Grüne Europagruppe Grüne EFA

11.03.2013 Süddeutsche Zeitung VON SILVIA LIEBRICH (online-Artikel)
Am Mittwoch stimmt das EU-Parlament darüber ab, wie umweltfreundlich Europas Landwirte in Zukunft wirtschaften müssen. Der Deutsche Bauernverband wehrt sich mit aller Macht gegen strengere Auflagen und muss dafür heftige Kritik einstecken; Ökoverbände befürchten noch mehr Monokulturen und exzessive Tierhaltung

München - Es ist eine wichtige Vorentscheidung, die das EU-Parlament am Mittwoch in Luxemburg trifft. Die Rede ist von der milliardenschweren Agrarreform. Dabei geht es nicht nur um viel Geld, sondern auch um Weltanschauungen. Um die Frage, wie viel Raum die industrielle Massenproduktion in Zukunft bekommen soll und welcher Stellenwert daneben einer ressourcenschonenden Landwirtschaft eingeräumt wird. Darum, wie wir uns in Zukunft ernähren, zu welchem Preis und wie es um den Umweltschutz bestellt sein wird.
Etwa 50 Milliarden Euro an Subventionen erhalten Europas Bauern jedes Jahr, das ist der größte Einzelposten im EU-Budget. Unter welchen Rahmenbedingungen das bis zum Jahr 2020 geschieht, wird derzeit ausgehandelt. Ein schmerzhafter Prozess. Denn welche Leistungen die Erzeuger für Beihilfen erbringen sollen, ist heftig umstritten. Grüner und gerechter sollte die Landwirtschaft werden. Das war der Plan von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos. Öffentliches Geld sollte es nur noch gegen öffentliche Leistung geben.
Doch der Widerstand der Bauernlobby, die auch den Agrarausschuss im EU-Parlament dominiert, ist groß. Dort wird Bestandssicherung betrieben. Aus gutem Grund. Der mit Abstand größte Anteil der Subventionen wird in Form von Direktzahlungen geleistet. Die Höhe richtet sich allein nach der Größe der Fläche und ist nicht an Umweltauflagen geknüpft. Und das, obwohl die Landwirtschaft als einer der größten Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen gilt. Dünger, Pestizide und Gülle belasten Böden und Grundwasser und verursachen Schäden, für die die Allgemeinheit, aufkommen muss.
Beim Deutschen Bauernverband will man davon nichts wissen. Für Generalsekretär Helmut Born ist die Welt, so wie sie ist, in Ordnung: ,,Unsere Bauern haben heute bereits 40 Prozent ihrer Nutzfläche in Agrarumweltprogramme eingebracht, um etwa die Artenvielfalt zu erhalten oder Trinkwasser bereitzustellen”, sagte er am Wochenende der SZ. ,,Damit hat die deutsche Landwirtschaft die jetzt geforderten ökologischen Kriterien der Agrarreform bereits erfüllt”, glaubt er.
Kritiker werfen dem Bauernverband dagegen Schönfärberei vor. Denn gemeint sei damit nur, dass bestehende Gesetze eingehalten werden - und nicht mehr. ,,Es wird immer argumentiert, dass die Auflagen für die Betriebe so hoch sind, dass sie die Subventionen rechtfertigen. Dass dies nicht stimmt, sagen nicht nur wir Ökobauern, sondern auch die staatlichen Institute, die den Zustand der Umwelt und Landwirtschaft in unserem Lande regelmäßig auswerten”, kontert Jan Plagge, Präsident von Bioland, dem größten deutschen Ökoverband. Er plädiert dafür, das System der Direktzahlungen gleich ganz abzuschaffen und ein wirklich neues System der Honorierung zu entwickeln. ,,Viele Bauern, egal ob Bio oder konventionell, wollen eine Leistung bringen und dafür auch ordentlich bezahlt werden. Nicht nur für die Lebensmittel, die sie produzieren, sondern auch für andere Leistungen, die durch die Lebensmittelpreise eben nicht abgedeckt sind.” Dazu gehören für Plagge etwa Maßnahmen zur Landschaftspflege und zum Artenschutz. Doch genau dafür soll es nach dem jetzigen Verhandlungsstand in Zukunft noch weniger Geld geben. Plagge hält das für eine absurde Entwicklung, ,,Monokulturen werden genauso weiter zunehmen, ebenso die industrielle Tierhaltung”, meint er.
Auch Lutz Ribbe, Agrarexperte der Umweltstiftung Euronatur, verlangt: ,,Ohne eine Bindung der Direktzahlungen an gesellschaftliche Leistungen sind die Milliardenbeträge, die in die Landwirtschaft fließen, nicht mehr zu legitimieren.” Der Agrarwissenschaftler Professor Alois Heißenhuber von der TU München Weihenstephan sieht das ähnlich. ,,Ohne Greening fehlt dafür die Begründung.”
Er hält ohnehin nichts von einer einheitlichen Flächenprämie für alle. Schließlich mache es einen Unterschied, ob ein Großerzeuger auf 100 Hektar Maismonokulturen anlege oder ein Bauer im Schwarzwald mehrere kleine Felder bewirtschafte, die an ihren Rändern naturbelassen seien. Nicht nur innerhalb der Regionen in Deutschland werden die Mittel ungerecht verteilt. Tatsächlich gehen auch die Zahlungen innerhalb der EU weit auseinander (Grafik). Während ein Landwirt in Lettland im Schnitt mit 168 Euro je Hektar rechnen kann, kommt ein maltesischer auf 1580 Euro, ein deutscher liegt mit 399 Euro im oberen Mittelfeld.

Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament, hofft, dass sich Kommissar Ciolos mit seinen Plänen doch noch durchsetzen kann, auch wenn es derzeit nicht danach aussieht. Doch selbst wenn die Abgeordneten am Mittwoch dagegen votieren sollten, gebe es noch einen Hoffnungsschimmer, ,,dann werden die Beschlüsse mit EU-Rat und -Kommission beraten”. Die Befürworter einer Agrarwende wollen unterdessen am Dienstag in Luxemburg mit einer Demonstration noch einmal Druck machen. Knapp 56 000 EU-Bürger beteiligten sich zudem bis Sonntag an einer Unterschriftenaktion der Umweltverbände WWF, BUND, Nabu, und Euronatur im Internet, die sich an die Mitglieder des EU-Parlaments richtet.


Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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