordnete Richard Seeber betonte am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur APA, dass es in jedem Fall beim Anbau-Verbot in Österreich bleiben müsse: «Was angebaut wird, müssen die Mitgliedstaaten selbst entscheiden können.» Seeber appellierte an die Regierungen der Mitgliedstaaten, eine Regelung zu beschließen, «mit der den Ländern ausdrücklich erlaubt werden soll, den Anbau von genveränderten Pflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet zu untersagen».
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