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Deutschlandfunk - Umstrittenes Pflanzenschutzmittel

Von Sebastian Schöbl 

Die EU-Kommission möchte das möglicherweise krebserregende Pestizid für weitere zehn Jahre zulassen. Das Parlament ist deutlich kritischer und auch bei den einzelnen Mitgliedsstaaten wackelt die Mehrheit. Bis zum 15. Dezember muss eine Einigung her. In Brüssel werden nun die Weichen gestellt.

Schon oft wurde behauptet, dass auf EU-Ebene das "Endspiel um Glyphosat" begonnen hat; dass also die Entscheidung für oder gegen die Neuzulassung in Europa vor der Tür steht. Dieses Mal aber ist es wirklich ernst, meint der Agrarexperte der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling: "Jetzt ist es ein Endspiel, weil im Dezember die Zulassung insgesamt ausläuft."

Die Zeit rennt

Am 15. Dezember, um genau zu sein. Bis dahin muss klar sein, ob das Totalherbizid Glyphosat weiter in der EU eingesetzt werden darf oder nicht. Obwohl es möglicherweise krebserregend ist, wie die Internationale Agentur für Krebsforschung herausgefunden haben will.

Geht es nach dem EU-Parlament, dürften Landwirte Glyphosat maximal noch drei weitere Jahre benutzen, also bis Ende 2020. Das hat der zuständige Umweltausschuss bereits entschieden, das Parlament wird das Ganze heute wohl bestätigen.

Hobbygärtner sollen glyphosathaltige Mittel sogar schon ab Mitte Dezember dieses Jahres nicht mehr einsetzen dürfen, auch in der Nähe von Spielplätzen und öffentlichen Parks soll es verboten werden. Und in der Landwirtschaft soll es nur angewendet werden, wo keine Alternative möglich ist, sagt Martin Häusling: "Klar ist: Das Parlament setzt ein deutlich kritischeres Signal als die Mitgliedsländer."
Unterschriften gegen Glyphosat

Und meint damit nicht nur die EU-Länder, sondern vor allem auch die Kommission, die eine Neuzulassung von Glyphosat für ganze zehn Jahre vorgeschlagen hat. Gegen den Druck der Straße, wo eine EU-weite Bürgerinitiative bereits über eine Million Unterschriften gegen Glyphosat gesammelt hat.

Die aber stützt sich auf Aussagen der Europäischen Chemieagentur und der Europäischen Lebensmittelaufsicht, wonach Glyphosat in den richtigen Händen kein Problem darstellt. Für Ulrike Müller, Europaparlamentarierin der Freien Wählern in Bayern, ist wichtig, dass: "27 Agenturen der Mitgliedsstaaten, WHO, Agenturen aus Kanada, Neuseeland, Norwegen alle zu dem gleichen Schluss kommen, dass bei sachgerechter Anwendung auf dem Acker keine Gefahr ausgeht."
Geleakte Papiere

Sprich: Es steht Studie gegen Studie, Aussage gegen Aussage. Wobei die Glyphosatgegner im EU-Parlament auf jüngst geleakte Papiere des Chemiekonzerns Monsanto verweisen. Die legen den Verdacht nahe, dass das Unternehmen die freundlichen Studien rund um Glyphosat jahrelang manipuliert haben könnte. Studien, die für die Einschätzung der Gefährlichkeit von Glyphosat maßgeblich waren. Die Meinung des Parlaments aber ist für die Kommission in diesem Fall nicht bindend.

Sie hat jedoch angedeutet, ihren Vorschlag, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen, eventuell noch einmal nachbessern zu können. Nur habe das bisher kein EU-Mitglied verlangt, so eine Kommissionssprecherin.
Ein Machtwort der Kommission?

Allerdings ist möglich, dass die Länder ihre Entscheidung im zuständigen Expertenausschuss morgen noch einmal vertagen. Eine Mehrheit gibt es bisher nämlich weder für die Neuzulassung noch das Verbot. Die Bundesregierung wird sich wohl erneut enthalten, sie ist in der Frage nämlich gespalten und damit nicht entscheidungsfähig.

In einer Jamaika-Koalition würde das wohl so bleiben, meint der Grünen-Europapolitiker Martin Häusling: "Wir haben eine absolute Befürworterseite, bestehend aus CDU/CSU und eine absolute Gegnerschaft vonseiten der Grünen."

Und weil es auf EU-Ebene in dieser Frage keine Mehrheit ohne Deutschland geben wird, heißt das wohl: In Berlin wird die Zukunft von Glyphosat nicht entschieden, sondern in Brüssel bei der EU-Kommission, die in Sachen Neuzulassung von Glyphosat am Ende wohl ein Machtwort sprechen müssen.

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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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