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25.06.13 TAZ von Jost Maurin
Die EU-Minister wollen die Landwirtschaft umweltverträglich machen. Zu Besuch bei einem Bauern, der profitieren könnte und einem, der Verluste befürchtet.

FRÖMERN/KESSEBÜREN taz | Wilhelm Eckei streift mit der Hand durch die einen Meter hohen Pflanzen mit den schwarz gefleckten weißen Blütenblättern. „Das sind Ackerbohnen“, sagt Eckei, 51 Jahre alt und Bauer im nordrhein-westfälischen Dorf Frömern. Er steht auf einem seiner Felder und betrachtet seine nächste Ernte.
Bohnen gehören zu den Leguminosen – einer Pflanzenfamilie, die im Boden Stickstoff bindet und dadurch umweltschädliche Dünger überflüssig macht. „Die Bohnen bekommen meine Schweine“, erzählt Eckei. Ackerbohnen statt Sojabohnen, für deren Anbau in Südamerika oft Urwald und Kleinbauern weichen müssen. Viele Umweltschützer würden sagen, dass Eckei eine Menge richtig macht.
Landwirt Eckei schaut diese Woche gespannt nach Luxemburg und Brüssel. Dort wollen sich die EU-Agrarminister mit EU-Parlament und der EU-Kommission bis Mittwoch auf eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik in den Ländern der Europäischen Union einigen.

Von den jährlich rund 60 Milliarden Euro Subventionen für die Landwirtschaft soll ein größerer Teil als bisher an Betriebe fließen, die mehr für die Umwelt unternehmen als bisher gesetzlich vorgeschrieben ist. Leguminosen-Bauern wie Eckei könnten also mehr Geld bekommen.
Die größten Bauern kriegen das meiste Geld

 Bei den Verhandlungen steht eine Menge auf dem Spiel: Etwa 40 Prozent des EU-Haushalts fließen in die Agrarpolitik. Dabei ist laut Wissenschaftlern die Landwirtschaft hauptverantwortlich dafür, dass Tier- und Pflanzenarten in Europa aussterben. Die Bauern bewirtschaften 47 Prozent des Bodens in der EU. Und sie verursachen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland.

 Dennoch verteilt die EU die wichtigste Subventionsart – die Direktzahlungen – hauptsächlich nach der Flächengröße der Betriebe: Wer die meisten Hektar Land hat, bekommt auch am meisten Geld. Natürlich müssen sich die Empfänger an die Gesetze etwa zum Düngereinsatz halten. Aber ansonsten ist es bei der Subventionsberechnung egal, wie die Bauern wirtschaften.

 Dieser Grundsatz solle sich ändern, haben EU-Parlament, Agrarminister und Kommission in ihren Positionspapieren für die Verhandlungen festgelegt. Mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen könnten Landwirte nur noch dann erhalten, wenn sie bestimmte Ökoauflagen erfüllen. Sie müssten zum Beispiel mehrere Fruchtarten anbauen. So sollen Monokulturen verhindert werden, in denen sich Schädlinge schneller vermehren, was zu mehr Pestiziden auf den Äckern führen kann.

 Wichtigstes Kriterium ist, dass die Bauern einen Teil ihrer Ackerfläche „im Umweltinteresse“ nutzen. Das können Brachen, Hecken oder Streifen mit Wildblumen sein. Wahrscheinlich werden aber auch Hülsenfrüchte wie bei Bauer Eckei anerkannt.

 Umstritten ist, wie groß die Ökoflächen sein sollen. Die EU-Kommission fordert 7 Prozent, das Parlament 3 Prozent ab 2015 und 5 Prozent ab 2016, während der Ministerrat 2015 mit 5 Prozent starten will. „Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir mit 5 Prozent der Ackerfläche beginnen“, sagt der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling, der als Schattenberichterstatter für die kleinen Fraktionen im Parlament die Verhandlungen begleitet.
2.600 Schweine hinter der Hygieneschleuse

 5 Prozent ist für Eckei ein Klacks. „Ich habe auf 10 Prozent Leguminosen“, erzählt er. „Leguminosen bringen nicht so einen Ertrag wie Raps oder Getreide, von der Menge nicht und vom Geld her auch nicht. Aber Geld ist ja nicht alles“, sagt Eckei, der bei der ökologischen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft aktiv ist.

 Heiner Bückers Hof ist nur knapp fünf Kilometer entfernt von Eckeis, im Ort Kessebüren. Aber es liegen Welten zwischen ihnen. Beide halten Schweine und bauen das Futter selbst an. Doch Eckei hat 300 Schweine, Bücker dagegen 2.600.

 Eckeis Tiere behalten die Ringelschwänze und leben auf Stroh in einem offenen Stall mit Auslauf. Bückers Schweine leben in zwei von der Außenwelt durch Hygieneschleusen abgeschotteten Gebäuden. Den Ferkeln wird innerhalb von drei Tagen nach Geburt die Schwanzspitze mit einer Rasierklinge abgeschnitten – damit die Tiere sie sich nicht aus Langeweile auf den kahlen Betonböden gegenseitig abbeißen.

 Eckeis Schweine bleiben ruhig, wenn man ihren Stall betritt, Bückers springen auf und rennen hektisch durch die Box. Während Eckei seine Tiere über das tierfreundliche „Neuland“-Programm vermarktet, liefert Bücker unter dem agrarindustriellen „QS“-Siegel, das auch Discounter nutzen.
Richtige Richtung oder Belastung?

 Für Eckei geht die geplante Agrarreform in die richtige Richtung – Bücker sieht die Vorschläge zu den Flächen im Umweltinteresse als zusätzliche Belastung. „Wir müssten 5 Hektar aus der Produktion nehmen“, sagt der 34-jährige Agraringenieur. Leguminosen kämen nicht in Frage, weil sie unrentabel seien. Tatsächlich liefert ein Feld Hülsenfrüchte 50 Prozent weniger Ertrag als ein Acker mit Getreide.

 Leguminosen haben für Bücker auch den Nachteil, dass sie nicht gedüngt werden. „Dann werde ich die Gülle von meinen Tieren nicht los.“ Weniger Schweine will er nicht halten, das würde seinen Gewinn senken. Hecken oder Bäume, die als Flächen im Umweltinteresse gelten könnten, stehen zwar am Rande seiner Felder.

 Aber sie gehören meistens der Gemeinde – würden also nicht auf seine 5 Prozent angerechnet. Bücker sieht nicht ein, warum er mehr für die Subventionen tun soll als bisher. Die Umweltschäden – das ist kein Thema. „Wir produzieren schon auf einem hohen Qualitätsniveau und bekommen trotzdem nicht genug Geld“, sagt er.
Die biologische Vielfalt leidet unter der Einfalt

 Bücker ist kein Einzelfall. Die meisten Bauern in Deutschland verzichten auf Hülsenfrüchte. Nach einer Schätzung des bundeseigenen Thünen-Instituts machen Brachen und andere anrechnungsfähige Landschaftselemente im Schnitt nur 2,1 bis 3,5 Prozent der Ackerfläche aus. Deutschland könnte also ein bisschen grüner werden, wenn die EU-Reform mehr verlangt.

 Aber eben nur ein bisschen. „Wir haben schon 55 Prozent der Arten verloren und müssen jetzt massiv eingreifen“, sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Sie fordert mindestens 10 Prozent Fläche für den Artenschutz. „Es ist ein Netz von Rückzugsräumen für Arten nötig, damit sie sich bewegen und vermehren können.“ Dafür reichten 5 Prozent nicht.

 Sicher ist, dass die EU die Agrarmilliarden weiter ungleich verteilen wird. Derzeit kassieren 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Direktzahlungen. Es wird in Zukunft zwar einen Aufschlag für die ersten Hektar geben, was kleinen Höfen nützen würde. Außerdem wird diskutiert, die Direktzahlungen pro Betrieb zum Beispiel auf 365.000 Euro zu begrenzen. Aber selbst wenn dieser Vorschlag durchkäme: Er ist so lasch und enthält so viele Ausnahmen, dass er nur wenige Betriebe träfe.

 Einen wir Neuland-Bauer Eckei wurmt das. Die Großbetriebe hätten schon Vorteile, weil sie zum Beispiel Saatgut billiger einkaufen könnten, sagt er. Und immer mehr kleine Höfe geben auf. „Das“, klagt Eckei, „wird auch mit dieser Reform nicht gestoppt.“

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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