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ZDF heute/ von  Anne Gellinek, Straßburg  

Die Plastikmüllmenge wird immer größer. Nun will die EU-Kommission mit einer neuen Strategie die Flut von Plastikabfällen bis 2030 eindämmen und die Umwelt besser schützen.

Wenn wir weiter so viel Plastik produzieren und wegwerfen wie bisher, heißt es aus der EU-Kommission, dann schwimmt in 25 Jahren mehr Müll in unseren Meeren als Fisch. Eine Horrorvorstellung - und Deutschland ist ganz vorne mit dabei beim Produzieren von Plastikmüll.

Im Jahr 2015 warf jeder Deutsche  37,4 Kilogramm Plastikverpackungen weg. Die Bundesrepublik liegt damit EU-weit nur hinter Estland (46,5 kg), Luxemburg (51,9 kg) und Irland (60,7 kg) — und alle vier Mitgliedsstaaten liegen weit über dem EU-Durchschnitt von 31,1 Kilogramm pro Kopf.

Nur knapp 30 Prozent pro Jahr recycelt

Die Plastikmüllmenge wird also immer größer, trotz deutschen Sammelns, Trennens und Recycelns. In Deutschland wuchs sie um 33 Prozent, um immerhin 12 Prozent in der gesamten EU (im Vergleich zum Zeitraum 2005 - 2015).

Höchste Zeit also für europäisches Handeln, für eine EU-weite Plastikvermeidungsstrategie, die Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermanns in Straßburg vorstellt. Die Zahlen sind dramatisch: von 25 Tonnen Plastikmüll jährlich in der EU werden nur knapp 30 Prozent recycelt, der Rest landet auf legalen und illegalen Mülldeponien oder wird verbrannt.

Einwegverpackungen im Visier

Zuerst will die EU-Kommission die Einwegverpackungen ins Visier nehmen. Der Becher für den Smoothie-to-go, der in Plastik verpackte Salat in der Mittagspause, die Gurke in Cellophan. So sollen bis 2030 möglichst keine Plastikbecher und -flaschen mehr auf Deponien landen, sondern alle Verpackungen recycelt oder wiederbenutzt werden. Dabei setzt die EU nicht auf Verbote, sondern auf neue Umweltstandards, die stärker auf wiederverwertbare Komponenten setzen, auf bessere Recycling- Methoden, die hochwertiges Plastik herstellen können und auf die Industrie, die sich freiwillig verpflichten möge den Prozentsatz von recyceltem Plastik bei Neuverpackungen zu erhöhen.

Ob das klappen kann, bezweifelt der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling: "Die Zeit der Freiwilligkeit ist jetzt vorbei. Seit 30 Jahren reden wir über Müllvermeidung und die Industrie hat längst alle Verfahren, da brauchen wir jetzt auch mal politischen Druck!"

Kosmetikindustrie unter Beobachtung

Zweites Ziel der Müllvermeidung: Reduzierung oder Verbot von Mikroplastik. Diese Teilchen von unter fünf Millimeter Größe werden in der Kosmetikindustrie zum Beispiel bei  Körperpeelings und Zahnpasta verwendet oder sie entstehen durch Abrieb von Autoreifen und dem Waschen von Textilien. Sie gelangen ins Meer, werden von Fischen und Kleinstlebewesen gefressen und enden so wieder in der Nahrungskette des Menschen. Nach dem Willen der Kommission soll künftig der "absichtliche" Zusatz von Mikroplastik  in Kosmetika ganz verboten werden.

Zu spät, zu langsam kritisiert auch der Europaabgeordnete der CDU, Karl-Heinz Florenz, die EU-Kommission: "Sie hätte das schon viel eher machen sollen. Weil wir seit vielen Jahren sehen, wie sich die Kunststoffindustrie durchfummelt. Da weiß man nie, wer der Ansprechpartner ist, der Produzent, der Rohstoffhersteller, der Verpackungsproduzent? Da sind noch viele Fragen offen, und die Debatten darüber werden noch lange dauern."

Erfolg der EU-Strategie von Verbrauchern abhängig

Dritter Punkt der Plastikmüllstrategie: kein Schiffsabfall mehr in die Meere. Ab sofort sollen alle Häfen in der EU, egal ob Industrie-, Fischerei- oder Freizeithäfen, verpflichtet werden den Müll von Schiffen anzunehmen und zu entsorgen. Die Hoffnung ist, dass Kapitänen so die Entscheidung leichter fällt, den Müll nicht ins Meer zu verklappen, sondern an Land zu recyceln.

Auch die gute alte Plastiktüte bleibt nicht unerwähnt – sie bekämpft die EU schon seit einiger Zeit mit einigem Erfolg. So ist das Ziel der "Plastiktüten-Direktive" den Gebrauch von leichten Einmal-Tüten bis 2017 um 50 Prozent und bis 2019 um 80 Prozent zu reduzieren. Immerhin gaben bei einer Eurobarometer-Umfrage zwei Drittel aller EU-Bürger an, dass sie weniger oder keine Plastiktüten mehr benutzten.

Eine europäische Steuer auf Plastikverpackungen, die der deutsche EU-Haushaltskommissar Günter Oettinger in den letzten Tagen immer wieder ins Gespräch bringt, hat es offenbar nicht in den Kommissionsvorschlag geschafft. Die Pläne sind noch unausgegoren und wieder ist die Frage, wo setzt man an, beim Produzenten oder dem Verbraucher?

Die Plastikstrategie der EU-Kommission ist nur ein Anfang, umsetzen müssen sie die europäischen Mitgliedsstaaten und vor allem wir. Die Verbraucher.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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